Nach Belieben die Transparenz, die elektrischen Eigenschaften oder die Festigkeit eines Gels verändern: Dies verspricht eine Entdeckung, die Forschende mit der Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gemacht haben. Das stellt einen wichtigen Fortschritt dar, da Gele häufig im Gesundheitsbereich, in High-Tech-Materialien und in der kosmetischen Industrie verwendet werden.
Bei einem Gel denkt man vor allem an ausgefallene Frisuren. In Wahrheit aber sind diese Materialien vielerorts anzutreffen: in Kontaktlinsen, Sensoren, verschiedenen Tinten, medizinischen Elektroden und in Brustimplantaten. Für Forschende und Produktehersteller sind sie aufgrund ihrer extremen Saugfähigkeit sowie ihrer Geschmeidigkeit und Haftfestigkeit von Interesse. Da sie aus einem Netzwerk solider Teilchen bestehen, können sie bis zu 99 Prozent Flüssigkeit zurückbehalten, ohne dass sich ihre Form verändert.
In einem kürzlich publizierten Artikel (*) erklären Wissenschaftler der ETH Lausanne, wie es ihnen gelungen ist, zwei unterschiedliche Gele in einem neuen Material zusammenzuführen, dessen Eigenschaften fast nach Belieben kontrolliert und verändert werden können.
Wie auf Kommando
Ausgangspunkt des neuen Materials war die vom SNF-Förderprofessor Giuseppe Foffi gemachte Entdeckung, dass die Durchsichtigkeit der Augenlinse von der Mischung zweier Proteine mit bestimmten Eigenschaften abhängt. Foffi hat die Resultate seiner Forschung auf Gele im Allgemeinen übertragen und kann nun voraussagen, wie sich zwei Materialien zu einem neuen Geltyp zusammenfügen.
Ein solches, von den Forschenden „Bigel“ genanntes Material, hat die Forschungsgruppe um Erika Eiser in Cambridge nun hergestellt. Die Forschenden haben dafür mittels einer Spezialmethode DNS-Fragmente mit Nanopartikeln zusammengebracht. Je nach Art der Partikel, die mit der DNS verbunden werden, entstehen Gele mit definierten Eigenschaften.
Reversible Eigenschaften
Wird die Grösse des mikroskopischen Teilchennetzes des Bigels verändert, so wandeln sich dessen optische Eigenschaften. Die Physiker können dadurch festlegen, auf welches Licht das Gel reagiert, indem es mehr oder weniger undurchsichtig wird. Eine interessante Eigenschaft im Bereich der Photonik, wenn es darum geht, die Übertragung der Lichtsignale gezielt zu verstärken oder abzuschwächen. Dieselbe Art von Formbarkeit ist auch bei elektrischen Eigenschaften vorstellbar.
Ein weiterer möglicher Vorteil von Bigelen ist ihre Reversibilität: Es genügt, das Bigel zu erwärmen, um es in seine Komponenten zu zerlegen. Deshalb kann sich Foffi Materialien vorstellen, deren Eigenschaften von der Temperatur abhängen.
Unzählige Möglichkeiten
Die Bigele ebnen den Weg für zahlreiche Anwendungen. Die Eigen-schaften der neuen Materialien werden durch das Zusammenbringen von Molekülen mit bestimmten elektromagnetischen Eigenschaften beeinflusst, aber auch durch Veränderungen in der Geometrie des Teilchennetzes. „Diese Methoden lassen sich nicht nur bei Gelen, sondern auch bei vielen anderen Materialien anwenden, zum Beispiel bei Schäumen und Tinten“, sagt Foffi. Er rechnet damit, dass er bei der Erforschung dieser Stoffe vom Mikro- in den Nanobereich übergehen wird. Zudem möchte er allfällige „Trigele“ und andere „Polygele“ untersuchen.
(*) Francesco Varrato, Lorenzo Di Michele, Maxim Belushkin, Nicolas Dorsaz, Simon H. Nathan, Erika Eiser and Giuseppe Foffi (2012). Arrested demixing opens novel route from gels to bigels. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS): doi 10.1073/pnas.1214971109
(als PDF beim SNF erhältlich; E-Mail: com@snf.ch)
(SNF 2012)