Die zweiseitige Willenserklärung

… aus der zweiwöchentlichen Themenserie „Die ersten 100 Tage zählen! So machen Sie ihre ersten 3 Monate als Führungskraft zum Erfolg“ von Volker Schneider.

„Die Stelle musste kurzfristig neu besetzt werden. Und dann bin ich halt ins kalte Wasser gesprungen.“

Ich höre immer wieder Geschichten über Menschen die „ins kalte Wasser geworfen“ (oder besser gestoßen)worden sind und erfolgreich waren. Oft tun die Erzähler so, als hätten sie etwas ganz tolles getan und erwarten, dass wir sie dafür bewundern.

Von den Tausenden, die dabei „ertrunken“, sprich gescheitert sind, redet kaum einer.

Schnellschüsse bei der Besetzung von Führungspositionen bergen immer ein großes Risiko. In dieser Kolumne spreche ich deshalb über die wichtigen Schritte vor den ersten 100 Tagen. Also, was Unternehmen und Kandidaten gemeinsam und einzeln tun können und müssen, bevor ein Chefsessel neu besetzt wird.

Denn die Besetzung einer Stelle ist kein Gnadenakt des Unternehmens und die Übernahme der Aufgabe nicht Großmut des Kandidaten. Eine Stelle neu zu besetzen ist eine zweiseitige Willenserklärung. Also Unternehmen und Kandidat entscheiden.

Wie gehen Kandidaten und Unternehmen vor?

Hier erlebe ich eine enorme Bandbreite an Vorgehensweisen. In vielen Organisationen ist es noch heute üblich, dass derjenige Mitarbeiter die Führungsverantwortung angeboten bekommt, der sich in dem betreffenden Gebiet besonders gut auskennt. Natürlich erwarten Mitarbeiter zu Recht Fachkompetenz von ihrem Vorgesetzten. Sie erwarten aber auch zu Recht Führung. Und eine Korrelation zwischen Fachwissen und Führungskompetenz besteht de facto nicht. Gerade junge Vorgesetzte werden oft mit dieser Situation alleine gelassen. Sie erhalten die Ziele für ihr Team und ein paar warme Worte wie z.B. „Sie kriegen das hin. Da mache ich mir keine Sorgen. Und übrigens, enttäuschen Sie mich nicht.“

Und von Seiten des potentiellen Kandidaten? Vor allem wenn es sich um einen Aufstieg handelt, ist die Verlockung enorm groß zuzugreifen, ohne genau zu überlegen und zu prüfen, was dieser Schritt im Detail für das weitere berufliche wie private Leben bedeutet. Kandidaten sehen oft nur die Beförderung und nicht den Weg, der danach gemeinsam mit dem Unternehmen zu gehen ist.

Was können Unternehmen tun?

Konkret definieren, welche Kompetenzen für die entsprechende Position erwartet werden. Und zwar nicht nur für die Fachkompetenz, sondern auch in Bezug auf Führungs-, soziale-, persönliche-, Methodenkompetenzen. Dazu sollten weniger operative Handlungsweisen „vorgeschrieben“ werden, wie es in vielen Stellenbeschreibungen zu finden ist. Besser ist, die gewünschten Ergebnisse und die zur Erreichung geltenden Rahmenbedingungen zu beschreiben.

Beispiel Adidas, das hier natürlich nur sehr verkürzt dargestellt werden kann: In der Personalentwicklung sind strategische Felder definiert: „Leadership Excellence“, „Performance Management“ und „Talent Management“. Hinter diesen strategischen Feldern stehen z.B. unternehmensweit geltende Kompetenzmodelle, Programme, um die Mitarbeiter fit fürs Tagesgeschäft zu machen und zu halten und über das „Talent Management“ gezielt auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten.

Dies mag zunächst sehr formalistisch klingen. Jedoch nur so werden bestmögliche Voraussetzungen geschaffen, Klarheit über Erwartungen und Notwendigkeiten auf beiden Seiten zu schaffen.

Der Nutzen für Unternehmen, die neue Besetzungen intensiv und akribisch nach diesen Beispielen vorbereiten, ist immens. Gelehrte und Experten sind sich über Höhe und Ausmaß der durch Fehlbesetzungen entstandenen Schäden nicht ganz einig. Unstrittig ist dagegen, dass Schaden entsteht!
Auf der anderen Seite stehen die positiven Wirkungen. Laut Prof. Dieter Frey, Professor für Wirtschafts- und Sozialpsychologie an der Universität München können führungsstarke Führungskräfte die Produktivität der Beschäftigten um 20 bis 50 Prozent steigern.

Was können Kandidaten im Vorfeld tun?

Der Kandidat prüft ebenso konkret, inwieweit er die Erwartungen an die Position erfüllen kann und will. Und er muss prüfen, inwieweit er mit den Zielen, den Werten und der Philosophie des entsprechenden Unternehmens übereinstimmen kann. Der interne Bewerber sollte wissen, auf was er sich diesbezüglich einlässt. Der externe Bewerber hat es da wesentlich schwerer. In der Regel stehen ihm nur wohlformulierte Unternehmensleitsätze und die Auskünfte der Unternehmensseite aus dem Bewerbungsprozess zur Verfügung. Allerdings soll es Unternehmen geben, bei denen diese Auskünfte und die Realität im Unternehmen nicht ganz übereinstimmen.

Ob es nun für den Bewerber Sinn macht, eine angebotene Stelle zu übernehmen, hängt von ganz unterschiedlichen Faktoren ab. Da spielen z.B. die eigenen Werte und Motive ebenso eine Rolle, wie Wissen, Können und Erfahrungen. Und natürlich, ob es gelingt, mittels Führungsintelligenz daraus die benötigten Kompetenzen zu entwickeln.

Und wie das geht, erfahren sie in meiner nächsten Kolumne.

Ihr  Volker Schneider

Zum Autor:

Volker Schneider ist Dipl. Betriebswirt, Speaker, Trainer und Coach. Er gilt als maßgebender Experte für Führungsintelligenz. Seine Karriere begann er im Polizeidienst als Streifenbeamter und Zivilfahnder. Danach wechselte er in die Wirtschaft, wo er lange Jahre erfolgreich in verschiedenen Geschäftsführerpositionen und als Vorstandsvorsitzender einer mittelständischen Aktiengesellschaft tätig war.

Heute ist er Inhaber eines Beratungsunternehmens und gibt sein Wissen zum Thema „Intelligenz führt“ in seinen souveränen und humorvollen Vorträgen weiter. In seinen fundierten Seminaren vermittelt der Experte, wie Führungsintelligenz als Antwort auf die Komplexität in Unternehmen aktiv zu implementieren ist. In seinen Coachings unterstützt er auf Augenhöhe Führungskräfte dabei, ihre Führungsrollen und ihr Führungsverständnis weiter zu entwickeln und ihre Mitarbeiter zu aktiven Mitgestaltern des Unternehmens zu machen. „Erfolgreiche Unternehmen brauchen intelligente Führungskräfte – keine Vorgesetzten“ ist seine Kernbotschaft.

Volker Schneider ist Professional Member der GSA – German Speakers Association. Weitere Informationen finden Sie auf seiner Website unter www.volkerschneider.net.

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