Der JadeWeserPort ist der einzige Hafen in Deutschland, an dem die riesigen Containerschiffe der Zukunft anlegen können. Trotzdem fürchten andere Häfen die Konkurrenz nicht. Die Krise erschwert den Start.
Sie sind gigantisch: Die neuen Riesen bei den Containerschiffen sind 430 Meter lang – das sind mehr als dreieinhalb große Fußballfelder hintereinander. Sie haben voll beladen einen Tiefgang von bis zu 16,5 Metern und können bis zu 14.000 Container transportieren. Noch sind sie im Bau, aber schon ab dem nächsten Jahr werden sie die Meere durchpflügen, so die Prognosen. Bis Ende 2014 werden ungefähr 250 dieser Riesen zwischen Europa und Fernost fahren. Bislang war nur der Hafen in Rotterdam so ausgestattet, dass er von diesen Giganten angelaufen werden kann, nun gibt es eine Konkurrenz in Deutschland. Am Freitagnachmittag (21.9.2012) wurde der JadeWeserPort bei Wilhelmshaven eröffnet. Er ist der einzige deutsche Hafen, in dem unabhängig von Ebbe und Flut Schiffe dieser Größenordnung entladen werden können.
Betrieben wird der JadeWeserPort vom Hafen- und Umschlagkonzern Eurogate, der in Deutschland bereits Terminals in Hamburg und Bremerhaven hat. Die Abläufe im neuen Hafen wurden schon seit Mitte Juni geprobt. Frachter mit leeren Containern lagen am Kai, Boxen wurden entladen der Weitertransport und alle weiteren Tätigkeiten am Terminal geübt.
Schifffahrtskrise war nicht geplant
Knapp eine Milliarde Euro hat das Großbauprojekt verschlungen. Gebaut wird seit vier Jahren. In dieser Zeit wurden Unmengen Sand aus dem Jadebusen gebaggert, es wurde ein 130 Hektar großer Containerterminal aufgeschüttet und auf 160 Hektar ein Güterverkehrszentrum angelegt. Die Kaianlagen haben eine Länge von fast zwei Kilometern. Bei den Arbeiten gab es einige Hindernisse zu überwinden. "Wir haben fast 4000 Kampfmittel aus dem zweiten Weltkrieg unschädlich machen müssen", sagt Axel Kluth, der Geschäftsführer der JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft im Gespräch mit der DW. "Das war kompliziert und nicht ganz ungefährlich."
Die größte Panne aber waren die über 300 Risse in der neuen Kaimauer. Die waren "das einzige, das massiv ins Kontor geschlagen hat. Aber das Problem ist gelöst worden", so Kluth. Der JadeWeserPort ist ein großes Projekt, das in einer ungünstigen Zeit fertig wird. Das Wachstum der Weltwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verlangsamt, die Warenströme auf dem Meer sind zurückgegangen. Weltweit gibt es Überkapazitäten in der Schifffahrt, mangelnde Auslastung und Preisdruck.
"Wir haben eine Krise", sagt Burkhard Lemper, Direktor am Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik. "Die Wachstumsraten der Containerschifffahrt waren insbesondere in 2009 negativ. Wir sind im Moment, was die erwartete Mengenentwicklung angeht, etwas hinter dem Zeitplan her, das heißt aber nicht, dass dieser Hafen überflüssig wird. Er kommt vielleicht etwas früh." Zum Zeitpunkt der Planung des Hafens war eine Krise noch nicht absehbar: Ganz im Gegenteil waren die Aussichten für die globale Schifffahrt extrem optimistisch.
Konkurrenz zu anderen Häfen
Am Kai des JadeWeserPorts ragen die Ausleger der Containerbrücken 126 Meter in die Höhe. Weltweit gibt es keine größeren. Sie sollen eines Tages dazu beitragen, dass hier pro Jahr 2,7 Millionen Standardcontainer umgeschlagen werden. Im Vergleich zu den Häfen in Hamburg und Bremerhaven ist das allerdings relativ wenig. Allein in Hamburg können bis zu zwölf Millionen Standardcontainer abgefertigt werden. Trotzdem eine Konkurrenz?
"Der JadeWeserPort ist immer geplant gewesen als Ergänzung zu den bestehenden deutschen Häfen Hamburg und Bremerhaven, die heute im Containerverkehr aktiv sind", sagt Burkhard Lemper. Der Hafen soll vor allem Anlaufpunkt für die neuen XXL-Schiffe werden, die Hamburg nicht anlaufen können. Aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht ergebe es auch wenig Sinn, nur auf einen großen Hafen wie Hamburg zu setzen, meint Lemper im Gespräch mit der DW. "Eine Konzentration von Verkehrsmengen bedeutet eine zusätzliche Belastung von Infrastruktur, es gibt zusätzliche Staueffekte und längere Wege im Hinterland. Insofern ist es sinnvoll, den Markt Deutschland von mehreren Punkten aus zu erschließen."
Deshalb muss sich Hamburg, der größte Hafen Deutschlands, nicht um seine Zukunft sorgen. Denn zudem habe Hamburg den Vorteil, dass dort die großen Reedereien und Importeure ihre Europa-Zentralen haben, meint Emanuel Schiffer vom Vorstand des Containerumschlagunternehmens Eurogate. "Keiner wird umziehen nach Wilhelmshaven." Der neue Hafen müsse sich darauf konzentrieren, vor allem vom zusätzlichen Handelsvolumen zu profitieren.
"Für uns ist der JadeWeserPort natürlich ein zusätzlicher Wettbewerber", sagt auch Bengt van Beuningen, Sprecher von Hafen Hamburg Marketing, dem Standortvermarkter der Hafenwirtschaft der Hansestadt. Er sieht aber aufgrund der Größenverhältnisse und der dortigen Ausrichtung auf sehr große Schiffe keine grundsätzliche Gefahr für Hamburg.
Gegenüber Europas größtem Hafen Rotterdam, der sehr wohl von Containerschiffen der neuen Generation angelaufen werden kann, habe "Wilhelmshaven den Vorteil einer besseren Lage zum Ostseeraum und Teilen des deutschen und osteuropäischen Hinterlandes. Dort wird er auch seinen Markt finden", so Lemper zur DW.
Warten auf Kundschaft
Auch wenn der JadeWeserPort bereits eröffnet wurde – es ist noch einiges zu tun. So gibt es zwar schon eine Autobahnanbindung, der Anschluss an das Bahnnetz muss aber noch fertiggestellt werden. Und auch auf dem aufgespülten Hafengelände, insbesondere auf der 160 Hektar umfassenden "JadeWeserPort Logistics Zone" ist noch viel freier Platz. Die Straßen sind fertig, dazwischen warten riesige Sandflächen darauf, bebaut zu werden. Das sei für ein neues Güterverkehrszentrum völlig normal, erklärt der Geschäftsführer der JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft, Axel Kluth. "Viele warten auf den Start des Hafens, bevor sie sich auf dem Gelände ansiedeln." Es gäbe aber Interessenten.
"Mit dem Start des Hafens kommen wir in eine neue Phase: Denn erst wenn Ladung über die Kaje geht, füllt sich auch das Hinterland mit Leben, entstehen die geschäftlichen Argumente, die eine Ansiedlung begründen", sagt Jan Miller, der für die Vermarktung der Flächen im Güterverkehrszentrum zuständig ist. Auch Axel Kluth rechnet damit, dass sich das Zentrum in fünf bis zehn Jahren gefüllt haben wird.
(Quelle: Insa Wrede, Rolf Wenkel / Deutsche Welle)