Die Europäische Union versucht mehr Transparenz zu schaffen und sorgt für ein stärkeres bürgerschaftliches Engagement. Seit Anfang April können jetzt auch die Bürgerinnen und Bürger selbst aktiv ein Thema auf die EU-Agenda bringen.
Die EU wird oft als Vorreiterin einer transnationalen, regionalen Demokratie/Regime angesehen, das die nationalstaatlichen Grenzen überschreitet. Die Bürgerinnen und Bürger der EU haben aber oft den Eindruck, dass sie die Entscheidungen in der EU kaum beeinflussen können und die Distanz zwischen EU-Bürgerinnen und Bürgern und den Europäischen Institutionen zu groß ist, um auf die Entscheidungsprozesse in der EU einwirken zu können. Nur alle fünf Jahre sind die Bürgerinnen und Bürger in den 27 EU-Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, die künftig 751 (derzeit noch 736) Sitze des Europaparlaments neu zu besetzen. Natürlich sollten die EU-Abgeordneten aber auch zwischen den Wahlen ein offenes Ohr für ihre Wählerin und Wähler haben, trotzdem ist ihre Zeit knapp. Jetzt soll sich das ändern!
Die Bürger sollen zunehmend direkt die EU mitgestalten. Im Mittelpunkt stehen Projekte, die Menschen an der Gestaltung Europas aktiv teilhaben lassen. Die Europäische Union möchte mehr Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit geben, eine aktive Verbindung nach Europa aufzubauen.
Die Planung der Europäischen Bürgerinitiative begann bereits vor einigen Jahren und ist das erste transnationale Bürgerbeteiligungsinstrument weltweit. Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union können dieses Instrument nun von April 2012 an nutzen. Sie können damit die Entscheidungsträger in Brüssel auf ihre Probleme aufmerksam machen und dazu einen entsprechenden Gesetzesvorschlag erarbeiten. Die rechtlichen Grundlagen für die EBI sind seit der Vertragsreform von Lissabon in Artikel 11 des EU-Vertrags festgeschrieben. In dieser Initiative sollen nicht Einzelinteressen im Vordergrund stehen, sondern europäische Anliegen, die Bürger aus mehreren Mitgliedsstaaten betreffen.
Die Initiatoren können dann Ihre Forderungen in einer öffentlichen Anhörung im Europaparlament mit der Kommission diskutieren. Mit der Bürgerinitiative hat Brüssel seine Türen für die Anliegen und Forderungen der Bürgerinnen und Bürger geöffnet. Eine gute Nachricht. Damit haben die Bürger der EU selbst die Möglichkeit, Vorschläge zu Verordnungen und Richtlinien anzustoßen und können die politische Agenda der EU beeinflussen.
Die einzige Voraussetzung ist es eine Millionen Unterschriften in sieben der 27 Mitgliedstaaten für eine Europäische Bürgerinitiative zu bekommen. Dies gibt den Initiatoren dann die Möglichkeit, die Entscheidungsträger in Brüssel direkt auf ihre Probleme und Forderungen aufmerksam zu machen. Im besten Fall wird aus der Initiative dann ein Gesetzentwurf, im schlechtesten Fall erregt sie zumindest öffentliche Aufmerksamkeit. Der Anwendungsbereich der Bürgerinitiative reduziert sich dabei auf die Politikfelder, in denen die EU zuständig ist, also z.B. auf Umweltpolitik, Verbraucherschutz, Landwirtschaft oder Handelspolitik.
Der Grüne Abgeordnete Gerald Häfner war einer der Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments für die Bürgerinitiative. Er kann damit den Erfolg mit für sich verzeichnen, bürokratische Stolpersteine abgebaut zu haben und die EU Bürger verdanken ihm das Recht auf eine öffentliche Anhörung.
Außerdem hat er erreicht, dass eine Kontaktstelle für Anfragen und Beratung der Bürgerinnen und Bürger zur Europäischen Bürgerinitiative eingerichtet wird und dass es mehr Gerechtigkeit bei der Mindestzahl der Unterschriften pro Land geben wird.
Die Europäische Bürgerinitiative kann sich als ein erster wichtiger Schritt hin zu einem stärker partizipatorischen Demokratiemodell in Europa zeigen. Bleibt zu hoffen, dass es auch ein Anreiz für die Mobilisierung der Umweltverbände, Gewerkschaften, Menschenrechtsgruppen, Kirchen und Verbraucherorganisationen wird, um sich grenzüberschreitend zu organisieren und einen neuen Weg zur direkten Partizipation in der EU-Politik zu ergreifen.