Streit um Einsicht in die Kronzeugenaussagen bei Kartellverfahren

Den Bundesländern und Verbänden liegt derzeit die geplante Reform des Kartellrechts (GWB) zur Stellungnahme vor. Auf Kritik stößt dabei vor allem ein Punkt: Nach dem Willen der Bundesregierung sollen die Akten der Kartellverfahren für die Öffentlichkeit geschlossen bleiben, weder Verbraucher noch geschädigte Wettbewerber sollen Einsicht in die Aussagen der Kronzeugen erhalten. Der Streit schwelt bereits seit einigen Monaten. Kritiker fordern, dass die Kartellgeschädigten zur Vorbereitung einer Schadensersatzklage Einblick in die Kronzeugenakten bekommen sollen. Immerhin haben sie auch zum Teil jahrelang unter den überhöhten Preisen gelitten.

Die Bundesregierung und Behörden befürworten zwar die abschreckende Wirkung von Schadensersatzklagen bei illegalen Preisabsprachen, haben sich aber dennoch gegen eine Veröffentlichung der Akten ausgesprochen. Sie befürchten, dass weniger Unternehmen die Kronzeugenregel in Anspruch nehmen, wenn sie zwar kein Bußgeld zahlen müssen, dafür aber mit hohen Schadensersatzforderungen konfrontiert werden. Dies dürfte unweigerlich der Fall sein, wenn die Akten geöffnet werden. Laut Berndt Hess, Partner bei Clifford Chance, würde eine Einsicht in die Unterlagen eine Schadensersatzklage deutlich vereinfachen: „Einfach die Akte kopieren, den Schaden berechnen, und fertig ist die Schadensersatzklage.“ Daher wird nun über einen Kompromiss nachgedacht: Die Kartellbehörden sollen das Recht bekommen, per Verfügung die Rückerstattung der Kartellvorteile an die Geschädigten anzuordnen. Wenn Verbraucherverbände im Namen der Konsumenten Kartellgewinne einklagen, soll das Geld dann an den Staat abgeführt werden.

Die Kronzeugenregelung wird bei Kartellverfahren häufig angewendet. Etwa die Hälfte der illegalen Preisabsprachen wird durch Unternehmen aufgedeckt, die die Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen und ihre einstigen Mittäter verpfeifen, um selber straffrei auszugehen. Das Strafmaß kann dabei empfindlich sein: Es drohen Bußgelder von bis zu 10% des Jahresumsatzes. Das Bundeskartellamt hat dabei seine Rolle als Wettbewerbshüter in den letzten Jahren wieder verstärkt wahrgenommen. Der Grund: Die Preisabsprachen widersprechen dem normalen Preisbildungs-Mechanismus, kosten die Verbraucher viel Geld und schädigen die Mitwettbewerber und die Volkswirtschaft. Während von 1994 bis 1997 lediglich sieben Kartellverfahren eingeleitet wurden, waren es allein 2009 und 2010 schon 27 Verfahren, die sich gegen insgesamt 172 beteiligte Unternehmen richteten. In diesen beiden Jahren wurden zusammen Geldbußen in Höhe von über 560 Millionen Euro verhängt. 78 Unternehmen kamen dabei billiger davon, indem sie sich den Behörden offenbarten. Kartellamts-Chef Andreas Mundt: „Wir hatten eine Vielzahl von Kronzeugen-Anträgen. Das belegt einmal mehr, dass Kartelle, die sich im Verborgenen abspielen, oft nur mit der Kronzeugenregelung erfasst werden können.“ Illegale Preisabsprachen führen zu durchschnittlich 25% höheren Preisen.

 

 

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