Die Bedeutung der ersten 100 Tage

… aus der zweiwöchentlichen Themenserie "Die ersten 100 Tage zählen! So machen Sie ihre ersten 3 Monate als Führungskraft zum Erfolg“ von Volker Schneider.

Mit 30 Jahren wurde ich zum ersten Mal Geschäftsführer einer GmbH mit ca. 250 Mitarbeitern. Ich freute mich sehr und war unglaublich stolz. „Volker Schneider, Geschäftsführer“ würde da auf der Visitenkarte stehen! Trotz aller Freude sah ich an manchen Tagen dieser neuen Aufgabe, über die ich genau betrachtet recht wenig wusste, mit gemischten Gefühlen entgegen. Fragte mich, was denn genau auf mich zukam. Fragte mich, was denn von mir genau erwartet wurde. Fragte mich, wie schnell ich mich denn beweisen musste. Wie sich herausstellte: Sehr schnell!

Die Eigentümer sagten mir sofort nach meinem Antritt: „Jetzt legen Sie mal los. Nach 100 Tagen setzen wir uns zusammen und ziehen eine erste Bilanz.“ Da wurde mir klar, für diese ersten 100 Tage gibt es keine zweite Chance!

Wieso eigentlich 100 Tage?

So war es damals, vor nun doch einiger Zeit. Und so ist es – sogar verstärkt – auch noch heute. Für alle jene, die in eine neue Position kommen, gelten diese 100 Tage. Mehr Zeit bekommt niemand. Wieso sprechen wir eigentlich von 100 Tagen, was ist der „historische“ Hintergrund dieser für Führungskräfte und auch Politiker magischen 100 Tage in einer neuen Position? Das ist an sich ein wenig paradox, denn der Ursprung war eigentlich als Erleichterung für „junge“ Amtsinhaber gedacht. Diese ersten 100 Tage sind zurückzuführen auf den US-Präsidenten Roosevelt, der zu seinem Amtsantritt einen Pakt mit der Presse schloss: Diese sollte ihm während der ersten 100 Tage seiner Präsidentschaft eine Art Schonfrist gewähren, damit er in Ruhe Zeit habe, sein Amt kennenzulernen. Das hat damals sogar funktioniert und Roosevelt wurden die 100 Tage tatsächlich zugestanden.

Im heutigen Geschäftsalltag können Führungskräfte davon nur träumen. Die 100 Tage Regel gilt, aber umgedreht! Schonfrist ist nicht mehr. Ganz im Gegenteil. Alle müssen sich innerhalb der ersten 100 Tage bewähren, ihre Positionierung und ihr Standing im Unternehmen finden und ausfüllen. Wenn dies bis zum Ablauf der 100 Tage nicht gelingt, wird die neue Mission sofort öffentlich als „gescheitert“ angesehen.

Wenn ich auf meine damaligen ersten 100 Tage mit meinem heutigen Wissen und meiner jetzt langjährigen Erfahrung zurückblicke, bin ich einige Dinge schlecht oder sogar falsch angegangen. Aber ich habe auch vieles richtig gemacht, und so fiel die erste Bilanz ausreichend positiv aus.

Hohe Komplexität, große Anforderungen in kurzer Zeit

Heute erlebe ich als Trainer und Coach viele Führungskräfte, denen es ganz ähnlich ergeht. Dazu kommt: In den letzten Jahren haben sich die Anforderungen an Führungskräfte massiv verändert. Früher war derjenige als Führungskraft gefragt, der als beste Fachkraft den eigenen Bereich am genauesten kannte. Heute hat in vielen Fällen die Neubesetzung einer Führungsposition nur noch wenig mit Karriereentwicklung zu tun. Organisationsveränderungen, Umstrukturierungen, prozessorientierte Arbeitsablaufe verändern die Struktur von Unternehmen in immer kürzeren Zeiträumen. Dadurch ergibt sich immer schneller ein veränderter Bedarf an Führungskräften.

Gleichzeitig nehmen die Frequenz von Veränderungen und die Komplexität aller Abläufe immer mehr zu. Laut einer aktuellen Harvard-Studie hat seit 1955 die Fülle der Aufgaben in Unternehmen um den Faktor 6 zugenommen. Um dieses Mehr an Aufgaben zu bewältigen, haben wir es „geschafft“, die Prozesse, Arbeitsanweisungen usw., um den Faktor 35 zu erhöhen! Um dieser gesteigerten Komplexität entsprechend zu begegnen, müssen Führungskräfte neue Wege einschlagen. Dabei gilt: Geänderte Anforderungen heißt nicht, dass bisheriges Wissen, Erfahrungen und Können nichts mehr wert sind. Meist müssen sie nur in Kompetenzen umgewandelt werden, die zur aktuellen Aufgabe und Situation passen. Das gelingt durch praktizierte und gelebte Führungsintelligenz.

 

Erfolg durch Führungsintelligenz

Führungsintelligenz bedeutet für Führungskräfte vor allem, das Verhalten von Menschen, Mitarbeitern und Kunden, die Produkte und den Markt, Veränderungsprozesse, Projekte und nicht zuletzt sich selbst tiefgreifend zu verstehen. Und dann gilt es, dieses Wissen in unterschiedlichen Situationen anwendbar zu machen und dabei mit gesundem Menschenverstand klar zu kommunizieren und zu handeln. Das Thema Führungsintelligenz wird meine folgenden Kolumnen als Grundlage und roter Faden weiter begleiten. Den besonders in den so entscheidenden 100 ersten Tagen ist kompetentes, intelligentes Führungsverhalten von größter Bedeutung.

Die betriebswirtschaftlichen Schäden, die durch eine erfolglose Besetzung von Führungspositionen entstehen, sind immens. Leider wird diese Bedeutung in Unternehmen oft erst wahrgenommen, wenn es bereits Probleme gibt. Nach meinen Beobachtungen ist es übrigens unerheblich, ob jemand zum ersten oder zum x-ten Mal eine Führungsposition übernimmt. Manche Führungskräfte schleppen sich und ihre Fehler tragischerweise von Führungsposition zu Führungsposition.

Es gibt keine zweite Chance für die ersten 100 Tage

Dabei können viele der klassischen Fehlerquellen und Problemzonen so leicht vermieden werden, wenn von beiden Seiten, Unternehmen und der neuen Führungskraft, entsprechende Hausaufgaben im Vorfeld erledigt werden. In den kommenden Wochen werde ich Ihnen Anregungen geben, was Unternehmen und Kandidaten einzeln und gemeinsam tun können, ja sogar müssen, bevor der Chefsessel neu besetzt wird. Sie werden erfahren, wie es Seiteneinsteigern oder Aufsteigern aus den eigenen Reihen ergehen kann und welche Bedeutung Erwartungen und Rituale für neue Führungskräfte haben. Sie erhalten ein „Navigationsgerät“, um die Führungsreise zu justieren und erfahren, wie Sie Netzwerke und Machtstrukturen rasch erkennen und für sich nutzen.

Dieses rasche Erkennen ist extrem wichtig. Denn meist haben Sie nur wenig oder gar keinen Einfluss auf die Zusammenstellung Ihres Teams. Sie müssen im ersten Moment mit den Mitarbeitern arbeiten, die da sind. Wenn Sie dann feststellen, es ist ein „unkoordinierter Haufen“, wie entwickeln Sie es schnell zum Hochleistungsteam? Oder Sie finden ein Hochleistungsteam vor, das so von sich überzeugt ist, dass es Ihnen noch nicht einmal zuhört. Für alle diese Szenarien gibt es intelligente Führungs- und Lösungsmöglichkeiten. Und natürlich immer die passenden begleitenden Coaching-Maßnahmen, falls erforderlich. Hier ist der Faktor Zeit von immenser Bedeutung. Was immer Sie tun, es muss rasch geschehen. Sie haben genau 100 Tage! Und für diese gibt es keine zweite Chance.

Ihr  Volker Schneider

 

Zum Autor:

Volker Schneider ist Dipl. Betriebswirt, Speaker, Trainer und Coach. Er gilt als maßgebender Experte für Führungsintelligenz. Seine Karriere begann er im Polizeidienst als Streifenbeamter und Zivilfahnder. Danach wechselte er in die Wirtschaft, wo er lange Jahre erfolgreich in verschiedenen Geschäftsführerpositionen und als Vorstandsvorsitzender einer mittelständischen Aktiengesellschaft tätig war.

Heute ist er Inhaber eines Beratungsunternehmens und gibt sein Wissen zum Thema „Intelligenz führt“ in seinen souveränen und humorvollen Vorträgen weiter. In seinen fundierten Seminaren vermittelt der Experte, wie Führungsintelligenz als Antwort auf die Komplexität in Unternehmen aktiv zu implementieren ist. In seinen Coachings unterstützt er auf Augenhöhe Führungskräfte dabei, ihre Führungsrollen und ihr Führungsverständnis weiter zu entwickeln und ihre Mitarbeiter zu aktiven Mitgestaltern des Unternehmens zu machen. „Erfolgreiche Unternehmen brauchen intelligente Führungskräfte – keine Vorgesetzten“ ist seine Kernbotschaft.

Volker Schneider ist Professional Member der GSA – German Speakers Association. Weitere Informationen finden Sie auf seiner Website unter www.volkerschneider.net.

 

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