Was bedeutet der Brexit für den deutschen Mittelstand?

Der Brexit hat die vergangenen Wochen wohl mehr geprägt als jedes andere Thema, wahrscheinlich sogar mehr als die laufende Fußball-Europameisterschaft. Auch wenn es ein permanentes Kopf-an-Kopf-Rennen war, hätten wohl nur die wenigsten ernsthaft mit einem Austritt der Briten aus der Europäischen Union (EU) gerechnet. Doch nun ist es soweit. Dieses Referendum hat natürlich Auswirkungen auf die gesamte EU, auch auf den deutschen Mittelstand. Höchste Zeit sich mit den Folgen zu beschäftigen. Was bedeutet der Brexit für die deutschen Mittelständler? Mit welchen Konsequenzen müssen Unternehmer jetzt rechnen? Wie wird die wirtschaftliche Zukunft aussehen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen für den deutschen Mittelstand.

Deutsche Unternehmen mit britischer Rechtsform

Bereits vor dem Referendum haben Experten vor einem Brexit gewarnt. Ein Austritt der Briten könnte das europäische Gesellschaftsrecht durcheinanderbringen. Deutsche Unternehmen, die nach britischem Recht gegründet wurden, beispielsweise als „Limited“ (Ltd.) oder „Public Limited Company“ (PLC), könnten nicht damit rechnen, dass ihre Rechtsform problemlos in Europa anerkannt werde. Diese Rechtsform basiert auf der Niederlassungsfreiheit, nach der Unternehmen in allen Ländern der Europäischen Union Vertretungen gründen dürfen.

Nun ist der Brexit beschlossene Sache. Als nächstes geht es in die Verhandlungen über die weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Briten. Sollte es diesen nicht gelingen die Niederlassungsfreiheit zu behalten, wären beinahe 10.000 „Limiteds“ in Deutschland betroffen. Ohne offizielle Anerkennung müssten die Gesellschafter entweder persönlich für sämtliche Verbindlichkeiten haften oder die „Limited“ in eine GmbH umwandeln – doch das ist ein teurer und langwieriger Prozess.

Was bedeutet der Brexit für den deutschen Mittelstand?

  1. Der Brexit kann dazu führen, dass deutsche Unternehmen, genau wie alle anderen EU-Unternehmen, für Ihre Angestellten Visa und Arbeitserlaubnisse beantragen müssen. Dies liegt daran, dass bei einem Austritt der Briten die EU-Grundprinzipien der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit nicht mehr gültig sind. Dies ist mit viel bürokratischem Aufwand und hohen Kosten verbunden.
  2. Eine der offensichtlichsten Folgen wäre die Verschlechterung des deutschen Exports. Großbritannien war im vergangenen Jahr der drittgrößte Exportmarkt für deutsche Unternehmen. Durch den Austritt aus der EU könnten auf den Export vermehrt bürokratischer Aufwand und steigende Zölle zukommen. Dies würde in der Übergangsphase zu Verzögerungen der Lieferzeiten und mühsamen Umstrukturierungsprozessen in den Unternehmen führen, die ebenfalls mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Insgesamt verursacht das eine Schwächung des deutschen Exports. Umgekehrt sinkt natürlich auch die deutsche Nachfrage nach britischen Gütern und Dienstleistungen.
  3. Der Brexit wird ungeahnte steuerrechtliche Auswirkungen haben. Noch ist nicht abzusehen, wie genau es mit Unternehmen mit britischer Rechtsform in der EU, aber auch umgekehrt weitergehen wird. Doch eines ist klar, die Konsequenzen sind enorm. Der Austritt wird im schlimmsten Fall zu gewaltigen Steuerbelastungen der Unternehmen führen – beispielsweise durch rückwirkende Besteuerungen der Umstrukturierungsvorgänge, ein Ausscheiden aus der EU-Besteuerungshoheit, Wegzugsbesteuerung, et cetera.
  4. Eine der schlimmsten Auswirkungen auf den deutschen Markt hat die Zeit direkt nach dem Brexit. Der Generaldirektor der Welthandelsorganisation WTO, Roberto Azevêdo sagte: „Im selben Moment, in dem Großbritannien die EU verlässt, werden alle EU-Handelsabkommen für Großbritannien ungültig. Sie müssen alle komplett neu verhandelt werden. Die EU-Handelsabkommen können nicht einfach auf Großbritannien übertragen werden.“ Es wird also einige Zeit vergehen, bis EU-Unternehmen Klarheit über die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Großbritannien bekommen. Solange das jedoch nicht geschieht, können keine großen oder langfristigen Investitionen getätigt werden.

Alles in allem ist der Brexit ein harter Schlag für Europa und für Deutschland. Solange die Austrittsverhandlungen nicht abgeschlossen sind und es keine Klarheit über die zukünftige wirtschaftliche Zusammenarbeit gibt, kann man nur mutmaßen, wie radikal die Auswirkungen auf den deutschen und europäischen Markt wirklich sein werden. Nur eines dürfte gewiss ein: Positive Folgen wird es wohl keine geben.

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