Steuerreform-Vorschläge: DIW erwartet kaum Impulse für das Wirtschaftswachstum

Von den aktuell diskutierten Steuerreform-Vorschlägen sind nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) nur geringe Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum zu erwarten. Allein die dauerhafte Vermeidung der kalten Progression verspricht den Forschern zufolge langfristig positive Wachstumseffekte.

van Deuverden: Effekte verpuffen nach zwei Jahren

Wie in jedem Wahlkampf haben die Parteien auch dieses Mal in ihren Programmen eine Reihe von Vorschlägen zu Änderungen im deutschen Steuerrecht vorgelegt. Ein Forscherteam des DIW Berlin hat die prominentesten dieser Reform-Vorschläge analysiert und kam zu dem Ergebnis, dass bei den meisten „[…] Reformen wie der einmaligen Rückgabe progressionsbedingter Mehreinnahmen, einer Erhöhung des Kindergeldes und Kinderfreibetrages oder der Einführung einer zusätzlichen Progressionsstufe für höhere Einkommen verpuffen die Effekte auf das Wachstum nach ein oder zwei Jahren“, so DIW-Steuerexpertin Kristina van Deuverden über die aktuell diskutierten Reform-Vorschläge.

Allenfalls Niveauverschiebungen beim Konsum erwartet

Besonderen Fokus richteten die DIW-Forscher auf die Frage, ob neben kurzfristigen auch längerfristige Wirkungen der Reformen zu erwarten sind – also ob die Maßnahmen das Wirtschaftswachstum nur einmalig ankurbeln beziehungsweise dämpfen oder so ausgelegt sind, dass sie auch in den Folgejahren für Impulse sorgen. Das Ergebnis: Bei der Umsetzung der meisten Vorschläge würde sich nur ein kurzfristiger Wachstumseffekt ergeben. „Die meisten Reformen führen zu einmaligen Niveauverschiebungen. Die Steuerzahler haben dadurch mehr oder weniger Einkommen zur Verfügung, aber der Betrag bleibt derselbe und steigt nicht von Jahr zu Jahr. Je nachdem, ob sie durch die Reform mehr oder weniger Geld in der Tasche haben, wechseln sie auf ein höheres oder niedrigeres Konsumniveau und bleiben dort auch in der Folgezeit. In den Jahren nach der Reform bleibt der Konsum also gleich, das Wirtschaftswachstum wird nicht dauerhaft erhöht“, führt van Deuverden weiter aus. Ähnliches zeigt sich bei einer Erhöhung des Kindergeldes und der Kinderfreibeträge.

Forscher sehen aber auch einen Lichtblick

Einen Lichtblick sieht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bei der sogenannten Indexierung der Einkommensteuer. Hierbei wird im Tarif eine variable Inflationskomponente eingebaut, die progressionsbedingte Steuererhöhungen vermeidet. „Dadurch passen die Steuerzahler ihr Konsumverhalten nicht nur einmalig den neuen Einkommensverhältnissen an, sondern jedes Jahr wieder neu. Der Staat würde in diesem Fall auf etwa 5,5 Milliarden Euro an Mehreinnahmen jährlich verzichten, aber das Wirtschaftswachstum könnte dauerhaft um rund 0,2 Prozentpunkte höher liegen“, so das Fazit der DIW-Wissenschaftlerin.

Bereits kurzfristig kaum nachweisbare Wirkungen auf das BIP hätte der Studie zufolge die Einführung einer zusätzlichen Progressionsstufe für hohe Einkommen. SPD und Grüne etwa haben die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent für Einkommen ab 100.000 Euro vorgeschlagen. „Das würde Mehreinnahmen von rund sechs Milliarden Euro pro Jahr generieren, aber das reale Wirtschaftswachstum kaum merklich verändern“, so die Wissenschaftler.

Weiter erheblichen Handlungsbedarf

Insgesamt sehen die Wissenschaftler unabhängig von den Effekten für das Wirtschaftswachstum erheblichen Handlungsbedarf im deutschen Steuerrecht. „Die letzte große Einkommensteuerreform liegt fast ein Jahrzehnt zurück, und der Einkommensteuertarif wurde in den vergangenen Jahren kaum angepasst. Auch spricht vieles dafür, Familien mit Kindern stärker zu fördern“, so die DIW-Experten.

(cs mit Informationsmaterial des DIW)


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