Direktionsrecht und soziale Netzwerke

Im Zeitalter des Internet sind soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, Xing & Co. allgegenwärtig. Es gibt kaum mehr jemanden, der nicht einen privaten Facebook-Account hat oder der nicht bei der Job-Community Xing seinen Lebenslauf online gestellt hat. Auch die Fotos der letzten Party sind im Handumdrehen bei myspace hochgeladen und mit lustigen Kommentaren versehen – denn es soll ja schließlich jeder sehen können, was man alles erlebt und was einen so bewegt.

Was einen so bewegt, dazu gehört nicht selten auch die tägliche Arbeit, der eigene Beruf oder der Arbeitgeber. Zudem entdecken immer mehr Firmen und Unternehmen die sozialen Netzwerke fürs eigene Marketing. Die Chancen die sich hier für Unternehmen eröffnen sind immens – das eigene Produkt erreicht Tausende von potentiellen Kunden. Im Optimalfall wird es sogar innerhalb der sozialen Netze von Kunden positiv bewertet und weiterempfohlen.

Im Bezug auf Facebook & Co. wirft dies aber auch Risiken und Fragen auf: Welche Rolle nimmt überhaupt der Arbeitgeber im Bereich der Social Communities ein? Darf man über Facebook das posten, was man wirklich über seinen Arbeitgeber denkt? Kann der Arbeitgeber einen dazu verpflichten, sich bei einem Netzwerk anzumelden und positiv über den Arbeitgeber zu berichten? Kann und soll man den Arbeitnehmern Verhaltensrichtlinien zur Nutzung der Social Communities auferlegen?

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers

Nur selten wird es im Arbeitsvertrag eine Regelung zur Partizipation des Arbeitnehmers an sozialen Netzwerken zum Zweck der Unterstützung des Unternehmens geben. Wenn der Ar-beitgeber eine solche Teilnahme von seinen Mitarbeitern wünscht, bleibt ihm nur, dies durch eine einseitige Weisung zu erreichen. Dieses Weisungsrecht (Direktionsrecht) ist in § 106 Abs. 1 GewO verankert und gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die Pflichten des Arbeitsverhältnisses zu konkretisieren. Dadurch hat er die Möglichkeit festzulegen, „was“, „wann“ und „wie“ zu machen ist. Kurz gesagt: Der Arbeitgeber erteilt die Weisungen, die die Arbeitnehmer zu befolgen haben. Sofern es eben das Arbeitsverhältnis betrifft. Denn das gesetzliche Direktionsrecht berechtigt den Arbeitgeber im Regelfall nur dazu, betriebliche Verhaltensvorschriften auszusprechen. Für den außerbetrieblichen Bereich, das Privatleben, darf er seinen Arbeitnehmern grundsätzlich keine Weisungen erteilen.

Was darf der Arbeitgeber, was nicht?

Wenn also der Arbeitgeber grundsätzlich nur Weisungen für das Verhalten im Betrieb aussprechen darf, ergibt sich hier die Frage, ob er seine Arbeitnehmer beispielsweise dazu verpflichten kann, sich unter seinem Privatnamen bei einem sozialen Netzwerk anzumelden. Wo liegen hier die Grenzen eines solchen Direktionsrechtes?

1. Kann ein Arbeitnehmer per Weisung dazu verpflichtet werden, privaten Netzwerken wie Facebook & Co. beizutreten?

Soweit es um den Beitritt zu einem überwiegend privat genutzten Netzwerk wie beispielsweise Facebook, myspace, studiVZ usw. geht scheidet eine Verpflichtung zur Anmeldung aufgrund des privaten Charakters einer solchen Mitgliedschaft aus. Deswegen ist eine Weisung, die auf den Beitritt zu einem überwiegend privat genutzten Netzwerk unter Nutzung des Privatnamens gerichtet ist, als unwirksam anzusehen.

2. Wie sieht es bei Netzwerken aus, die vorwiegend an die Berufstätigkeit und den Job anknüpfen?

Auch bei Communities wie Xing oder LinkedIn verhält es sich kaum anders. Eine grundsätzliche Pflicht, sich hier mit dem Privatnamen anzumelden, besteht nicht. Denn auch wenn eine Anmeldung hier durchaus mehr Bezug zum betrieblichen Bereich hat, muss jede Weisung nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Billiges Ermessen heißt, es ist eine Abwägung der jeweils betroffenen berechtigten Interessen vorzunehmen. Hierbei werden regelmäßig die Rechte des Arbeitnehmers auf informelle Selbstbestimmung überwiegen, so dass eine erteilte Weisung unwirksam wäre. Eine Ausnahme kann sich eventuell nur dann ergeben, wenn zum Beispiel das Arbeitsverhältnis durch Öffentlichkeitsarbeit / Marketing geprägt ist und es gerade zu den Aufgaben des Arbeitnehmers gehört, das Unternehmen nach außen hin zu vertreten und repräsentieren. Aber auch hierbei wird wohl nicht jede Tätigkeit in der Öffentlichkeitsarbeit ausreichen, ein expliziter Bezug zu den sozialen Netzwerken wird vielfach gefordert.

3. Sind Verhaltensregeln zur Nutzung der sozialen Netze sinnvoll und nötig?

Was gilt aber für Arbeitnehmer die schon in sozialen Netzwerken aktiv sind? Welche Möglichkeiten hat der Arbeitgeber hier, auf das Verhalten des Arbeitnehmers in den Social Communities Einfluss zu nehmen?

Grundsätzlich ist es auch Sinn und Zweck des Direktionsrechts, die betriebliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Darunter fallen neben der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht auch gewisse Nebenpflichten und Rücksichtnahme- und Loyalitätspflichten.

Doch auch hier gilt wieder, dass das Direktionsrecht innerbetrieblicher Natur ist. Das bedeutet, dass nur in Ausnahmefällen der Arbeitergeber per Weisung vorgeben darf, was über ihn und seinen Betrieb gepostet werden darf. Die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit der Privatperson geht hier so weit, dass ein Arbeitgeber auch negative Äußerungen und Kritik hinnehmen muss, solange nicht klar ersichtlich ist, dass es dem Arbeitnehmer nur um Beleidigung oder Herabsetzung des Arbeitgebers geht. Nur dann kann der Arbeitgeber verlangen, dass Handlungen unterlassen werden müssen, die den Ruf und das Ansehen seines Unternehmens schädigen.

 

Etwas anders ist die Situation bei Netzwerken, die an Beruf und Job anknüpfen wie zum Beispiel bei Xing oder LinkedIn. Auch hier darf sich der Arbeitnehmer grundsätzlich negativ über seinen Arbeitergeber äußern. Doch er muss gleichzeitig die Interessen seines Arbeitgebers wahren. Denn bei derartigen Netzwerken, die gerade nicht überwiegend auf das Privatleben ausgerichtet sind, prallen beide Interessen samt deren grundrechtlich geschützten Positionen aufeinander. Das Recht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs.1 GG des Arbeitnehmers steht dem Unternehmensrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG als gleichwertig gegenüber. Hier haben beide Parteien eine Rücksichtsnahmeverpflichtung, aus der sich unter Umständen ein Weisungsrecht des Arbeitgebers ergeben kann.

Da der Arbeitgeber, wie dargelegt, nur sehr beschränkt mit Weisungen regulierend auf das Verhalten seiner Mitarbeiter in den sozialen Netzen einwirken kann, empfiehlt es sich, den Gefahren vorzubeugen und Richtlinien aufzustellen, wie die Mitarbeiter mit sozialen Netzwerken umzugehen haben, und wie sie sich darin verhalten sollen.

Diese Richtlinien können durch Bezugnahme im Arbeitsvertrag verbindlich für alle Mitarbeiter geregelt werden. In diesen Richtlinien kann und muss festgelegt werden, wie das Unternehmen sich im Netz präsentieren will, welche Fehler es zu vermeiden gilt. Aber auch hierbei gilt, dass in Richtlinien nur das vereinbart werden kann, was in angemessenem Verhältnis zu den Rechten des Arbeitnehmers steht. Es kann z.B. vereinbart werden, welche Informationen der Arbeitnehmer über das Unternehmen veröffentlichen darf, und welche Informationen gerade der Geheimhaltung unterfallen, wie der Arbeitnehmer im Netz aufzutreten hat, welche Regeln der „netiquette“ er einzuhalten hat.

Praxistipp

Sinnvoll wäre es auch, in die Richtlinien Sanktionen bei Verstößen aufzunehmen, wie z.B. Abmahnungen oder sogar Kündigungen.
Zu beachten ist allerdings wieder, dass der Arbeitgeber eine Regelungsbefugnis nur für solche Aktivitäten hat, die sich auf den betrieblichen Bereich auswirken oder einen gewissen Bezug hierzu haben. Für die rein private Nutzung in der Freizeit besteht keine Regelungsbefugnis.

Ganz aktuell: auch das olympische Komitee hat die Brisanz erkannt und gibt Leitfaden für London 2012 heraus.

4. Kann der Arbeitgeber verlangen, wie sich der Arbeitnehmer privat in Social Communities präsentieren darf?

Auch dies wird nur sehr selten der Fall sein. Wie bereits mehrfach erwähnt, gilt das Direktionsrecht des Arbeitsgebers grundsätzlich nur innerhalb des Betriebes. Wie sich seine Angestellten nun im Privatleben darstellen, darauf vermag er keinen Einfluss zu haben. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Handelt es sich um Arbeitnehmer, die eine hohe Position im Unternehmen innehaben, es nach außen hin repräsentieren und vielleicht sogar auf der Unternehmens-Webseite zu sehen sind, so wird man ihnen eine gewisse Nebenpflicht dahingehend auferlegen können, dass sie sich auch im Privatbereich entsprechend zivilisiert verhalten und darstellen. Doch auch dies ist wieder der Ausnahmefall und muss im Einzelfall entschieden werden.

5. Darf ein Arbeitgeber etwa selbst Profile für seine Mitarbeiter anlegen?

Grundsätzlich dürfen Mitarbeiten auf die Internetpräsentation des Unternehmens (Unternehmenswebseite) mit einbezogen werden, sofern dem Arbeitnehmer hierdurch keine Nachteile entstehen. Doch der Arbeitgeber darf nicht selbst Profile über seine Mitarbeiter in sozialen Netzwerken erstellen. Dies wäre alleine schon aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig.

Fazit:

Sofern nicht ein deutlich zu erkennender Bezug zwischen dem Unternehmen und dem sozialen Netzwerk besteht, kann der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern keine weitreichenden Verhaltenspflichten auferlegen, da das Direktionsrecht grundsätzlich auf den innerbetrieblichen Bereich beschränkt ist. Sobald aber der Ruf und das Ansehen des Unternehmens ernsthaft gefährdet sind, kann der Arbeitgeber aufgrund von Nebenpflichten des Arbeitsvertrages ein entsprechend loyales Verhalten von seinen Arbeitnehmern verlangen. In der Praxis können durch arbeitsvertragliche Richtlinien Regelungen geschaffen werden, die die „DOs“ und DON´Ts“ näher ausgestalten. Hierbei muss einem Arbeitgeber aber immer klar sein, dass schon aufgrund des ständigen Wandels der sozialen Netze eine umfassende Regelung nicht möglich ist. Es gilt, die Möglichkeiten, die einem Instrumente wie Social Media-Richtlinien bieten, zu nutzen, um Risiken zu minimieren.

 

 Zur Autorin:

Rechtsanwältin Michaela Berger absolvierte ihr Studium der Rechtswissenschaften in Augsburg und ist seit 2009 Partner bei Röhl · Dehm & Partner Rechtsanwälte. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht, hier vor allem in der arbeitsrechtlichen Vertragsgestaltung, und im IT-Recht.

Sie ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft IT-Recht im Deutschen Anwaltverein.

 

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