Sprechen und Emotion

… aus der wöchentlichen Themenserie „Sprechen wie der Profi – Eine Themenserie rund um den Brustton der Überzeugung“ mit der Stimm- und Sprechtrainerin, Business Coach und Rednerin Dr. Monika Hein. Nach Teil 9 „Vom Telefonat bis zur Präsentation: Ihr Auftritt ist hörbar” erfahren Sie heute im zehnten – und finalen – Teil, was Ihnen das Sprechen Ihres Gegenübers alles über seinen Gefühlszustand verrät.

„Meine Stimme zitterte, als ich mit ihm sprach“.  „Seine Stimme klang so rau, als drücke sie all seine Trauer aus, ohne dass er darüber sprach.“ Solche und ähnliche dramatische bis kitschige Sätze finden sich überall in der Literatur wieder: In Romanen, Kurzgeschichten, Novellen. Und tatsächlich beschreiben sie reale Situationen. Denn unsere Stimme transportiert unsere Stimmung, sie offenbart unsere Gefühle wie kein anderes Merkmal unseres Körpers. Das hat einen simplen Grund: Unser ganzes System reagiert auf Gefühle, ob wir das wollen oder nicht.

So funktioniert unser System

Wenn zum Beispiel eine junge Führungskraft vor ihren Vorgesetzten präsentiert, lässt die Angst vor dem Versagen den Körper erstarren, lähmt den Atem und bringt die Stimme zum Beben. So funktioniert unser System. Sowohl negative als auch positive Gefühle kann man hören. Bei positiven Gefühlen wie Freude, Liebe, Glück kommt es uns meistens sehr gelegen, wenn man sie hört. Es wirkt eher komisch, wenn man sie nicht hören kann. Wir zeigen dann unser stimmliches Pokerface. Mir ging es bei meiner ersten Buchung als Synchronsprecherin so. Ich konzentrierte mich gerade auf etwas anderes, als der Aufnahmeleiter anrief, um mir Datum und Uhrzeit meiner allerersten Buchung durchzugeben. Ich war so perplex, so überrascht, dass ich recht monoton und gelassen antwortete und die Buchung bestätigte. Er erwiderte etwas pikiert: „Na, du scheinst dich ja richtig zu freuen – innerlich tobst du, oder?“ In der Tat, innerlich machte ich einen Freudensprung nach dem nächsten, aber ich konnte meine Gefühle in diesem Moment nicht rauslassen. Seine Bemerkung machte deutlich: Das war nicht kongruent. Wir wirken nicht glaubwürdig, wenn wir positive Emotionen nicht hörbar machen. Lassen Sie zu, dass man alles Positive, das Ihnen widerfährt, hören kann!

Wir sind unseren Gefühlen nicht ausgeliefert

Genau anders herum ist es, wenn wir negative Gefühle wie Angst, Trauer, Ärger, Langeweile durchhören lassen. Auch wenn das durchaus authentisch wäre, denn das Gefühl ist ja existent – wenn wir einen positiven Eindruck hinterlassen möchten, ist es nicht gut, negativ zu klingen. Diese Gefühle beeinträchtigen unsere Botschaft und schmälern unsere Wirkung. Was aber tun, wenn wir uns nun mal so fühlen? Meiner Meinung nach sind wir unseren Gefühlen nicht ausgeliefert. Es kommt immer darauf an, was wir aus ihnen machen und ob wir ihnen nachgeben wollen. Unser Körper transportiert zwar Gefühle, doch jeder Mensch kann entscheiden, wie er sich fühlen und dem entsprechend auch anhören möchte. Auch hier können wir eine Parallele zum Synchronsprechen ziehen: Der Sprecher empfindet nicht „auf Schlag“ das, was die Figur auf der Leinwand fühlt. Der Sprecher setzt dafür seinen Körper ein, er bewegt sich andeutungsweise so, wie der Schauspieler auf der Leinwand. Überspitzt ausgedrückt: Er „tut so, als ob“. Genau das können Sie auch. Tun Sie, als ob Sie fröhlich seien, und Sie werden es sein. Tun Sie, als ob Sie Ihrer Idee 100 Prozent Glauben schenken und Sie werden auch so klingen. Ich höre schon Ihre Einwände: „Aber Frau Hein, das ist doch nicht authentisch, ich kann doch nicht einfach so tun, als ob, dann spiele ich ja etwas, was nicht da ist!“.

Sprechen verändert unsere Emotionen

Zum Teil gebe ich Ihnen sogar Recht. Die positiven Gefühle sind nicht gleich da. Wir bringen unsere Emotionen dazu, sich zu verändern. Dafür müssen Sie glauben, dass das funktioniert. Ein Beispiel aus meiner Berufspraxis als Stimmtrainerin. Ich hatte neulich einen sehr umständlichen Rückflug aus Köln, die Reise verzögerte sich aufgrund eines technischen Defekts am Flugzeug um einige Stunden. Statt um 21.30 Uhr war ich nachts um 03.00 Uhr in Hamburg. Morgens um 09:00 Uhr hatte ich ein achtstündiges Training vor mir. Authentisch wäre gewesen, müde zu sein und keinerlei Kraft zu haben. Meine professionelle Entscheidung aber lautete: Die Teilnehmer haben meine Kraft verdient. Es wurde ein inspirierender Tag, man merkte mir nicht an, dass ich übermüdet und erschöpft war. Ich suchte mir Übungen heraus, die auch mich aktivierten und tat so, als ob ich fit und ausgeruht sei. Mein Körper ließ sich überzeugen und funktionierte einwandfrei.

Sprechen Sie, als ob Sie glücklich wären!

Die amerikanische Sozialpsychologin Amy Cuddy beweist, dass das klappt. In Ihrem Versuch, der die Wirkung unserer Körpersprache auf das Hormonsystem untersucht, zeigt sie: Eine aufgerichtete, raumnehmende Körpersprache senkt das Stresshormon Cortisol und erhöht Testosteron. Faszinierend! Darum gilt ab heute: Sprechen Sie, als ob Sie glücklich wären! Sprechen Sie, als ob Sie kraftvoll wären! Sprechen Sie, als ob Sie selbstbewusst wären, auch wenn es sich gerade gar nicht so anfühlt. Ihr Körper wird es Ihnen glauben und wird Ihre negativen Emotionen in positive umwandeln!

Meine Tipps für Sie:

Beobachten Sie Ihren Körper. Zeigt dieser gerade Ihren Ärger, Ihre Angst, Ihre Trauer oder Langeweile? Wo spüren Sie diese? Atmen Sie ruhig in die entsprechende Verspannung hinein und richten Sie sich königlich auf.

Wie atmen Sie? Schnell, langsam, tief oder flach? Atmung zeigt Ihre Vitalität – je mehr Atemluft Sie aufnehmen und abgeben, desto lebendiger fühlen Sie sich. Atmen Sie drei Mal kräftig aus, um Ihre Atmung zu beleben!

Wie klingen Sie, wenn Sie traurig sind? Was macht Ihre Stimme aus Ärger? Lernen Sie Ihre Stimme kennen und entscheiden Sie sich gegen die negativen Emotionen. Summen Sie ein paar Mal genussvoll vor sich hin, als wären Sie tiefenentspannt oder als ob Sie richtig gut gegessen hätten. Hören Sie den sofortigen Unterschied im Stimmklang.

Wie deutlich oder undeutlich sprechen Sie bei negativen Gefühlen? Trauer lässt uns eher nuscheln, Ärger sehr scharf artikulieren. Wie sprechen Sie, wenn Sie sich freuen? Nutzen Sie eine genussvolle, plastische Aussprache, um ein positives Gefühl bei sich selbst und Ihren Zuhörern zu erzeugen.

Treffen Sie Ihre eigene stimmliche Entscheidung gegen Wut, Frust oder Angst im Beruf. Sie sind, wer Sie sind: nicht perfekt, aber dafür einzigartig! Lassen Sie von sich hören!

Sprechen wie der Profi
Dr. Monika Hein (Foto: © Romanus Fuhrmann)

Über Dr. Monika Hein

Dr. Monika Hein ist Rednerin, Stimm- und Sprechtrainerin, Business Coach und Trainerin (dvct) sowie Sprecherin in Funk und TV. Sie trainiert seit 2004 Führungskräfte, Kundenberater, Anwälte, Notare, Verkäufer, Moderatoren, Schauspieler, Dolmetscher, kurz gesagt, all diejenigen, die beruflich auf den Einsatz ihrer Stimme angewiesen sind. Sie verhilft Menschen zu einem klaren Ausdruck, mit dem sie sich stark und sicher fühlen.

Im März 2014 ist ihr Buch „Sprechen wie der Profi – Das interaktive Training für eine gewinnende Stimme“ im Campus Verlag erschienen.

Mehr zu ihrer Person finden Sie unter www.monikahein.de.

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