Arbeitsministerin Katrin Altpeter will den Missbrauch von Leiharbeit und Arbeitnehmerüberlassung radikal eindämmen. Auf ihren Vorschlag hat die Landesregierung dazu eine Bundesratsinitiative beschlossen, die im Mai in der Länderkammer eingebracht werden soll. Für Ministerin Altpeter ist dies ein weiterer wichtiger Baustein im Kampf für gute und sichere Arbeitsbedingungen. „Wir wollen Baden-Württemberg Schritt für Schritt umbauen zum Musterland für gute Arbeit. Deshalb wollen und müssen wir etwas dagegen tun, dass immer mehr Stammbelegschaften durch schlechter bezahlte und nur unzureichend abgesicherte Leiharbeit ersetzt werden.“ Ziel sei es, Armutslöhne und prekäre Beschäftigung zurückzudrängen und das unbefristete, sozial abgesicherte und auch angemessen bezahlte Normalarbeitsverhältnis zu stärken.
Die Bundesratsinitiative gegen die Auswüchse bei der Leiharbeit steht für Altpeter in einer Reihe mit den von ihr bereits vorgelegten Initiativen für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, für die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern und für eine generelle Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik mit dem Programm „Gute und sichere Arbeit“.
Besorgnis erregende Entwicklungen bei der Leiharbeit
Zur Begründung der Initiative zur gesetzlichen Eingrenzung der Leiharbeit verwies Ministerin Altpeter auf Besorgnis erregende Entwicklungen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im Juni 2011 bundesweit insgesamt ca. 910.000 Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer beschäftigt, das sind 552.000 oder 155 Prozent mehr als 10 Jahre zuvor.
Leiharbeit ist zudem zumeist eine kurzfristige Beschäftigungsform: So enden ca. 50 Prozent der Leiharbeitsverhältnisse bereits nach drei Monaten. Damit besteht ein überdurchschnittlich hohes Entlassungsrisiko. Dagegen ist die erhoffte unmittelbare Brücken- bzw. Klebefunktion der Leiharbeit eher marginal. Lediglich sieben Prozent der Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer, die zuvor arbeitslos waren, schaffen dauerhaft den Sprung aus der Leiharbeit.
Leiharbeitskräfte verdienen außerdem deutlich schlechter als Stammbeschäftigte, durchschnittlich 40 – 50 Prozent weniger. Deshalb ist auch etwa jede achte Leiharbeitskraft nach einer DGB-Studie zusätzlich zu ihrem Gehalt auf unterstützende staatliche Leistungen angewiesen.
Altpeter: „Die eigentliche Funktion der Leiharbeit, auf kurzfristige Auftragsschwankungen flexibel reagieren zu können, tritt zunehmend in den Hintergrund. Die Ausweitung der Leiharbeit setzt sich nach der Finanz- und Wirtschaftskrise kontinuierlich fort. Es entsteht in vielen Fällen die Gefahr von Rand- oder Parallelbelegschaften, die Stammbelegschaften teilweise ersetzen. Dies bedeutet für die betroffenen Beschäftigten höhere Risiken und schlechtere Arbeitsbedingungen – insbesondere im Hinblick auf die Entlohnung, aber auch beim Zugang zu betrieblicher Weiterbildung und bei der Mitbestimmung.“
Die Arbeitsministerin wies auch darauf hin, dass Unternehmen vermehrt dazu übergehen, Aufgaben outzusourcen und über Werkverträge an Dritte zu vergeben. „Eine neue Form der Leiharbeit mit dem Ziel, Löhne zu drücken und Arbeitnehmerrechte auszuhebeln“, so Altpeter.
Die wichtigsten Forderungen an die Bundesregierung zur Eindämmung der Leiharbeit
Angesichts dieser nicht hinnehmbaren Entwicklungen werden in der gemeinsamen Bundesratsinitiative von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz folgende Forderungen an die Bundesregierung gerichtet:
1. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Um eine weitere Spaltung der Belegschaften zu verhindern, ist die Tariföffnungsklausel, die eine Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz ermöglicht, zu streichen
2. Keine Verträge von Fall zu Fall
Beschäftigungsverhältnisse mit Leiharbeitskräften, die sich formal oder faktisch lediglich auf die Dauer eines Einsatzes im Entleihbetrieb beschränken, müssen verhindert werden
3. Mehr Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte für Betriebsräte
Die bisher beim Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern bestehenden Mitbestimmungsrechte bzw. Mitwirkungsrechte der Betriebsräte sind zu erweitern und zu verbessern, insbesondere um auch einer Spaltung der Belegschaft entgegenzuwirken.
4. Begrenzung der Konzernleihe
Die Praxis der Konzernleihe muss durch gesetzliche Regelungen deutlich eingeschränkt werden.
5. Einführung einer Höchstüberlassungsdauer
Der Begriff der “vorübergehenden” Arbeitnehmerüberlassung ist so zu ergänzen, dass eine zusammenhängende Überlassungsdauer über zwölf Monate nicht mehr als vorübergehend angesehen werden kann und untersagt ist. Mit einer derartigen Regulierung kann der Tendenz, Stammbeschäftigte dauerhaft durch Leiharbeitskräfte zu ersetzen, entgegengewirkt werden.
6. Verbot des Einsatzes von Leiharbeitskräften als Streikbrecher
Um einen missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeitskräften zu verhindern, bedarf es einer strikten Verbotsnorm (einschließlich der Statuierung von Sanktionen im Falle eines Verstoßes).
7. Aufnahme der Leiharbeit in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz