Studie zu Benzinpreisen und Tankstellen-Oligopol: Verbraucher werden abgezockt, Regierung schaut zu

Eine Studie der Grünen-Bundestagsfraktion über die hohen Benzinpreise kommt zu dem Ergebnis, dass die Deutschen um 100 Millionen Euro im Monat betrogen werden. Dabei wurden die gestiegenen Rohölpreise und der schwache Euro bereits herausgerechnet. Was bei dem Rohölpreis nicht unbedingt der Fall sein müsste, da die Produktionskosten ungleich geringer schwanken, als es die Ausschläge des Ölpreises nach oben vermuten lassen. In der Studie der Grünen wird nun gezeigt, wie die Konzerne den Preis zusätzlich in die Höhe treiben. Beim E5 hätten die Konzerne beispielsweise zwischen Ende November 2011 und Anfang März 2012 – der Preis ist in dieser Zeit um 11,3 Cent gestiegen – 42% des Preisanstieges ungerechtfertigt abgegriffen. Innerhalb der Mineralölbranche sei vor allem auch die Gewinnmarge der Raffinerien deutlich gestiegen.

Die Politik ist zum wiederholten Mal zum Handeln aufgefordert

Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn kommentiert: „Wir haben keinen funktionierenden Wettbewerb bei den Tankstellen.“ Neben mehr Rechten für das Kartellamt, damit es in den Markt besser eingreifen kann, wäre kurzfristig auch ein Monitoring der Preisentwicklung wichtig. Das Bundeskartellamt wurde bereits im Dezember 2011 von dem Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Sicht eines Tankstellen-Oligopols in Deutschland bestätigt. Das Bundeskartellamt hatte im Mai 2011 festgestellt, dass die fünf großen Tankstellenbetreiber Aral, Esso, Jet, Shell und Total quasi ein Oligopol auf dem Deutschen Kraftstoff-Markt gebildet haben: „Die fünf großen Tankstellenbetreiber in Deutschland machen sich gegenseitig keinen wesentlichen Wettbewerb.“ Es gebe im deutschen Tankstellenmarkt ein „Oligopol von einigen wenigen marktbeherrschenden Unternehmen“ mit „Marktstrukturen zum Nachteil des Verbrauchers“. Das Oligopol bestehe aus den fünf den Markt beherrschenden Mineralölkonzernen Aral/BP (23,5% Marktanteil), Shell (22%), Jet (10%), Esso und Total (jeweils 7,5%). Das gängige Schema sei, dass Aral oder Shell regelmäßig mit den Preiserhöhungen voran schreiten und die anderen Mineralölkonzerne dann binnen Stunden nachziehen. Die Folge sei ein sogenanntes „Sägezahnmuster“ eines schnellen Preisanstiegs, der dann deutlich langsamer wieder zurückgenommen werde – vom Gesetz her untersagte direkte Geheimabsprachen wären dadurch überflüssig, die Gewinne sprudeln dennoch.

Mögliche Optionen, das Tankstellen-Oligopol zu brechen

Der Auto Club Europa (ACE) hat nach Berichten des Bundeskartellamtes vom Mai 2011 der Bundesregierung vorgeworfen, zu wenig gegen die hohen Benzinpreise zu unternehmen. Auch der ADAC forderte von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler daraufhin verstärkte Kontrollen. Das Kartellamt hat seinerseits wiederum den mündigen Verbraucher im Autofahrer aufgefordert, verstärkt bei mittelständischen Tankstellen zu tanken, dies würde den Wettbewerb stärken. Das Nachbarland Luxemburg – über jeglichen Sozialismusverdacht erhaben – regelt über staatliche Preiskontrollen und einer geregelten Preisgrenze den Spritpreis. Die Preisgrenzen errechnen sich „nach einer gesetzlich definierten Formel gemäß der Preisentwicklung an den entsprechenden europäischen Börsen“. Damit wäre ein Teil des Spielraums der Benzinpreis-Abzocker eingedämmt.

Wie beim Ölpreis international geschwindelt wird

Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) hat die Fördermenge seit Ende 2008 auf dem tiefsten Niveau seit 2004 gehalten, um den Preis nicht zu sehr absacken zu lassen. Denn während der Krise war die Nachfrage gering und während des gegenwärtigen Booms freuen sich die OPEC-Staaten über den Höhenflug des Ölpreises und die entsprechend sprudelnden Gewinne. Mit ihnen freuen sich ihre Partner, die großen Ölkonzerne, deren Förderkosten nahezu gleich bleiben, aber die Gewinne von einem Rekord zum nächsten eilen. Pikant ist nun allerdings, dass die Fördermenge offiziell auf dem niedrigen Stand verharrt, um den Ölpreis hoch zu halten, die Produzenten allerdings nebenher soviel Öl an den Markt vorbeischleusen wie lange nicht mehr. Das Ziel liegt dabei auf der Hand: Offiziell wenig angeben, um den Preis hochzuhalten und dann nebenher den Markt zu dem teuren Preis hinten herum bedienen. Mitte 2011 hatte der reale Output die erlaubte Fördermenge so stark überschritten wie schon lange nicht mehr. Der größte Produzent Saudi-Arabien beispielsweise förderte rund 9 Millionen Barrel pro Tag, das sind eine Millionen Barrel mehr als seine OPEC-Vorgabe. Das Ergebnis ist beeindruckend für die absolutistische Monarchie der Halbinsel: Ein Fass Öl hat einen Gegenwert von derzeit beinahe 120 Dollar, die Differenz allein für Saudi-Arabien beträgt also 120 Millionen Dollar pro Tag, das macht 43,8 Milliarden Dollar aufs Jahr gerechnet. Laut der Neuen Züricher Zeitung treffe dies auf alle OPEC-Mitglieder bis auf Libyen zu. Der OPEC-Generalsekretär Abdullah El-Badri hatte dies am Rande des World Economic Forums (WEF) in Wien im Juni 2011 recht eigenwillig verteidigt und dabei ein weiteres Licht auf die Manipulation des Ölpreises zu Lasten der Verbraucher und der Realwirtschaft geworfen: Er hatte die Entscheidung, die Ölfördermengen trotz des hohen Ölpreises vorerst nicht zu erhöhen, verteidigt und stattdessen die Spekulanten im Ölgeschäft hart attackiert: „Es gibt genug Öl auf dem Markt und die Lager sind gut gefüllt.“ Es werde allerdings seinen Worten nach täglich 35-mal so viel Öl gehandelt wie verbraucht. So solle laut El-Badri niemand den Tatbestand von sich weisen, es würde keine Spekulation geben. Es liege daher vor allem an den Regierungen der USA und der EU-Länder, Maßnahmen gegen die spekulationsbedingten Preisschwankungen zu ergreifen. Womit der Spielball erneut, allerdings auf einem weiteren dringenden Handlungsfeld, bei der Bundesregierung landet, die dringend aufgefordert ist, der Abzocke zu Lasten der Verbraucher und der Wirtschaft endlich Einhalt zu gebieten.

Nur Schall und Rauch

Doch in der Politik wird deutlich mehr geredet als gehandelt. So hat beispielsweise Nicolas Sarkozy kürzlich eine gute Gelegenheit vertan: Der französische Präsident Sarkozy hatte sich 2011 im Rahmen seiner Präsidentschaft der G-20-Gruppe führender Wirtschaftsnationen die Regulation der Rohstoffspekulation auf die Agenda geschrieben: Die zunehmenden Preisschwankungen an den Märkten seien eine akute Gefahr für das Wirtschaftswachstum. Über die Spekulation mit Rohstoffen an den Finanzmärkten hatte Sarkozy Mitte 2011 gesagt: „Diese Märkte sind ein Witz.“ Weiter führte er damals aus: „Die Deregulierung der Finanzmärkte hat die Welt an den Abgrund geführt. Ein Markt ohne Regeln ist kein Markt mehr.“ Die Argumente der Finanzjongleure und der Lobbyisten, dass europäische Handelsplätze nicht durch Regeln beeinträchtigt werden dürften, die an anderen Orten nicht bestehen, wies er entschieden zurück: „Wenn ein Land die Mafia nicht bekämpft, sollen wir alle deswegen die Mafia nicht mehr bekämpfen? (…) Wir können uns nicht immer am Schlechtesten orientieren, der die wenigsten Regeln will.“ Europa habe daher die Pflicht, ein Modell für die Regulierung der Rohstoffmärkte zu entwickeln. Den Worten sind allerdings bislang noch kaum Taten gefolgt. Das Ausmaß der Ausnutzung der Verbraucher und der Realwirtschaft durch die wenigen Händler (Spekulanten) ist dabei atemberaubend bis skandalös: Laut der Handelskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) hat sich die Spekulation mit Rohstoffen zwischen 2002 und 2009 verfünffacht. Einen besonderen Schub erfuhr die für die Realwirtschaft und die Verbraucher leidliche Spekulation dann mit dem Beginn der unsicheren Finanzmärkte Mitte 2008, als die institutionellen Anleger in Massen aus den unsicheren Finanzprodukten flüchteten und in Rohstoff- und Lebensmittelspekulation „investierten“. Innerhalb eines Jahres hatte sich dann nach Informationen des WDR („Monitor“) die Spekulationssumme um 600% vervielfacht. Laut dem Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK) bedeutete dabei allein diese Rohstoffspekulation nur für die deutsche Wirtschaft Mehrausgaben von 30 Milliarden Euro im Jahr 2010 – die als Gewinne in die Taschen der Spekulanten fließen. Der Berater Sven Marlinghaus von Brainnet geht davon aus, dass rund 70 bis 80% der Rohstoffpreise spekulationsbasiert sind.
(mb)

 

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