Betreuungsgeld widerspricht den Zielen nachhaltiger Familienpolitik – Kommentar von Prof. Dr. Katharina Spieß

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In der ersten Juniwoche hat das Kabinett den Gesetzentwurfzum umstrittenen Betreuungsgeld verabschiedet. Ursprünglich sollte es eine Transferleistung sein, die Eltern zukommt, die nicht erwerbstätig sind und ihre Kinderselbst betreuen. Hier hat man in den letzten Monaten nun nachgebessert. Eine Erwerbstätigkeit soll jetzt ohne Einschränkungen realisierbar sein, und auch die Betreuung durch andere Personen als die Eltern ist möglich, solange es sich um keine staatlich geförderte Kindertagesbetreuung handelt. Ist dies nun eine familienpolitische Leistung, die den Zielen nachhaltiger Familienpolitik gerecht wird? Die Förderung von Kindern, die wirtschaftliche Stabilität und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind einige Ziele, die vor Jahren von Familienpolitikern explizit genannt wurden und die auch heute bei vielen Maßnahmen im Fokus stehen.

Auch wenn das neue Betreuungsgeld Erwerbstätigkeit grundsätzlich erlaubt, steht doch außer Frage, dass es nach wie vor negative Effekte auf das Arbeitsangebot birgt. Jede Einkommenserhöhung für Familien – sei es das Kindergeld oder andere Leistungen – reduziert den relativen Einkommensunterschied zwischen Beschäftigung und Nichtbeschäftigung. Studien belegen, dass in solchen Fällen negative Erwerbsanreize insbesondere bei Müttern mit einem erwerbstätigen Partner zu erwarten sind. Je nach Einkommenserhöhung und je nach Studie sinkt entweder die Erwerbstätigenquote oder das Arbeitsvolumen. Ein damit verbundener kurzfristiger Einkommensausfall könnte mit dem Betreuungsgeld kompensiert werden – mittel bis langfristige Lohneffekte, die mit einer Reduktion der Erwerbsarbeit verbunden sind, aber nicht. Dies gilt es ebenfalls im Blick zu haben.

Man könnte aber auch argumentieren, dass das Ziel der frühen Förderung von Kindern im Vordergrund steht. Vor dem Hintergrund dieses Ziels wurden in den letzten Jahren Initiativen gestartet, die die pädagogische Qualität der Kindertagesbetreuung verbessern sollen. Nun möchte der Staat mit dem Betreuungsgeld aber Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung schaffen. Zu fragen ist jedoch, ob ein Staat, der gegenwärtig mit extrem knappen Ressourcen wirtschaften muss, diese Wahlfreiheit noch stärker fördern muss, als es bisher geschieht. Erwerbstätige Eltern können die Kosten für eine externe Kinderbetreuung, zum Beispiel eine Kinderfrau, ohnehin steuerlich geltend machen. Trotzdem sollen sie nun eine zusätzliche Förderung erhalten mit der Begründung, dass Eltern, die eine staatlich geförderte Kindertageseinrichtung nutzen, auch eine (zusätzliche) Förderung erhalten.

Dass staatliche Kindertageseinrichtungen gefördert werden sollen, steht mehrheitlich außer Frage, weil man von einem positiven Nettonutzen für die Gesellschaft ausgeht. Der entsteht allerdings vor allem dann, wenn es sich um qualitativ hochwertige Betreuung handelt. Deshalb sollen bei der staatlich geförderten Kindertagesbetreuung (Mindest)standards die Qualität sichern. Dass die Qualität in deutschen Kitas – wie neue Studien belegen – dagegen mittelmäßig ist, steht fast auf einem anderen Blatt. Aber vielleicht doch nicht, denn vor dem Hintergrund knapper Ressourcen sollten die für das Betreuungsgeld vorgesehenen Mittel wohl eher in eine flächendeckend bessere Qualität der Kindertagesbetreuung investiert werden; denn dies ist ein Bereich, in dem der Staat explizit für die Qualitätssicherung zuständig ist. – So wäre auch die Förderung von Kindern gewährleistet.

Zur Autorin:

Prof. Dr. C. Katharina Spieß ist Leiterin der Fokussierten Abteilung Bildungspolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professorin an der FU Berlin. Der Beitrag gibt die Meinung der Autorin wieder.

 

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