Differenzierungsstrategien: auf einzigartige Weise besser sein (1)

… aus der wöchentlichen Business-Kolumne von Til Roquette, Roquette Consulting, mit dem Titel „Strategische Marktpositionierung„.

In der letzten Ausgabe behandelte ich die Frage, welche Eigenschaften einer Marktpositionierung diese erfolgreich machen. In dieser Ausgabe will ich Ihnen verschiedene denkbare Differenzierungsstrategien vorstellen.

Differenzieren – Kreativität gefragt, Denkverbote verboten

Zur Erinnerung: Differenzierung bedeutet, im Gedächtnis seiner Kunden anders zu sein als die Anderen, und zwar auf eine für den Kunden relevante Weise.

Das ist auf sehr vielfältige Art und Weise möglich. Die hier beschriebenen Differenzierungsstrategien sind einige Beispiele, die Ihnen ein Gefühl dafür geben können, auf wie unterschiedliche Weise man sich differenzieren kann.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass für Ihre Branchen oder Ihre Produktkategorien keine dieser hier vorgestellten Strategien passt. Daher möchte ich Sie davor warnen, vorschnell zu prüfen, ob eine der hier genannten Strategien für Sie funktioniert. Denken Sie zunächst darüber nach, welche hier nicht aufgeführte Differenzierungsstrategie es auch noch geben könnte. Die Aufzählung hier dient lediglich dazu, Ihnen vor Augen zu führen, wie unterschiedlich man sich am Markt erfolgreich differenzieren kann.

Differenzieren ist nicht leicht

Die unglaubliche Flut neuer Produkte vernebelt das Bewusstsein des Kunden mit einem Schwall widersprüchlichen Behauptungen und kaum wahrnehmbaren Differenzierungsmerkmalen. Dabei ist die überwältigende Mehrzahl neuer Produkte keineswegs ein innovativer Durchbruch, sondern oftmals eine belanglose Weiterentwicklung.

Wettbewerber reagieren quasi automatisch und ohne viel nachzudenken. Sie kopieren sehr schnell jede neue Differenzierung. Der einzigartige Unterschied, sofern er gefunden, umgesetzt und kommuniziert wurde, hat scheinbar keine Chance. Doch das ist nicht so. Wenn Sie erst einmal in den Köpfen Ihrer Zielgruppe eine Positionierung besetzt haben, haben es Nachmacher sehr schwer, sie von dieser Positionierung zu „stürzen“. Zeit spielt hier eine wichtige Rolle. Eile, eine gewisse Investitionsbereitschaft und ein „Generalstabs-Plan“ sind gefragt.

Differenzierung ist möglich und notwendig: „Es gibt keinen Grund, für kein Unternehmen der Welt, in der Austauschbarkeitsfalle gefangen zu bleiben, für immer verdammt dazu, ausschließlich über den Preis zu konkurrieren. Historisch haben Unternehmen, die den Weg der Austauschbarkeit und Preisargumentation gewählt und beibehalten haben, nicht überlebt, auch wenn sie die Kosten noch so sehr gesenkt haben.“ (Trout, Rivkin, Wied, 2009)

Fisch vor Köder, Schriftzug: Strategien, die Kunden anziehen

Differenzierung über Produkteigenschaften

Die einfachste Differenzierung ist – zumindest vordergründig betrachtet – die Differenzierung über eine spezielle Eigenschaft (Attribut) Ihres Produkt- oder Dienstleistungsangebotes.

Ein Marktangebot besteht aus einer Mischung von Eigenschaften. Es wird einzigartig, wenn es für eines dieser Attribute bekannt wird, sofern es von der Zielgruppe als wichtig, d.h. nützlich, wahrgenommen wird und in den Köpfen der Zielgruppe noch von keinem Wettbewerber besetzt ist.

Dabei ist es wichtig, sich auf einen Nutzen zu konzentrieren, und zwar auf einen einfach zu kommunizierenden (Sie erinnern sich: damit sie funktionieren, müssen Marktpositionierungen klar und einfach sein). Das ist schwer, ja manchmal sogar hart. Aber, so leid es mir tut, unabwendbar.

Ideal ist es, wenn man eine im Bewusstsein der Zielgruppe wichtige Eigenschaft als erstes besetzen kann. Das ist jedoch meist nicht möglich. Meist sind die in den Augen der Zielgruppe wichtigen Eigenschaften bereits besetzt. Dann bleibt Ihnen nichts anders übrig als eine andere Eigenschaft zu besetzen, wenn Sie nicht der Kostenführer in Produktion und Distribution werden wollen. Denn eine Strategie, die versucht, den Marktführer dadurch anzugreifen, dass man sein Marktangebot nachahmt, ist dazu verurteilt, eine Billigpreisstrategie zu werden. Viel erfolgsversprechender ist, sich mit einem anderen, idealer Weise mit einem entgegengesetzten Attribut zu positionieren und dieses über die Marktkommunikation zu dramatisieren.

Oft kann man eine Eigenschaft, die bislang nicht als wichtig erkannt wurde, „erfinden“. Z.B. ein Kriterium schaffen, das es bislang im Entscheidungsprozess der Zielkunden nicht gab (z.B. Total Cost of Ownership, Unkaputtbarkeit der Brille, …). In anderen Fällen kann man sein Marktangebot um etwas Nützliches anreichern, das der Kunde bislang noch nicht erwartet hatte, z.B. Service.

Eine dritte Möglichkeit ist, innerhalb der Zielgruppe des Marktführers ein Segment zu identifizieren, für das eine ganz bestimmte, bislang nicht besetzte Eigenschaft viel wichtiger ist als für die anderen Mitglieder der Zielgruppe, und diese Eigenschaft zu besetzen. Auf diese Weise kann man aus den Kunden des Marktführers ein Segment herausschälen.

Differenzierung via Technologie, Design oder „Geheimrezept“

In vielen Produktkategorien liefern alle Produkte den Kunden die gleiche oder eine sehr ähnliche Funktion oder Nutzen. Viele Produkte enthalten aber oft eine Technologie oder ein Design, die für ihre Funktion, v.a. für ihren Nutzen ausschlaggebend sind.

Kolibri an Blüte, Schriftzug: Strategien, die Kunden anziehen

Um einen Differenzierungsfaktor zu finden, lohnt es sich häufig, sich entweder mit der Funktionsweise oder mit der Produktionsweise auseinander zu setzen. Es gilt, das „Geheimrezept“ zu finden, das den Kunden einen besonderen Zusatznutzen beschert und das man als „magische Zutat“ verpacken kann (z.B.: Jod-S11-Körnchen im Vogelfutter Trill. TSFI-Technologie von Audi). Das Schöne an „magischen Zutaten“ ist, dass sie müssen nicht näher erklärt werden müssen, weil sie eben magisch sind und eindrucksvoll klingen. Ideal ist, wenn man sie patentieren kann.

Solche systemische Innovationen kann man finden, in dem man den Mechanismus, mit der die Produktkategorie beim Kunden eine Wertschöpfung erzeugt, genau analysiert: Wie kann man diesen Wertschöpfungsprozess verbessern?

Dabei ist es oft hilfreich, sehr bewusst aus der „Kostenfalle“ herauszutreten: Anstatt sklavisch dem Herdentrieb zu folgen und den günstigeren Produktionsprozess, die günstigere Produktionstechnologie zu implementieren, weil so bislang der Wettbewerb funktionierte, kann man nicht selten die etwas teurere Methode wählen und damit ein überlegenes Produkt herstellen, für das man in der eigenen Nische einen höheren Preis verlangen kann.

Differenzierung durch „Next-Generation-Design“

Nicht selten ist es – vor allem in technologie-orientierten Branchen – erfolgreicher, nicht etwa ein besseres Produkt auf den Markt zu bringen, sondern etwas Neues, die „nächste Produktgeneration“.

Oft funktioniert das, in dem man dem bestehenden Produkt eine neue Technologie hinzufügt (Beispiel: das Elektroauto). Das neue Produkt muss jedoch auf eine für Ihren Kunden relevante Art und Weise besser sein.

Wenn möglich, sollte man in der Marktkommunikation den „Bruch mit der Vergangenheit“ dramatisieren. Wenn Sie z.B. bereits früher als erster erfolgreich eine „neue Generation“ an den Markt gebracht haben, stellen Sie dies heraus. Der Kunde billigt Ihnen dann eine enorme Glaubwürdigkeit zu. Und, wenn Sie glauben, diese Vorgehensweise auf Dauer aufrechterhalten zu können, können Sie Ihr Unternehmen als Innovator positionieren.

Achten Sie jedoch darauf, kein Problem lösen zu wollen, dass der Kunde gar nicht sieht oder nicht gelöst haben will.

Fortsetzung in der nächsten Ausgabe

In der nächsten Ausgabe setzen wir die Vorstellung möglicher Differenzierungsstrategien fort. Die weiteren geplanten Inhalte der Kolumne finden Sie am Ende unter „Was erwartet Sie in den folgenden Ausgaben?“

Ihr Til Roquette

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Til Roquette Profilbild

Zum Autor

Geschäftsführender Inhaber von Roquette Consulting mit Sitz in Gröbenzell bei München. Fachmann für Marktpositionierung. Darauf spezialisiert, durch Justierung oder Neuausrichtung der Marktpositionierung das Marktangebot seiner Mandanten für deren Zielgruppe anziehender zu machen. Berät mittelständische B2B-Unternehmen, hauptsächlich aus IT und Technologie.
War vordem Gründer und Unternehmer, hat seine Firma erfolgreich verkauft. Davor Berater in namhaften Unternehmens- und Management-Beratungsgesellschaften sowie Geschäftsleitungsmitglied eines mittelständischen Softwarekonzerns.

Diplomvolkswirt und Master of Business Administration (MBA). Jahrgang 1965, verheiratet, 2 Kinder.

Weitere Informationen finden Sie unter www.roquette-consulting.de.

Was erwartet Sie in den folgenden Ausgaben?

• Differenzierungsstrategien: auf einzigartige Weise besser sein (Teil 2)

• Wer trägt die Verantwortung für die strategische Marktpositionierung? Wann, in welchen Bereichen und wie oft muss die Marktpositionierung umgesetzt werden? Rolle von externen Beratern und Agenturen

• Wie entwickelt bzw. justiert man eine strategische Marktpositionierung?

• Welcher Aufwand und welche Veränderungen sind mit der Justierung der strategischen Marktpositionierung verbunden?

• Herausforderungen und Erfolgsfaktoren bei der Justierung einer strategischen Marktpositionierung?

• Hidden Champions als Vorbild

• Marktpositionierung als Geschäftsmodell erfolgreicher Kapitalbeteiligungsgesellschaften

• Warum haben so viele Unternehmen keine funktionierende Marktpositionierung?

• Vermeintliche Management-Weisheiten und Trends als häufige Management-Irrtümer

• Literaturempfehlungen zu Marktpositionierung, Differenzierung, Markenbildung, und weiteren interessanten Themen

Aus aktuellem Anlass können andere Themen eingeschoben oder Inhalte variiert werden.

Frosch und Fliege einander gegenüber, Schriftzug: Strategien, die Kunden anziehen

Themen der letzten Ausgaben

• Warum diese Kolumne?

• Fundament für erfolgreiche Vermarktung

• Das Schüssel-Schloss-Prinzip: Der Schlüssel zur richtigen Zielgruppe

• Betrifft Sie das Thema? Testen Sie sich!

• Der Wirkungsmechanismus: Auf welche Weise wirkt eine funktionierende Marktpositionierung in Marketing, Kundenakquisition und Umsatz?

• Exkurs: Positionierung vs. Markenentwicklung

• Welche Ziele verfolgen Sie mit einer Marktpositionierung?

• Marktpositionierung für B2B-Unternehmen?

• Was beinhaltet eine Marktpositionierung?

• „Differenzierung oder Sterben“ – Der USP als Herz der Marktpositionierung?

• Klare Eingrenzung der Zielkunden – Wie USP und Zielkundenabgrenzung zusammen hängen

• Durch welche Eigenschaften wird eine Marktpositionierung erfolgreich?

Kennen Sie schon die Leinwände von Inspiring Art?