Bankenreform in Großbritannien, Lobbyisten laufen Sturm

London ist der wichtigste Finanzplatz in Europa und nach New York der wichtigste weltweit. Alle größeren Banken, Versicherungen, Unternehmensberatungen, Wirtschaftsprüfungsfirmen sowie internationale Rechtsanwaltskanzleien sind in dem Londoner Finanzzentrum, der City of London, vertreten. Mit einem Wertschöpfungsanteil von rund 10% hat die Finanzindustrie in Großbritannien eine im internationalen Vergleich außergewöhnlich große volkswirtschaftliche Bedeutung. Dadurch wurde das Königreich von der globalen Finanzkrise besonders schwer getroffen. Der Staat musste mit Milliardensummen einspringen, seit dem hält er 83% an der Großbank RBS und 41% an dem Konkurrenten Lloyds. Im Haushaltsjahr 2009/10 wuchs das staatliche Defizit um 11%, für 2011/12 wird ein Defizit von 8% erwartet. Dadurch schnellt die Staatsverschuldung trotz eines massiven Sparprogramms bis zum Haushaltsjahr 2013/14 voraussichtlich auf 87% des BIP an, nachdem sie 2007/08 noch bei moderaten 43% gelegen hatte. Im Frühjahr hatte die Regierung dann den Finanzsektor mit einer Milliardenabgabe belastet und die unabhängige Finanzaufsichtsbehörde FSA zerschlagen. Die Aufgabe wird in Zukunft wieder die Notenbank Bank of England übernehmen.

Am heutigen Montag legt nun die eingesetzte Banken-Reformkommission ihren Abschlussbericht vor. Demnach sollen die Großbanken ihre systemrelevanten Bereiche wie das Privatkundengeschäft und Firmenkredite vom riskanten Investmentbanking abschirmen. Allerdings soll den heftig protestierenden Bankern rund drei Jahre Frist für die Umsetzung gewährt werden. Die Banklobbyisten kritisieren die auf insgesamt fünf Milliarden Euro geschätzten Maßnahmen wie zu erwarten als „zum jetzigen Zeitpunkt für völligen Wahnsinn“.

Dem Oppositionsführer und Labour-Parteichef Edward Miliband geht die Reform indes nicht weit genug. Er will die Reformideen durch ein Verzeichnis sämtlicher Finanzangestellten ergänzen, ähnlich dem Regulierungssystem für Ärzte und Anwälte. Dann könnten korrupte oder kriminelle Banker von der Berufsausübung zeitweise oder dauerhaft ausgeschlossen werden. „Man hat den Eindruck, dass der Sektor einfach nicht kapiert, was er angerichtet hat“, so Miliband. Der konservative Ex-Investmentbanker Sajid Javid aus dem Regierungslager, der nun für den Wahlkreis Bromsgrove im Unterhaus sitzt: „Natürlich sind die Banken dagegen, aber ich hoffe, die Kommission bleibt bei ihren Vorschlägen.“

Die Selbstwahrnehmung und das Verantwortungsgefühl der britischen Großbanken lässt sich auch beispielhaft an der Großbank Barclays beobachten: Barclays war im Januar 2011 international in die Schlagzeilen geraten, als der zum neuen Chef aufgestiegene Investmentbanker Bob Diamond vor der Presse verkündete, die Zeit der „Zurückhaltung“ nach der Finanzkrise sei vorbei, und gleichzeitig wieder für pralle Bonuszahlungen warb: „Es gab für uns die Phase des Bedauerns und der Entschuldigungen. Damit muss nun Schluss sein!“. Ende Februar empörte sich dann die britische Öffentlichkeit über ein weiteres skandalöses Detail: Barclays hatte in dem Krisenjahr 2009 bei einem Gewinn von 11,6 Milliarden Pfund gerade einmal 113 Millionen Pfund an Unternehmenssteuern gezahlt. Der normale Steuersatz liegt bei 28%. Da jedoch 30 Barclays-Töchter in Steuerparadiesen angesiedelt sind, von denen das wichtigste der US-Bundesstaat Delaware ist, gefolgt von denen auf britischen Territorien, musste die Bank nur 10% ihrer Gewinne aus dem Jahr 2009 in Großbritannien versteuern.Laut Branchenkennern sei es allerdings zu bezweifeln, dass nur jedes zehnte Pfund in Großbritannien verdient worden sei.
 

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