Wie große Unternehmen erfolgreiche Projekte verhindern

Mehr als 50 Prozent der Unternehmen verfehlen ihre Projektziele – und am häufigsten sind es große Unternehmen, die Unsummen in den Sand setzen. Warum sind es gerade große Unternehmen, die so oft Fehler gravierende Fehler im Projektmanagement begehen? Schließlich sind es doch gerade große Unternehmen, die die meisten Ressourcen (Zeit, Geld, Personal) zur Verfügung haben – könnte man meinen.

In seinem heutigen Beitrag zur Themenserie „Turnaround in Projekten“ zeigt Henning Zeumer, warum es gerade große Unternehmen sind, die an der falschen Ecke sparen.

Große Unternehmen: besonders viele Misserfolge

Neulich fiel mir wieder eine Statistik in die Hände, die konstatiert, dass über die Hälfte aller Projekte ihre Zeit-, Kosten- und/oder Qualitätsziele nicht erreichen, und dass 19 Prozent sogar ohne irgendeinen Nutzen eingestellt werden. Bei einem Investitionsvolumen von ca. 820 Milliarden Dollar allein bei IT-Projekten 2008 entspräche das einer Totalabschreibung von 156 Milliarden Dollar! Eine andere Studie zeigt, dass daran überproportional viele große Unternehmen Anteil haben.

Haben Sie schon einmal an einer Ausschreibung zur Besetzung von Projektfunktionen teilgenommen? Dann haben Sie sicher auch schon erlebt, wie weit diese manchmal am tatsächlichen Bedarf vorbei gehen und um wieviel besser ein maßgeschneidertes Angebot wohl auf die Anforderungen gepasst hätte.

Wenn alle das gleiche Bild hätten

Im Grunde sollen Ausschreibungen den Vorteil haben, Angebote vergleichbar zu machen und Kosten zu senken. Dieses Ziel wäre auch durchaus erreichbar, wenn alle Marktteilnehmer die dazu notwendigen Voraussetzungen mitbrächten. Auf der Nachfrageseite müsste dafür ein klares, fachlich fundiertes und zutreffendes Bild von den benötigten Leistungen und deren möglichen Ausprägungen vorhanden sein, verbunden mit dem Vorsatz, die für die Aufgabe beste Lösung zu wählen. Die Anbieter müssten die Anforderungen ebenfalls genau verstehen und ihre diesbezüglichen Fähigkeiten richtig einschätzen können bzw. angeben wollen. Und sei es nur, eben nichts anzubieten, wenn die Ressourcen nicht ausreichen.

Leider entspricht dieses Idealbild nicht der Realität, wie fast alle Ausschreibungen, die große Unternehmen oder Behörden machen, zeigen. großer Unternehmen und Behörden in Sachen Projektmanagement bietet. Gerade so, als wollten große Unternehmen gezielt verhindern, dass Projekte richtig besetzt und zum Erfolg geführt werden.

Einige Beispiele – große Unternehmen und ihre Fehler

Billig geht vor kompetent

Ein Luftfahrtunternehmen hat eine Initiative gestartet, alle seine Prozesse aufzunehmen, zu dokumentieren, analysieren und, wo sinnvoll, zu verbessern. Zu diesem Zweck wurde sogar eigens die Position des Chief Process Officers geschaffen. Nun sucht der Einkauf einen Berater, der die vorgenannten Aufgaben übernehmen soll. Das Online-Bewerbungsverfahren hinterfragt als erstes den Tagessatz.

Aus meiner Erfahrung mit dem Unternehmen kenne ich die Struktur der Einkaufspreisliste recht gut. Ich weiß auch, dass es viele anspruchsvolle Dienstleistungen bei einem unattraktiven Niveau für dafür wirklich qualifizierte Bewerber deckelt. Die Aufgabe ist auch sicherlich zu umfangreich und vielschichtig, um in einer Person abgedeckt werden zu können, aber die Ausschreibung sieht keine Angebotsmöglichkeit für ein qualifiziertes Team vor. Im Ergebnis kann also nur ein sich selbst überschätzender, aber billiger Bewerber zum Zug kommen. Der Ausgang des Projekts ist damit vorprogrammiert: Es wird deutlich länger und teurer werden als angenommen, und das Ergebnis und der so zu erzielende Nutzen für das Unternehmen ist fraglich.

Oder: Ein deutscher Logistik-Konzern sucht einen IT Multiprojektmanager mit langjähriger Erfahrung (mindestens zehn Jahre als Projektmanager, Zertifizierung, Erfahrung als Programm-Manager, mehrere Großprojekte usw.). Beim Einkauf steht der „Berater“-Job mit 70 Euro pro Stunde all-inclusive zu Buche.

Nach meinem Verständnis der Anforderungen erfordert diese Stelle vor allem gestandenes Management, profunde Methodenkompetenz und Führungsqualitäten, Diese findet man nicht bei einem billigen, aber nicht ausreichend qualifizierten und senioren Projektmanager. Im Sinne eines gesicherten Projekterfolgs ist deshalb von einer „Sparvariante“ dringend abzuraten.

Die Ausschreibung kann jedoch laut Vorschrift „von oben“ nur über den Einkauf und einen „Preferred Supplier“ erfolgen, die in den meisten solcher Fälle beide für das Recruiting von Führungskräften ungeeignet und überfordert sind. Oder werden bei Ihnen die Geschäftsführer und Abteilungsleiter auch auf diesem Weg eingestellt? Zielführender wär es doch sicher, nicht den Preis sondern die Skills in der Vorauswahl zu bewerten und die Personalabteilung wegen ihrer Erfahrung mit Bewerber-Assessments mit dem Recruitment zu betrauen, oder?

Falsche Prioritäten bei der Qualifikation

Noch ein repräsentatives Beispiel: Für ein technisches Großprojekt wird ein erfahrener Ingenieur als Projektleiter gesucht. Die Rede ist vom Sicherstellen der auftragsgetreuen Abwicklung, Umgang mit dem anspruchsvollen Kunden, Koordinieren mehrerer Zulieferanten und einem großen, über mehrere Standorte verteilten Team aus Fachspezialisten. Projektmanagement-Kenntnisse „sind von Vorteil“.

Projektingenieur oder Projektmanager – wird hier die technische Lösung oder der Erfolg und ROI des Projekts gesucht? Raten Sie mal, unter wessen Projektleitung Projekte öfter in Verzug und/oder Budget-Probleme geraten? Und wird sich nicht jeder Mensch im Krisenfall auf das konzentrieren, was er am besten kann?! Technische Fachspezialisten als Projektmanager – da drohen immer Zeit- und Zielkonflikte, und Projektmanagement nebenbei, das kann nur schiefgehen! Besser wäre es, hier eine Doppelspitze zu suchen: Einen Ingenieur für die Technik und einen Manager für die Projektplanung und konsequente -steuerung. Große Unternehmen haben hiefür schließlich auch zwei Ressorts, die zusammenarbeiten…

Fahrlässige Entscheider

Die Beispiele zeigen vor allem, wie wenig die Verantwortlichen in den Chefetagen über Projektarbeit wissen. Auch deren Anforderungen an den Projektmanager-Job, aber auch an die Organisation, in der die Projekte stattfinden, und sogar an die verantwortlichen Personen im Management gehören meist nicht zum Erfahrungsschatz der Entscheider. Entsprechend dürftig fallen die Ausschreibungen aus, und entsprechend mangelhaft werden die Projekte schließlich „abgewickelt“ werden können. Die Ergebnisse sind dann in der Regel auch entsprechend enttäuschend.

Ausblick

Lesen Sie im zweiten Teil dieses Artikels (erscheint am 21. April 2015), wie sich speziell große Unternehmen und die Öffentliche Hand schwer tun, Ihren Projekten und Investitionen zu helfen, wenn diese in Probleme geraten sind. Einige prominente Beispiele kennen Sie sicher…

Ihr
Henning Zeumer

Über Henning Zeumer

Henning Zeumer, gutes Projektmanagement
Der Projekt-Sanierer Henning Zeumer. (Bild: © Henning Zeumer)

Henning Zeumer ist seit mehr als 25 Jahren freiberuflicher Programm- und Projektmanager, PMI-zertifizierter PMP®, PgMPSM und auch Certified Scrum Master (CSM®). Seine besondere Expertise ist die Begutachtung und Sanierung gefährdeter Projekte. Er ist dabei auch beratend tätig im Portfolio-, Programm- und Projektmanagement als Advisor zur Entwicklung von PM-Aufbau- und Ablauforganisationen und -Infrastruktur, sowie Coach für Operational Excellence in Projekten.

Weitere Informationen zu Henning Zeumer finden Sie unter www.der-Projekt-Sanierer.de.

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