Die Klima-Manipulateure – Rettet uns Politik oder Geo-Engineering?

Vorwort von Professor Udo E. Simonis zu „Die Klima-Manipulateure: Rettet uns Politik oder Geoengineering?“ – Jahrbuch Ökologie 2011.

 

Vorwort von Professor Udo E. Simonis

 

Der Philosoph Peter Sloterdijk meinte kürzlich, die Menschen seien „Zukunftsatheisten“ – sie glaubten nicht an das, was sie wissen. Das mag übertrieben sein, doch wenn man diese allgemeine Vermutung auf die Klimapolitiker überträgt, könnte er durchaus recht haben.

 

Trotz allen Wissens über die Ursachen und die möglichen Folgen des Klimawandels ließen die Politiker 2009 die große Chance des Klimagipfels in Kopenhagen ungenutzt verstreichen. Während man allseits ein deutliches Signal der Staatengemeinschaft erhofft hatte, mit dem immer wieder angekündigten Aufbruch in eine globale Kultur der Nachhaltigkeit und einem neuen Klimavertrag endlich ernst zu machen, hat man sich lediglich auf eine Absichtserklärung verständigt, den weiteren Anstieg der Erdtemperatur auf durchschnittlich 2°C beschränken zu wollen. Belastbare Beschlüsse, mit welchen konkreten Maßnahmen und welchen Institutionen man dieses Ziel zu erreichen gedenkt, wurden auf später vertagt, sodass das Ziel nun selber in Frage steht.

 

Angesichts dieses Debakels mangelnder globaler Koordination und Kooperation könnte sich bei den Menschen in der Tat hoffnungslose Unzufriedenheit ausbreiten, ein Mehltau aus Apathie und Depression, ein Gefühl der Machtlosigkeit, weil die Politik selbst nicht mehr in der Lage zu sein scheint, gestalterisch tätig zu werden. Es könnte aber auch sein, dass wir durch diese enttäuschende Niederlage der Weltpolitik in eine vor-revolutionäre Situation neuer Art geraten sind. Wenn nämlich klar(er) wird, dass es von jetzt ab um hohe Kosten der Anpassung an den Klimawandel, um zunehmende internationale Konflikte, um territoriale und biologische Fortexistenz geht – und damit um Leben und Tod. Revolutionen bieten dann bekanntlich zweierlei: fundamentale Krise oder Eröffnung realer Chancen, Kollaps oder Suche nach einem neuen Gleichgewicht.

 

Die Herausgeber des Jahrbuchs Ökologie sind mehrheitlich strukturelle Optimisten. Und so haben sie die Hoffnung auf eine bessere Klimapolitik und ernsthaftere Klimapolitiker noch nicht völlig aufgegeben.

In den Blickpunkt (Teil I) möchten sie jedoch die Möglichkeit einer bedeutungsreichen, problembehafteten Ersatzhandlung rücken, nämlich die, dass Ingenieure das Heft des Handelns in die Hand nehmen könnten.

 

Das Thema „Climate Geoengineering“ – die großtechnische Klimamanipulation – hat erheblichen Auftrieb erhalten. In den USA ist dazu eine rege Diskussion im Gange, in England hat eine Royal Commission einen umfassenden Bericht erstellt, deutsche Institute waren an Feldversuchen der Ozeandüngung beteiligt. Es war nicht leicht, geeignete Autoren zu dieser grundsätzlichen Alternative zu finden, doch ist gewiss ein guter Einstieg in das Thema gelungen, das zwei Ausprägungen gefunden hat: Solar Radiation Management (SRM), die Beeinflussung der Sonneneinstrahlung und Carbon Dioxide Removal (CDR), die CO2-Entfernung aus der Atmosphäre, und das mit zwei Maßnahmebündeln angegangen bzw. betrieben werden soll: mit ecosystem enhancement, der künstlichen Stimulierung natürlicher Prozesse und mit black-box engineering, direkten technischen Eingriffen zum Einfangen von CO2. Das Argumentationsmuster Pro und Contra Climate Geoengineering (Klimamanipulation) bedarf der sorgfältigen und kritischen Kartierung – und dazu möchte dieses Jahrbuch beitragen.

 

Doch was geschieht mit der Klimapolitik? Sie ist zur Chefsache geworden, aber ohne Schub geblieben (Teil II). Ob die jüngste fundamentale Krisenerfahrung mit „Deepwater Horizon“ daran etwas ändern wird, ist derzeit offen. Was noch geht, was sich entwickeln könnte, dazu finden sich in diesem Buch eine Reihe von Betrachtungen – in Sonderheit solche zu neuen Akteuren auf der internationalen Ebene und zu neuartigen Akteurskonstellationen, aber auch zu den klimapolitischen Bremsern und Blockierern.

 

Gründe genug, nach Perspektiven anderer Art Ausschau zu halten, nach solchen in Recht, Wirtschaft und Zivilgesellschaft (Teil III). Unter Begriffen wie Lokale Energiewende, „Transition Towns“, Arbeit an Konzepten zum guten Leben, Umweltgerechtigkeit, Natur mit Kindern und Jugendlichen sind lokal und regional viel versprechende ökologische Rettungskräfte am Werk, denen allerdings vielfach ein massives „Grüntünchen“ entgegensteht, der listenreiche Versuch einer Manipulation der anderen Art – der Imagemanipulation.

 

Und was ist sonst noch in diesem Buch zu finden? Natürlich auch die Traditionsrubriken der Vor-Denker und Vor-Reiter (Teil IV), der Umweltinstitutionen (Teil V) und der Ökologie in Zahlen (Teil VI), diesmal mit fundamentalen globalen ökologischen Trends.

 

Das Jahrbuch Ökologie, das nunmehr zum 20. Mal erscheint, sollte auch mit dem Jahrgang 2011 wiederum viele aufmerksame Leserinnen und Leser finden.

 

Quelle: Professor Udo E. Simonis 2010

 

 

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