„Die Welt braucht Kernkraft“ – oder doch nicht?

Am Dienstag hat in Wien erneut eine Konferenz der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) stattgefunden. Dabei haben russische und US-amerikanische Experten einhellig behauptet, eine weltweite Entwicklung der Atomenergie sei unumgänglich. So glaubt der Chef der russischen Atombehörde Rosatom, Sergej Kirijenko: „Ich glaube, dass die IAEA-Prognose zur Anzahl der zu bauenden Reaktoren eher in eine optimistische Richtung geändert wird.“ Die Weltwirtschaft könne sich in den nächsten 30 bis 40 Jahren kaum ohne einen ernsthaften Aufbau der Atomenergie entwickeln. US-Energieminister Steven Chu pflichtete dem bei: „Die Welt braucht trotz den Ereignissen im japanischen AKW Fukushima I die Kernenergie. Ihre Produktion soll aber sicherer werden.“

Derweil haben die staatlich kontrollierte russische Atomholding Rosatom und das US-Energieministerium eine gemeinsame Erklärung über die strategischen Richtung der Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern im Nuklearbereich unterzeichnet. Energieminister Steven Chu: „Das Dokument eröffnet eine neue Phase der Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland bei der friedlichen Nutzung der Atomenergie sowie zwischen wissenschaftlichen Organisationen.“ Rosatom-Chef Kirijenko ging sogar noch einen Schritt weiter und betonte, dass die Zusammenarbeit der beiden Länder im Atombereich die Bedrohung in der Welt verringern würde. Konkret meint er damit: „Dies bezieht sich sowohl auf die Entsorgung von hochangereichertem Uran als auch auf das Abkommen über die Entsorgung von überschüssigem Waffenplutonium. Dies bezieht sich auch auf die Bevorratung mit Brennstoff. Das Abkommen erweitert unsere Zusammenarbeit, darunter auch die aussichtsreichen wissenschaftlichen Ausarbeitungen.“

Ob die Bedrohung für die Welt dadurch wie verkündet wirklich kleiner wird, hängt allerdings vor allem von der Sicherheit der Atomkraftwerke ab. Die Versicherungssumme eines AKWs, also die objektive Einschätzung der Sicherheit, ergibt sich allgemein aus der Formel Schadensausmaß mal Eintretenshäufigkeit und nicht nur aus dem Schadensausmaß allein. Dieses Restrisiko hat Fukushima allerdings nun deutlich erhöht: Nach der Kernschmelze in dem US-AKW Harrisburg 1979, der atomaren Katastrophe im AKW Tschernobyl 1986 und der zumindest partiellen Kernschmelze in drei Reaktoren auf einmal im japanischen Fukuschima im März dieses Jahres, hat sich die statistische Eintrittwahrscheinlichkeit einer gravierenden Katastrophe pro Reaktor weltweit auf 0,87 Prozent erhöht, also auf rund 1 zu 110 (5 Kernschmelzen bei 447 laufenden und 125 bereits stillgelegten Reaktoren). Allein für die 58 AKW in Frankreich bedeutet das somit mathematisch, dass es eine 50 zu 50 Chance/Risiko gibt, dass eines davon während seiner Laufzeit für gravierende Probleme sorgen wird. Würde der Preis für Atomstrom nun die realen Kosten abbilden und auch eine entsprechende Versicherungssumme beinhalten, dann wären jetzt schon die Erneuerbaren Energien konkurrenzlos günstig. Laut Greenpeace würden die realen Kosten des Atomstroms bei einer realistisch kalkulierten Versicherungssumme rund 2,70 Euro pro Kilowattstunde betragen – das ist weder bezahlbar noch wettbewerbsfähig. Zum Vergleich: Windenergie wird mit 9,2 Cent pro kWh vergütet.

Das es auch ohne Atomstrom funktionieren kann, zeigt derzeit Deutschland, auch Italien, Österreich und die Schweiz haben der Atomkraft bereits abgeschworen. Deutschland hat trotz des schnellen Abschaltens der acht ältesten AKW nach der Atomkatastrophe von Fukushima im ersten Halbjahr 2011 netto mehr Strom exportiert, als importiert: 29 Milliarden Kilowattstunden wurden exportiert, während nur 25 Milliarden importiert wurden. Der günstige Ökostrom führt auch regelmäßig zu Preiseinbrüchen an der Leipziger Strombörse. Mitte Juli beispielsweise brach der Strompreis aufgrund von reichlich Solarstrom und Windenergie am Nachmittag auf das Preisniveau von Nachtstrom ein, lediglich 2,5 Cent die KWh.

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