Der Turmbau zu Babel! Oder warum wir uns nicht verstehen wollen…

Inhaltsverzeichnis

… aus der wöchentlichen Business-Kolumne von Ulrich B Wagner mit dem Titel „Me, myself and I – eine Reise in sich hinein und über sich hinaus„.

Heute: Der Turmbau zu Babel!
Oder warum wir uns nicht verstehen wollen….

Gedacht heißt nicht immer gesagt,/ gesagt heißt nicht immer richtig gehört,/ gehört heißt nicht immer richtig verstanden,/ verstanden heißt nicht immer einverstanden,/ einverstanden heißt nicht immer angewendet,/ angewendet heißt noch lange nicht beibehalten.
Konrad Lorenz

Der Widerspruch zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was gemeint ist, ist sehr groß. Man muss ihn herausfinden.
Friedrich Ebeling (*1934), dt. Konzernmanager, ehem. Vorstandsvorsitzender Brau u. Brunnen AG

Sprache = Die Quelle aller Missverständnisse.
Antoine de Saint-Exupéry

Kurz zur Erinnerung. Im alten Testament wird von der Geschichte des Turmbaus zu Babel berichtet. Sie handelt von dem Größenwahn der Babylonier, die einen gottgleichen Turm bis in den Himmel bauen wollten. Dieses bestrafte Gott umgehend, indem er die Menschen, die zuvor eine einheitliche Sprache hatten, nun zur Vielsprachigkeit verdammte.

Soweit so gut!

Mit den Folgen haben wir uns ja mittlerweile sehr gut abfinden können, wenn nicht… Ja, wenn nicht, jeden Tag aufs Neue, diese Geschichte wiederholt und in unterschiedlichen Inszenierungen zum Besten gegeben würde.

Gerade Führungskräfte schmücken sich äußerst gerne mit einer kryptischen Sprache, auch Manager-Speak genannt. Ein nicht nur für Außenstehende nervtötendes Sprachgewirr, substantivierend und unnahbar kühl, gespickt mit abstrakten Begriffen und Insider-Englisch. Doch nicht nur Führungskräfte machen sich gerne unverständlich. Es scheint mittlerweile einfach zum guten Ton zu gehören, oder wie es der mittlerweile verstorbene Managementvordenker Peter Drucker in einem Interview einmal auf den Punkt brachte: In den vergangenen 40 Jahren hat sich ein ziemlich abwegiger Glaube beharrlich gehalten: Wenn sich jemand verständlich ausdrückt, ist er ungebildet.“

Das Ergebnis: Eine mit Anglizismen, artifiziellen Wortkreationen, Fachbegriffen und Beraterkauderwelsch angereicherte Sprache.

Als wäre Kommunikation an sich nicht schon ein äußerst schweres Unterfangen, machen wir es uns auch noch durch falsche Eitelkeiten fast unmöglich, einander zu verstehen. Verständnisvolles Kopfnicken, vereinzeltes Wegdösen, kollektive Rate- und Entschlüsslungsspielchen sind die Folge. Ziel- und lösungsorientierte Kommunikation, die darüber hinaus auch noch ein gemeinsames Verständnis und ein effizientes Arbeitsumfeld schafft sieht, auf alle Fälle anders aus.

Selbstverständlich benötigt jede Fachrichtung ein gewisses Maß an speziellen Fachausdrücken und Termini, die komplexe Sachverhalte zu beschreiben und auf den Punkt zu bringen in der Lage sind. Diese gilt nicht nur für die Astrophysik, Medizin, Biologie und Psychologie, sondern auch für die Wirtschaft. Und in den meisten Fällen geht es neben theoretischer Fachsimpelei zudem um zwischenmenschliche Prozesse, Organisationsabläufe und allgemeine Verständnisfragen. Hier kann vernebeltes Geschwafel nur schaden. Es kostet Zeit, Arbeit (und damit bares Geld) und führt darüber hinaus in der Folge nur zu Frustration und Resignation bei den Beteiligten.

Gerade in Konfliktsituationen mag es unser Gehirn gerne einfach, anschaulich und verständlich. Unnötige, überflüssige Anstrengungen und Entschlüsselungskämpfe belasten nur unsere in diesen Momenten sowieso limitierten Denkressourcen.

Eine solche Form der Kommunikation zielt in Regel auch nur darauf ab, den Gesprächspartner auszuschließen bzw. auszugrenzen und ihm das Gefühl der Minderwertigkeit zu vermitteln. Ich bin der Meinung, dass echte Führungskräfte, Berater, oder auch Menschen im alltäglichen Leben, ein solches Kommunikationsverhalten nicht nötig haben. Wahre Größe zeigt sich an dem Wunsch zu verstehen und verstanden zu werden und nicht an idiotischen Spiegelfechtereien.

Wenn wir wirklich aufrichtig an einer ziel- und lösungsorientierten Kommunikation, die unsere Krisen durchschüttelte Zeit und Gesellschaft bitter nötig hätte (!), interessiert sind, ist es notwendig eindeutige Regeln für unser Kommunikationsverhalten einzufordern und einzuführen. Sie glauben, das funktioniert nicht? Doch! Es ist vielleicht nicht immer einfach, doch es funktioniert.

Ich, zum Beispiel, hatte am Wochenende ein Treffen mit einem Freund und Geschäftspartner, um neue Ideen und Konzepte zu entwickeln. Schnell waren die ersten Seiten mit Anglizismen und sonstigem Kauderwelsch gefüllt. Und dann die verzweifelte Frage: Was meinen und was wollen wir eigentlich mit diesem Unfug? Statt nunmehr mühsam die Kunstworte zu entschlüsseln, zu interpretieren und uns gegenseitig zu erklären, der erlösende Wurf in den nächsten Mülleimer und die Aufforderung an uns: Lass uns Worte dafür finden. Lass es uns auf Deutsch sagen. Nunmehr der umgekehrte Weg: Die Beschreibung dessen, was man ausdrücken möchte, gefolgt von der anfangs schwierigen Suche nach dem passenden deutschen Begriff oder Wort, statt blindlings ein Verstehen vorauszusetzen und gegebenenfalls nachträglich zu revidieren bzw. zu interpretieren.

Was sich anfänglich als äußerst schwierig darstellte, entwickelte sich in der Folge zu einer noch nie dagewesenen Ideen- und Kreativitätsmaschinerie.

Probieren Sie es einmal aus. Ich persönlich kann es nur empfehlen. Sie werden sehen, dass die Gespräche und Diskussionen nicht nur lebhafter, sondern auch erfolgreicher, insbesondere aber auch mit einem besseren Verständnis enden.

In diesem Sinne wünsche ich uns Allen mehr „echte“ Kommunikation.

Herzlichst

Ihr Ulrich B Wagner

Zum Autor:

Ulrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main.

Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie.

Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Website www.ikcm.de, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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