Die alte Weltklimapolitik ist bankrott

… aus der wöchentlichen Kolumne von Dr. Franz Alt.

Wenn wir eine Weltkatastrophe noch verhindern wollen, dann darf die globale Temperatur nicht über zwei Grad Celsius gegenüber 1860, dem Beginn der Temperatur-Aufzeichnungen, steigen. Diesen Beschluss fasste die Weltgemeinschaft bei der letzten Weltklimakonferenz in Cancun, Mexiko. Um 0,8 Grad sind die Temperaturen bereits gestiegen. Überschreiten wir die zwei Grad, kann das Weltklima irreversibel kippen.

Die ersten Folgen des Weltklimawandels sind bereits Realität: 18 Millionen Klimaflüchtlinge in Afrika, dramatische Eisschmelze am Nord- und Südpol, zunehmende Extremwetterschäden in Asien, Europa und Lateinamerika. Überschwemmungen, Waldbrände und Stürme nehmen deutlich zu.

Wenn die Zwei-Grad-Grenze überschritten wird, müssen wir weltweit mit irreparablen Schäden rechnen: Allein das geschmolzene Grönland-Eis könnte den Meeresspiegel um bis zu sieben Meter steigen lassen. Ganze Landstriche versinken im Meer, die Welttemperatur könnte um bis zu acht Grad steigen. Das wären Sommer in Deutschland mit bis zu 50 Grad Hitze und vielen Hitzetoten auch in Europa.

Im Angesicht dieser drohenden Katastrophen haben sich in den letzten zwei Wochen 15.000 Delegierte zur 17. Weltklima-Konferenz in Durban, Südafrika, versammelt. Das Ergebnis ist so ernüchternd wie auf den 16 Konferenzen vorher seit 1992. Der einzig konkrete Beschluss ist der über die nächste Konferenz im nächsten Jahr in Südkorea.

Alle anderen Beschlüsse sind nicht rechtsverbindlich. Die Finanzierung eines Fonds über jährlich 100 Milliarden Dollar, mit denen die ärmsten Länder die schlimmsten Folgen des nicht mehr aufzuhaltenden Klimawandels bezahlen sollen, ist noch immer nicht geklärt und offen ist auch wie die Industriestaaten und Schwellenländer in den kommenden Jahren ihr CO2-Emmissionen reduzieren wollen.

Wirklich relevante Entscheidungen wurden auf die Zeit nach 2020 verschoben. Die meisten Wissenschaftler jedoch meinen, dass es für effektiven Klimaschutz bis dahin zu spät sein wird.

Das einzige Ergebnis, das wirklich zählt nach diesem Konferenzzirkus: Dem Klima geht es immer schlechter.

Selbst das viel gepriesene Kyoto-Protokoll hat dem Klima nicht geholfen. Denn seit der Kyoto-Klimakonferenz 1997 hat die Welt 36% Treibhausgase mehr in die Luft geblasen als zuvor. Aber die Hauptsünder USA und China hatten ja nicht einmal das schwache Kyoto-Protokoll akzeptiert.

Ihre Teilnehmer in Durban wurden von der Öl- und Kohle-Lobby ihrer Länder dominiert. Exxon, Shell und BP kontrollieren die wichtigsten Regierungen. In Staaten wie Saudi-Arabien, Kuweit, Bahrein oder Katar gibt es eigentlich gar keinen Unterschied zwischen der Regierung und der Öl-Lobby.

In Durban wurden zwei Wochen lang Tonnen von Papier produziert und diskutiert. Viele Teilnehmer klagten darüber, dass sie den Durchblick verloren hatten. Deshalb sind alle Verpflichtungen dieser Konferenz – wie zum Beispiel die Finanzierung des Klimafonds für die armen Länder – entweder vage oder auf später verschoben.

Der deutsche Umwelt-Ökonom Professor Lutz Wicke, früher Umweltstaatssekretär in Berlin und CDU-Politiker, schreibt zum Ergebnis von Durban: „Die Weltklimapolitik ist bankrott“.

Die deutsche Bundeskanzlerin gab schon im Vorfeld der Konferenz zu Protokoll, dass sie nicht viel erwarte. Es hilft nichts: Die Welt muss endlich einsehen, dass nach 20 Jahren der gesamte internationale Klima-Konferenz-Zirkus gescheitert ist. Vergesst Durban. So ist das Klima nicht zu retten.

Gibt es also gar keine Hoffnung mehr?

Solange 192 Regierungen wie die Händler auf einem arabischen Bazar darüber feilschen wer die meisten Lasten und Kosten der Klimapolitik zu tragen hat, kann es schon aus psychologischen Gründen keinen Fortschritt geben.

Jeder erwartet und fordert, dass der andere anfängt. Die USA wollen, dass die Chinesen und die Inder mitmachen und diese sagen: „Die Industriestaaten sind die Hauptverursacher – also sollen sie auch anfangen mit dem Klimaschutz.“

Und solange sich die Chinesen weigern, sperren sich auch die Südafrikaner und die Brasilianer. Und danach erst recht die armen Schwarzafrikaner. Am Schluss sagen dann die Europäer: Allein machen wir es auch nicht.

Die einzige Chance für eine bessere Zukunft ist diese: Einige fortschrittliche Regierungen gehen mit gutem Beispiel voran, weil sie erkennen, dass Klimaschutz nicht nur eine Last, sonder primär eine Chance ist – ganz so wie Angela Merkel inzwischen die Energiewende propagiert. Klimaschutz kostet – das ist wahr. Aber kein Klimaschutz kostet die Zukunft (Industrieländer sparen bis zu 45 Milliarden Dollar beim Klimaschutz).

Die Weltbank hat es schon 2007 von ihrem ehemaligen Chefvolkswirt Niclas Stern ausrechnen lassen: Klimaschutz kostet ein Fünftel dessen, was die Welt an Reparaturkosten aufbringen muss, wenn wir das Klima nicht schützen. Um diese Rechnung zu verstehen müssen wir allerdings langfristig denken und unsere Kurzsichtbrille endlich ablegen.

 

Das Debakel von Durban bietet Industrieländern wie Deutschland auch eine große Chance. Bei drei von sechs erneuerbaren Energie-Technologien sind wir Weltführer: Bei Photovoltaik, bei Windrädern und bei Biogas.

Alle heutigen Energieträger wie Kohle, Gas, Öl und Uran gehen bald zu Ende und werden schon deshalb immer teurer. Selbst wenn es keinen Treibhaus-Effekt gäbe müssten wir also umsteigen. Je schneller desto besser für die Wirtschaft und für das Klima und für Millionen neue Arbeitsplätze.

Kaum ein Wissenschaftler bestreitet noch diese Prognose: Die Zukunft gehört denen, die als erste auf 100 % erneuerbare Energien umgestiegen sind.

Deutschland hat seinen Anteil am Ökostrom in den letzten 10 Jahren vervierfacht. Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde inzwischen von 48 Staaten kopiert – einschließlich von Indien und China. China hat sich jetzt – im Gegensatz zur USA – in Durban erstmals bewegt (China bewegt sich doch).

Das Riesenreich ist bereits Weltmeister im Aufstellen von Windrädern. Ab 2012 will China jedes Jahr so viele Windparks installieren wie 20 Atomkraftwerke Strom produzieren. Das Reich der Mitte produziert und installiert 80% aller Sonnenkollektoren der Welt und baut jetzt mit Riesenschritten seine Photovoltaik-Industrie auf. In Indien und Südkorea habe ich eine ähnliche Entwicklung beobachtet (Allerdings:Bill Gates und China wollen Reaktor bauen).

Europa, Indien und China sollten und könnten künftig bei Erneuerbaren Energien und beim Klimaschutz voran gehen. Die USA isolieren sich dann selbst oder sie machen künftig mit.

In Deutschland haben bereits 120 Kommunen und Regionen beschlossen, bis 2025 oder 2030 zu 100 Prozent erneuerbar zu sein. Das sind 18 Millionen Menschen. Thüringen produziert schon heute 40% Ökostrom, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern über 50%, Ostfriesland über 140%.

Bei Mammut-Konferenzen wie in Durban entscheiden immer die Bremser über das Tempo. Das aber können wir uns im Angesicht der zunehmenden Katastrophen nicht mehr leisten.

Die neue Strategie könnte heißen: Voran gehen und die Chancen ergreifen, der erste zu sein. Wenn Europa künftig mit Indien und China zusammen auf erneuerbare Energien umsteigen, dann haben auch unsere Kinder und Enkel noch die Chance, in einer schönen Welt ein glückliches Leben führen zu können.

Klimapolitik wird dann zum Erfolg, wenn sie enkelverträglich wird

Die große Transformation zu einer klimaverträglich wirtschaftenden Weltgesellschaft ist noch immer möglich. Aber wir haben nur noch wenige Jahre Zeit zum Handeln.

Klimaschutz ist moralisch so geboten wie einst die Abschaffung der Sklaverei oder die Ächtung der Kinderarbeit. Immerhin hat die Welt 2010 erstmals mehr Geld für erneuerbare Energien ausgegeben als für die alten atomar-fossilen Energieträger. Das lässt hoffen – trotz Durban!

 

Quelle: © Franz Alt 2011

 

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