Baden-Württemberg: ‚Das Land wird reicher‘

Katastrophenalarm. Eine atomare Horrormeldung jagt derzeit täglich die  andere. Doch die Atom-Krise bietet auch Chancen. Gute Aussichten dafür,  schneller als öffentlich oft vermutet alle erneuerbaren Energien zu  nutzen. Energien von hier. Sinnvoll "effizient" eingesetzt, helfen sie  Kosten zu sparen. Und sie bestärken den Wohlstand. Ernst Ulrich von  Weizsäcker: "Das Land wir reicher und nicht ärmer."  Erneuerbar elektrisiert. Ein Bericht von Julian Aicher

 

Was können Erneuerbare Energien wie Sonne,  Pflanzen, Erdwärme, Wasser- und Windkraft zur Stromgewinnung in  Baden-Württemberg beitragen?

 

Viel. Bald 100%? 2008 stammten 14,1% der  Elektrizität im Land aus solchen Regenerativ-Energien. Doch bereits vor  knapp einem Jahr erklärte der international geachtete Umwelt- und  Klimaexperte Ernst Ulrich von Weizsäcker: "Eine Vervierfachung des  Stroms aus erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg bis 2020 ist  machbar." Also 56,4%. Weizsäckers wissenschaftlicher Kollege, der  Heidelberg-Isnyer Professor Klaus Pfeilsticker meinte damals gar; "60%  bis 70%". Dies bekundeten die beiden akademischen Experten in der Schrift "Südwest-sonnig"

 

Ein Ministerpräsident studiert

 

"Kein Angst vor großen Zahlen." Dazu ermutigt Ursula Sladek in  "Südwest-sonnig". Die Geschäftsführerin der "ElektrizitätsWerke Schönau"  (EWS) gehört zu jenen Praktikerinnen und Praktikern, die sowohl seit  Jahren mit und für Erneuerbare Energien Geld verdienen als auch in  "Südwest-sonnig" klar und übersichtlich zu Wort kommen. Zum Beispiel Andreas Markowsky, Geschäftsführer der "Ökostrom  Freiburg".

 

Mit 60 Millionen Kilowattstunden Elektrizität pro Jahr  lieferte diese Freiburger Firma bereits Anfang 2010 genug Strom für  40.000 bis 50.000 Privatpersonen. Nach vielfältigen Anstrengungen. So  erlebte Markowsky 2003, wie der damalige baden-württembergische  Ministerpräsident Erwin Teufel bereits erteilte (Bau-)Genehmigungen für  Windanlagen auf der "Holzschlägermatte" bei Freiburg zurück ziehen  wollte. Die Windrotoren drehen sich noch heute. "Teufel", so erinnert  sich Markowsky lächelnd, "ist dann Student geworden".

 

Mit heute lieferbaren Groß-Rotoren könnte Markowsky je Windturm 10.000  Privatpersonen elektrisch versorgen. Insgesamt 1.000 solcher Türme auf  baden-württembergischem Boden böten so viel Strom, wie das südwestliche  Bundesland insgesamt verbraucht. Also 29 Windkraftwerke in jedem der 35  Landkreise Baden-Württembergs.  Zum Vergleich: im dichter besiedelten  Nordrhein- Westfalen drehten sich 2010 schon 2.400 Rotoren.

 

Der energische Unternehmer sieht Erneuerbare Energien indes viel weiter.  Im Lörracher Flüsschen Wiese ließ Markowsky 2007 an einer bereits bestehenden Stauwehr (ohne energetische Nutzung) ein neues  Wasserkraftwerk einbauen. Mit Maßnahmen zur ‚Ökologisierung‘. Vom  zuständigen Amt kam ein Jahr später nach Untersuchungen die Bestätigung:  "Der Wiese geht’s besser". (Badische Zeitung Lörrach, 1. September  2008). Im Rahmen von Baumaßnahmen für neue Wasserkraftanlagen sorgte  auch Diplomingenieur Josef Dennenmoser dafür, dass um alte, starre  Stauwehre Umgehungsbäche für Fische entstanden.

 

Heute arbeiten rund 1.700 Wassertriebwerke im Land. 1895 ratterten,  surrten und brummelten allein im Königreich Württemberg (also ohne  Baden und ohne Hohenzollern) 3.915 Anlagen. Noch 1946  3.300. Sprich:  Rund doppelt so viele wie heute in ganz Baden-Württemberg. Josef  Dennmoser: "Da ist es locker richtig, wenn jemand sagt, der Anteil von  Strom aus Wasserkraft lasse sich verdoppeln."  Mit ein Grund, warum  Dennenmoser sich als Geschäftsführer für die "Arbeitsgemeinschaf  Wasserkraftwerke Baden-Württemberg eV" (AWK)  für diese fließende  Energie stark macht. Sie vertritt Leute mit ‚kleinen‘ und mittleren  Wasserkraftanlagen.

 

"Locker richtig", wie der Diplomingenieur meint,   heißt: Es ginge mehr. In Oberstdorf etwa stammten noch 1990 7% der dort  insgesamt verbrauchten Elektrizität aus Wasserkraftanlagen am Ort. Mitte  2011 werden es 48% sein. Fast siebenmal mehr. Rolf Gschwind von der  Firma "WATEC Hydro" gibt sich denn auch sicher: "Allein die Optimierung  bestehender Anlagen bringt das Doppelte." Dafür notwendig: Raschere  Genehmigungen. Bis heute warten dagegen in Baden-Württemberg manche seit  über 20 Jahren auf die notwendigen Amtsstempel zum Neubau.

 

Bare Erträge  – sofort

 

Doppelt so viel Strom aus Wasserkraft wie heute in Baden-Württemberg?  Heute: rund 5 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr – genug für über 3  Millionen Privatpersonen.  Doppelt so viel wären mehr als die Hälfte der  Landesbevölkerung. Dass Wasserkraft dies bis 2020 schaffen kann, hat die  "Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg e.V. errechnet. Die  Baumaßnahmen würden 5.000 Arbeitsplätze bringen – etwa 10 Jahre lang.

 

"Keine Angst vor großen Zahlen" (Ursula Sladek) empfiehlt Mut auch  bezüglich Sonnennergie. Hatte die Geo-Informatikerin Prof. Dr. Martina  Klärle im regierungs-amtlichen "Staatsanzeiger" Baden-Württemberg (vom  12. November 2007) erklärt, Solarmodule heutiger Technik könnten in  Baden-Württemberg rund 70% des privaten Stromverbrauchs decken, so  betonte die gleiche Wissenschaftlerin 2010 im Film "The 4th Revolution –  Energy autonomy" des Baden-Württembergers Carl.A. Fechner, 60% der  Dachflächen in Deutschland mit Solarzellen bedeckt würden mit heute  üblicher Technik so viel Elektrizität liefern, wie Deutschland insgesamt  pro Jahr verbraucht.

 

Und was kostet das alles?

 

Bene Müller sorgt mit seiner Firma  "Solarcompex" im Bereich westlicher Bodensee dafür, dass sich immer mehr  kleine Orte zu "Bioenergiedörfern" verwandeln. Heißt: Die Wärme stammt  über Erdleitungen von nahen Biogas-Bauernhöfen. Im 430-Seelen-Ort  Mauenheim kommen die wohligen Temperaturen seither "deutlich günstiger  als Öl". Mindestens 10% billiger.

 

Und da die Biogasanlagen auch  Elektrizität gewinnen, entsteht in Mauenheim inzwischen sieben bis neun  mal mehr Strom als der Ort selbst verbraucht. "Das Land wird die  Ballungsräume mit Strom versorgen", sagt Bene Müller. Und rechnet vor:  Mauenheim spart pro Jahr damit 250.000 Euro für Heizöl und 100.000 Euro  für Elektrizität. Da der Ort Strom abgibt, gewinnt er Geld. "Die  Kaufkraft hat sich also umgedreht", erläutert Müller.

 

Weil sich seine Firma "Solarcomplex" als "Bürgerunternehmen" (aus 700  Gesellschaftlern, darunter 5 Stadtwerken) versteht, bleibt das Geld im  Land – geht also nicht fremd zum Ölscheich oder zum Erdgas-Präsidenten.  Immerhin hatte Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU)  2010 darauf aufmerksam gemacht, dass 2008 aus Deutschland insgesamt rund  80 Milliarden Euro für Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran ins Ausland  geflossen seien. Umgerechnet: 1.000 Euro pro Nase. Oder umgerechnet auf  die südwestdeutsche Bevölkerung: 10 Milliarden Euro – pro Jahr!

 

"Ein Riesen-Beschäftigungsprogramm für das Handwerk" erwartet Ernst  Ulrich von Weizsäcker, würden Erneuerbare Energien in Baden-Württemberg  zügig ausgebaut. Dazu kommt der richtige Umgang mit Energie. Zement aus  Flugasche lasse sich mit einem Fünftel der Energie herstellen wie  mit der heutigen Produktionsform.

 

Der 1939 geborene Chemiker, Physiker  und Biologe von Weizsäcker bleibt indes nicht bei der Theorie. Sein  ‚Passivhaus‘ in Baden benötigt bestenfalls noch ein Zehntel des sonst zu  Gebäuden zugelieferten Wärme-Bedarfs. Seine 7 ständigen Bewohnerinnen  und Bewohner nutzen ein Auto auf 5.000 Kilometer Strecke pro Jahr.  Derweil ist der Gründungs-Präsident des Wuppertal Instituts für Klima.  Umwelt und Energie" auch heute noch in vielen Ländern an zu treffen.

 

Mehr Arbeitsplätze. Solche Schritte zur sonnigen Energien schaffen mehr  Stellen. Dies zeigen Fachfirmen konkret und vor Ort in "Südwest-sonnig".  Pro einzelne Erneuerbare Energie führt "Südwest-sonnig" mit je einer  Doppelseite in die Themen ein. Also in je 5 Minuten lesbar. Dass sich daraus in 10 Jahren mindestens 15% des Stroms im Land aus  heimischer Wasserkraft, 15% aus Wind hier, 10 % aus Biomasse vor Ort und  allermindestens 10% aus Sonnenstrom frei Haus (mancherorts heute schon  mehr) ergeben, zeigt: Mindestens 50%, ja vielleicht sogar schon 60% des  Stroms in Baden-Württemberg könnten 2020 aus heimisch erneuerbaren  Energiequellen stammen (die Erdwärme hier noch gar nicht mit  einberechnet).

 

Würden diese Energien sinnvoll ‚effizient‘ genutzt, wie  es Ernst Ulrich von Weizsäcker vorschlägt, könnten daraus rasch 100%  werden. "Keine Angst vor großen Zahlen" rät Ursula Sladek. Und dann  "wird das Land reicher", sagt Ernst Ulrich von Weizsäcker voraus.  Bekannte doch schon Angela Merkel: "Ich weiß, dass alle Prognosen über  das Wachstum der Erneuerbaren Energien bisher von der Wirklichkeit  übertroffen wurden."

 

 

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"Südwest-sonnig" kam am 22. April 2010 in die Postfächer aller  Abgeordneten des Stuttgarter Landtags. Danach mit persönlichen  Anschreiben nochmals an die Fraktionsvorsitzenden.  Landes-Umweltministerin Tanja Gönner und der stellvertretende  CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Wilhelm Röhm erhielten "Südwest-sonig"  persönlich in die Hand gedrückt. ‚Die Politik‘ weiß also bescheid. Auch  auf etlichen anderen Entscheidungsebenen in Baden-Württemberg. So  verteilte manche Bürgermeisterin und (Ober-)Bürgermeister  "Südwest-sonnig" an ihre kompletten Gemeinderäte. Etwa 6.000  "Südwest-sonnig"-Hefte mach(t)en so bisher die Runde.

 

Quelle: © Franz Alt 2011

Julian Aicher 2011 | "Südwest-sonnig"

www.rio-s.de 2011

 

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