Was Introvertierte erfolgreich macht (4): Leise Menschen in Teams – Die unterschätzten Team-Player

…aus der Themenserie “Leises Potenzial nutzen – Was Introvertierte erfolgreich macht” von Dr. Sylvia C. Löhken. Nach dem letzten Beitrag (3) „Networking für leise Menschen: Wie Sie Präsenz zeigen und Gehör finden“ folgt nun Teil 4: „Leise Menschen in Teams – Die unterschätzten Team-Player“

Stefan arbeitete bis vor einigen Monaten in einem Introvertierte, leise Menschen, Training, Coaching, Sylvia LöhkenTeam in der Stabsabteilung eines großen deutschen Konzerns. Mit einer Intro-Kollegin war er als leiser Mensch inmitten ausgeprägter Extro-Persönlichkeiten deutlich in der Minderheit. Seine sehr extrovertierte Teamleiterin signalisierte ihm, dass sie ihn nicht mehr im Team haben mochte: Stefan erschien ihr zu farblos und zu wenig initiativ. Er verstand die Botschaft und konnte sich bei einer Ausschreibung um eine höhere Position durchsetzen. Seine Qualitäten – er war hervorragend in der Recherche und im Erstellen von Vorlagen und unterhielt ausgezeichnete Kontakte in vielen Sparten des Unternehmens – waren der Extro-Chefin völlig entgangen, weil Stefan sie nicht nachdrücklich kommunizierte. Die Lücke fiel der Chefin erst auf, als es zu Problemen kam: Informationskanäle waren weggebrochen, Vorlagen wurden wegen ihrer geringen Qualität bemängelt. Stefans Erfahrung machen viele Intros: Sie werden unterschätzt, obwohl sie mit ihren Stärken oft Leistungen erbringen, die die Teamergenisse erheblich steigern. Es liegt also etwas schief – die Extros nehmen die Qualität ihrer Intro-Kollegen nicht wahr. Das ist aber erst die Hälfte der Wahrheit: Denn diese Intro-Kollegen tun ihrerseits zu wenig, um mit ihren Stärken und Leistungen wahrgenommen zu werden.

Intro-Teamarbeit

Die zentrale Frage ist also: Wie können Sie als Intro in Ihrem Team so arbeiten und so kommunizieren, dass Sie und Ihre Leistungen angemessen sichtbar werden? Was können Sie außerdem tun, damit Sie sich mit den Kolleginnen und Kollegen möglichst wohlfühlen – und diese sich mit Ihnen? Gute Antworten auf diese Fragen sollten zwei Bedingungen erfüllen: Sie sollten erstens Ihre Bedürfnisse und zweitens die Bedürfnisse der extrovertierten Gruppenmitglieder (bei den Intros ist es ja einfach …) berücksichtigen. Die folgenden Strategien zielen darauf ab, diese beiden Perspektiven zu vereinbaren.

So vereinbaren Sie Intro- und Extro-Bedürfnisse

  • Intro-Bedürfnis: längeres ungestörtes Arbeiten allein
    Extro-Bedürfnis: in Teilschritten arbeiten, untereinander beraten, über Ergebnisse und weiteres Vorgehen kommunizieren
    Strategie: Schaffen Sie Rituale für den Austausch, an denen Sie und andere sich orientieren können und die Ihnen den nötigen Freiraum geben, damit Sie sich auf Ihre Arbeit konzentrieren können.

Anregungen:

– Bleiben Sie nach Meetings ein wenig länger, um mit den anderen ins Gespräch zu kommen. Planen Sie diese Zeit bewusst ein.

– Vereinbaren Sie mit den Kollegen ein tägliches Zeitfenster, in dem Sie ungestört arbeiten können.

– Unterteilen Sie Ihre Arbeit in tägliche Teilschritte und machen Sie nach einer Zeit eine Pause, um sich mit den anderen auszutauschen. Nutzen Sie dazu auch E-Mail und Telefon.

– Mit unangekündigt erscheinenden Kollegen können Sie eine andere Zeit vereinbaren, wenn es gerade für Sie nicht passt: „Ich bin gerade an einer dringenden Sache. Hast du nach dem Mittagessen Zeit für einen Kaffee?“ Achtung: In Krisensituationen aller Art ist das nicht angemessen!

– Sprechen Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen über Ihre Arbeit. Seien Sie spezifisch: „Wie hat denn der Kunde reagiert, der letzte Woche …“ Diese Art der Aufmerksamkeit wird sehr geschätzt.

  • Intro-Bedürfnis: zwischendurch zur Ruhe kommen
    Extro-Bedürfnis: zwischendurch Austausch mit anderen suchen
    Strategie: Planen Sie auf Veranstaltungen oder auch für Ihren Arbeitsalltag bewusst Phasen ein, in denen Sie sich mit Kolleginnen und Kollegen austauschen. Planen Sie Rückzugsphasen ebenso.

Anregungen:

– Betrachten Sie Ihre Arbeit als Bühne. Anwesenheit fordert eine gewisse Präsenz. Sorgen Sie für Möglichkeiten, die Bühne zwischendurch zum Ausruhen zu verlassen: Das kann ein Spaziergang in der Mittagspause sein, in besonders stressigen Situationen sogar eine Mini-Auszeit in der Toilettenkabine.

– Verabreden Sie sich zum Mittagessen. Viele leise Menschen schätzen ein Mittagessen zu zweit oder zu dritt. Geben Sie den Menschen, mit denen Sie zu tun haben, Ihre volle Aufmerksamkeit.

– Schwänzen Sie bei Veranstaltungen oder Seminaren kleine Module, z. B. einen Vortrag. Nutzen Sie die gewonnene Zeit für einen Rückzug.

– Finden Sie dazu die informellen Regeln im Team heraus: Welche sozialen Anlässe und Begegnungen sind wichtig? Welche sind es eher nicht? Handeln Sie entsprechend. Das heißt, haben Sie den Mut, nicht-prioritäre Unternehmungen nicht mitzumachen. So etwa den Barbesuch nach einem erschöpfenden Veranstaltungstag. Gleichen Sie Ihr Fernbleiben dadurch aus, dass Sie bei einer anderen Aktivität mitmachen, solange Ihr Energiepegel noch relativ hoch ist: Gehen Sie also zum Beispiel am ersten Abend mit, am zweiten Abend nicht.

– Regen Sie selbst Aktivitäten an, an denen Sie sich gern beteiligen, zum Beispiel ein neues Café ausprobieren, ein Geburtstagsgeschenk für den runden Geburtstag einer Kollegin organisieren.

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Über die Autorin: 

Dr. Sylvia C. Löhken ist Speaker, zertifizierter Coach Dr. Sylvia C. Löhken– und ausgeprägte “Intro”. Nach über einem Jahrzehnt in „Intro-Biotopen“ (Forschung, Wissenschafts-administration, verantwortliche Position in Japan) hilft sie introvertierten Persönlichkeiten bei der Verwirklichung ihrer beruflichen und privaten Ziele. Ihr Buch Leise Menschen — starke Wirkung erschien in der Management-Reihe bei GABAL und traf in Medien und Öffentlichkeit auf eine starke Resonanz. Sylvia Löhken wurde von der Plattform www.vortragsredner.de als Vortragsrednerin des Jahres 2012 ausgezeichnet. Mehr zu ihr finden Sie unter www.leise-menschen.com.

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Das Buch zur Themenserie:

Sylvia Löhken: Leise Menschen - starke Wirkung

Sylvia Löhken: Leise Menschen – starke Wirkung

SYLVIA LÖHKEN
Leise Menschen – starke Wirkung
Wie Sie Präsenz zeigen und Gehör finden
ISBN: 3869363274
GABAL Verlag, Offenbach 2012

Ratgeberliteratur zum Thema Kommunikation und Umgang mit Menschen orientiert sich so gut wie immer an den “Extros”, also an Menschen, die sich in ihrem Verhalten dynamisch, spontan und gern nach außen öffnen. Extrovertierte Menschen sind mit Blick auf die Gesamtbevölkerung jedoch keinesfalls in der Mehrheit, werden wegen ihrer offensiveren Kommunikation aber in der Regel stärker wahrgenommen. Das vorliegende Buch ist anders: Es will leise Menschen auf positive Weise mit sich selbst bekannt machen. Im Mittelpunkt stehen die Vorteile, die sie mit ihren Eigenschaften im Umgang mit sich selbst und anderen haben. Denn introvertierte Persönlichkeiten sind nicht defizitär, sondern sie haben schlicht andere Stärken und andere Bedürfnisse als extrovertierte Menschen.

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