Wälzt die Demokratie Europa auf den Rücken?

Am gestrigen Sonntag fanden die Wahlen für den schleswig-holsteinischen Landtag statt. Die CDU wurde knapp vor der SPD die stärkste Kraft im norddeutschen Lande, wird aber aller Voraussicht nach einer Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und der dänischen Minderheitenpartei SSW weichen müssen. Aber diese Wahl interessierte gestern nur am Rande. Vielmehr stand das wirtschaftspolitische Modell Europa zur Wahl an. In Frankreich und im stark überschuldeten Griechenland.

Die Wähler in Frankreich haben den Sozialisten Hollande mit knapper Mehrheit zum neuen Oberhaupt der französischen Republik erhoben. Eine schallende Ohrfeige für den konservativen Selbstdarsteller Sarkozy und dessen politischen Kurs.

Ein ähnliches Bild bot sich in Griechenland, aber mit viel stärkeren Kontrasten. In dem von Schulden gebeutelten Mittelmeerstaat rumort es bereits seit Jahren. Regelmäßig ziehen Demonstrationen durch die Städte der Nation, es kommt zu Ausschreitungen, die Arbeitslosigkeit ist horrend und die Selbstmordrate steigt. Jetzt haben die Griechen den aus ihrer Sicht Schuldigen eine deftige Quittung verpasst. Das ehemalige Regierungsbündnis aus der sozialdemokratischen PASOK und der liberal-konservativen Neo Demokratia verlor satte 45,3% ihrer Stimmen im Vergleich zur letzten Wahl. Davon profitierten etliche kleinere Parteien wie die autoritär-kommunistische KKE, die rechtsextreme Chrysi Avgi, das linksradikale Bündnis Syriza – das mit 16,8% zweitstärkste Kraft im Parlament ist – die rechtslastigen LAOS und Anel sowie die linke Liste Dimar. Bei dieser Vielfalt ist ein Vergleich mit den Weimarer Verhältnissen in Deutschland Ende der 1920er Jahre durchaus angebracht. Auch im wirtschaftlichen Bereich.

Allerdings ist Europa nicht kurz vor einer Krise, sondern bereits mitten drin. Und ein Ende ist momentan nicht abzusehen. Daher schauten auch die Mächtigen der Welt interessiert auf die Wahlausgänge in Frankreich und Griechenland, um angemessen darauf reagieren zu können. Die Reaktion der Mächtigen fiel fast dramatisch aus: Der Athener Aktienmarkt   ist im eigenen Land und in Frankreich am Montag deutlich abgesackt. Der Leitindex Athex Composite Share Price Index büßte mehr als sieben Prozent an Wert ein. Der FTSE/ASE 20 brach um mehr als neun Prozent ein. In Frankreich gab der Cac 40 um mehr als ein Prozent nach. In Deutschland fiel der Leitindex um 1,5 Prozent auf 6461 Punkte und sank damit auf den tiefsten Stand seit Ende Januar.

Die Börse sorgt sich um ihr wirtschaftliches Überleben. Es ist eine Tendenz zu beobachten, dass immer mehr Wähler der gängigen Marktwirtschaft den Rücken kehren. Den Begriff der „sozialen Marktwirtschaft“ nimmt seit längerem sowieso niemand mehr in den Mund, Kapitalismus ist das Schlagwort.

Daraus resultieren auch die fast panischen Reaktionen der Bundesregierung auf eine potentielle Wahl des Sozialisten Hollande. Schließlich war Sarkozy Merkels stärkster Verbündeter in Sachen Euro-Rettung. Nun steht man in Berlin vor der Frage: „Wie geht es mit uns weiter?“ Und nicht nur Berlin, sondern große Teile der Bevölkerung fragen sich immer öfter, ob es moralisch vertretbar ist, ein System durch die Injektion von Medikamenten en masse künstlich am Leben zu erhalten. Medikamente die unzählige Milliarden Euro kosten. Die von CDU und FDP oftmals gepriesene Selbstregulierung des Marktes hat sich in diesem Fall wohl als Falschmeldung erwiesen.

Wie es mit Europa und seinem Wirtschaftssystem weitergehen wird, hängt momentan in der Schwebe. Zunächst muss man abwarten ob sich in Griechenland ein regierungsfähiges Bündnis bildet, ob dieses dann auch die Abkommen mit der EU einhält, ob Hollande mit Merkel um die Rettung des Euro kämpfen wird und ob noch mehr Wahlen wie die gestrigen ausfallen werden. Sehr viele „ob“s.

(sm)

 

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