Teil 1: Aufarbeitung des Skandals um den Weltklimarat 2009/2010

Schwerpunktthema November 2010: Der Klimagipfel von Cancun. Teil 1: Aufarbeitung des Skandals um den Weltklimarat 2009/2010.

 

Grundlegendes:
Der Weltklimarat der Vereinten Nationen, das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), wurde im November 1988 im Rahmen der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ins Leben gerufen. Der IPCC (Sitz in Genf) hat die Aufgabe, die Ergebnisse der Forschungsarbeiten zusammenzutragen, mit dem Ziel, den Klimawandel und die globale Erwärmung zu beurteilen und entsprechende Vermeidungs- und Anpassungsstrategien zu entwickeln. Die Ergebnisse werden in regelmäßigen Sachstandsberichten herausgegeben, zuletzt 2007, der fünfte ist für 2013 angesetzt. Im Jahr 2007 wurde die Organisation zusammen mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Für seine Arbeit wird der IPCC finanziell durch die Mitgliedsstaaten ausgestattet – im Jahr 2009 standen hierfür 5,3 Mio. Euro zur Verfügung (Unkosten der beteiligten Fachleute, sowie Veröffentlichung und Übersetzung der IPCC-Sachstandsberichte).

 

Der Skandal vom Dezember 2009:
Zwei Wochen vor Beginn der Uno-Klimakonferenz in Kopenhagen (7.-18. Dezember 2009) war der Weltklimarat der Vereinten Nationen durch eine Email-Affäre in Misskredit geraten. Tausende vertrauliche E-Mails von amerikanischen und britischen Klimaforschern wurden damals von Hackern entwendet und gelangten illegal an die Öffentlichkeit. Zwar fand sich in keiner einzigen E-Mail ein klarer Beweis für eine systematische Manipulation von Forschungsergebnissen, allerdings war das Verhalten einiger Wissenschaftler tatsächlich erklärungsbedürftig. An dem Vorfall entbrannte schließlich eine Debatte über Vorwürfe mangelnder Transparenz.

Das Timing der E-Mail-Veröffentlichungen so kurz vor dem Klimagipfel in Kopenhagen lies indes Raum für zahlreiche Spekulationen, dass der Klimagipfel torpediert werden sollte, da die Aufarbeitung der Vorwürfe größtenteils erst nach Kopenhagen erfolgen konnte. Der britische Regierungsberater Nicholas Stern hierzu: "Es hat Verwirrung gestiftet, und Verwirrung ist nie hilfreich in wissenschaftlichen Diskussionen."

Konkret ging es vor allem um zwei Emails von Phil Jones, dem Direktor der Climatic Research Unit (CRU) der University of East Anglia in England.

1. In einer schrieb der britische Wissenschaftler, dass er einen „Trick“ angewandt habe, um aus Baumringen gewonnene Datenreihen zu ergänzen. Aber sowohl Jones als auch sein Gegenüber, der US-Klimaforscher Michael Mann, haben anschließend erklärt, dass mit der Formulierung „Trick“ lediglich ein cleveres Vorgehen gemeint war und keinesfalls eine Manipulation der Daten (dies wurde allein in drei unabhängigen Untersuchungen in Großbritannien nachfolgend bestätigt).

2. Die zweite E-Mail von internationalem Interesse betraf eine Aufforderung Jones an seinen US-Kollegen Michael Mann, Daten zu löschen. Jones Climatic Research Unit hatte eine Reihe von Anfragen auf Basis des Freedom of Information Act bekommen, der öffentliche Institutionen zur Offenlegung von Daten verpflichtet. Jones hatte Mann daraufhin gebeten, alle E-Mails zu löschen, die den letzten Sachstandbericht des Uno-Klimarats betrafen. Zudem ging es auch darum, wie man Artikel unliebsamer Wissenschaftler aus Fachblättern heraushalten und wie man Forschungsdaten und -methoden vor neugierigen Blicken schützen kann. Der sich daraus ergebende Vorwurf der mangelnden Transparenz der Forschungsergebnisse hat bis heute Bestand und hat schließlich zu einer Reform der Arbeitsweise des IPCC geführt. Klimadaten wurden aber auch hier nicht manipuliert.

 

Der Skandal vom Januar 2010 (Ungenauigkeiten bei IPCC-Aussagen):
Zusätzlich sorgten einige im Winter 2009/10 bekannt gewordene Patzer im 3.000 Seiten starken Sachstandsbericht von 2007 für weiteren Unmut. Dem IPCC wurden in diesem Zusammenhang Übertreibungen und Fehler vorgeworfen. Die bekannteste Ungenauigkeit betrifft die Aussage, dass bis zum Jahr 2035 die Gletscher im Himalaja abgeschmolzen sein würden. Dieser Prognose lag ein nicht genau recherchierter Bericht der Umweltorganisation WWF zu Grunde, in dem offenbar ein Zahlendreher erfolgt war: Dieser hatte einen russischen Wissenschaftler zitiert, der davon ausging, dass die Gletscher im Himalaja bis 2350 abgeschmolzen sein könnten – daraus wurde nun 2035. Die Regeln des IPCC lassen die Verwendung solcher Quellen („grauer Literatur“) zu, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie „kritisch geprüft“ werden. Dies ist in diesem Fall offenbar unterlassen worden.

Zwar sind einzelne Fehler und Ungenauigkeiten passiert, die Vorwürfe fehlerhafter Arbeit wurden von unabhängigen Klimaforschern jedoch in den folgenden Monaten im Wesentlichen bereits wieder entkräftet. Die wichtigsten Folgerungen des Klimarats behalten somit laut unabhängigen fachlichen Analysen weiterhin ihre Gültigkeit – so zum Beispiel die Aussage, dass sich der Wasserhaushalt am Fuß von Bergketten wie den Anden und dem Himalaja, und somit die Wasserversorgung von mehr als einem Sechstel der Menschheit, im Lauf des 21. Jahrhunderts verschlechtern wird (unabhängig davon, ob beziehungsweise wann genau die Gletscher vollständig verschwinden könnten). Die Ungenauigkeiten haben jedoch dazu geführt, die Arbeitsweise des IPCC zu überdenken, um ähnliche Patzer künftig zu vermeiden.

 

Die Aufarbeitung der Skandale und Freispruch des IPCC:
Aufgrund des Renommeeverlustes baten die Vereinten Nationen und der Klimarat schließlich im März 2010 einen internationalen Verband wissenschaftlicher Akademien (Interacademy Council / IAC) um eine Prüfung der Vorkommnisse. Im Fokus standen dabei allerdings nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern vielmehr die Struktur und das Vorgehen des IPCC sowie das Prozedere bei der Erstellung der IPCC-Sachstandsberichte. Der entsprechende 113 Seiten starke IAC-Bericht liegt seit Anfang September vor und bildet die Grundlage für einen umfassenden Reformprozess der Organisation. Der IAC-Bericht würdigt den Klimarat als eine bedeutende gesellschaftliche Einrichtung, der zu Recht 2007 den Friedensnobelpreis erhalten habe, enthält jedoch auch die dringende Empfehlung, Struktur und Prozeduren der Organisation grundlegend in vier Bereichen zu reformieren:

a)    Verbesserung des Managements: Beschränkung der Amtsdauer leitender Wissenschaftler auf 5-6 Jahre und Einrichtung eines zusätzlichen Führungskomitees
b)    gründlichere Begutachtung der Berichte, um Fehler zu vermeiden
c)    mehr Vorsicht bei der Beschreibung von Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten, mit der eine bestimmte Klimaentwicklung zu erwarten ist
d)    mehr Transparenz und eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit
Zudem enthält der Bericht die Empfehlung, den abschließenden Begutachtungsprozess (Kontrollprozess) der Sachstandsberichte am Schluss zusammengefasst beizufügen, so dass auch kritische Kommentare eingearbeitet und öffentlich zugänglich werden.

Vom IAC unabhängige Wissenschafter begrüßten den Bericht überwiegend, der im Ganzen als eine weitere Entlastung des IPCC gewertet wird. Forderungen wurden jedoch laut, den Sachstandsbericht (rund 3.000 Seiten) künftig radikal zu kürzen. Eine weitere Forderung hat die Autoren aus Entwicklungsländern im Fokus: Um sicherzustellen, dass ihre Arbeit immer den Qualitätskriterien des IPCC genügt, müsse ider Zugang zur Fachliteratur und Forschungsergebnissen für Klimaforscher aus Entwicklungsländern verbessert werden, sie sollen zudem auch eine größere finanzielle Unterstützung bei der Forschung erhalten.

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