Gründung und Arbeitsalltag – Interview mit Iris Hesse, Punkt & Komma

Gerade in der elektronischen Textwelt werden Tippfehler und grammatische Ausrutscher zunehmend achselzuckend hingenommen. Wer jedoch im Berufs- und Geschäftsleben mit seinem schriftlichen Auftritt überzeugen möchte, legt Wert auf fehlerfreie Texte. Um diesem Thema näher auf den Grund zu gehen, haben wir heute Iris Hesse, Geschäftsführerin von Punkt & Komma, im Interview. Mit ihr sprechen wir über ihren Startup, einen Online-Lektoratsservice, und wie sich der Arbeitsalltag gestaltet.

 

Beim Thema Internet-Start-up denkt man an Nerds mit Flausen im Kopf und einem zahlungskräftigen Investor im Hintergrund. Bei Ihnen ist das anders, oder?

Ja, das denke ich doch! Nerd bin ich höchstens beim Thema Film und mehr Flausen im Kopf haben hoffentlich meine beiden Kinder. Den zahlungskräftigen Investor hätte ich durchaus gern im Hintergrund, aber fürs Erste muss es ohne gehen. Jeder fängt mal klein an. Bei meinem Start-up ging es in erster Linie darum: Ich wollte mit dem, was ich kann und gerne mache, etwas aufbauen, wo ich Bedarf sehe. Das wollte ich von zuhause aus betreiben und zeitgemäß. Also online, vernetzt und mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand. Genau so, wie sich auch viele Kunden eine moderne Dienstleistung vorstellen.

Gehen aus Ihrer Sicht Frauen anders an eine Unternehmensgründung heran als Männer?

Ich glaube schon. Neben Unternehmenskonzept, finanziellen Überlegungen, organisatorischen Fragen und sonstigen Visionen bezieht man noch viele andere Faktoren in die Planung mit ein: Hab ich nachmittags noch den Kopf frei für kindliche Sorgen und Nöte und fürs Hausaufgaben-Coaching? Bleibt genügend Luft für Freizeit und soziale Kontakte? Wie erledige ich nebenbei den Haushalt?

Wo Männer sich mit Haut und Haaren und voller Elan in neue Projekte stürzen – nach dem Motto: Wo gehobelt wird, da fallen Späne –, gehen wir Frauen die Dinge vorsichtiger und selbstkritischer an. Frau will erst mal gründlich vorbereitet sein und halten können, was sie verspricht. Außerdem machen sich Frauen mehr Gedanken darüber, wie sie in ihren einzelnen Rollen rüberkommen. Das kann einem manchmal den Elan rauben.

Stichwort Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie betreiben einen Onlineservice und können Ihre Zeit frei einteilen. Arbeiten, wann und wo es gerade in den Alltag passt. Stellen wir uns das zu naiv vor?

Ja, das wäre in der Tat zu vereinfacht dargestellt. Korrigieren und Lektorieren oder gar redaktionelle Textarbeit erfordert Konzentration und Ruhe – zwischen Tür und Angel oder mit einem Kind auf dem Schoß geht das nicht. Ich korrigiere morgens, wenn alle aus dem Haus sind. Da ich dem Kunden eine zeitnahe Bearbeitung biete, habe ich den Nachmittag über ein Auge darauf, dass Kollegen die Aufträge erledigen. Kundenrückfragen wollen ebenfalls beantwortet werden; dies ist zum Glück – den Smartphones sei Dank – so gut wie überall möglich.

 

Wie kamen Sie auf die Idee?

In den letzten Jahren hatte ich viel mit Website-Texten und Webshops zu tun, ich habe erlebt, wie schnell in der Branche reagiert werden muss – neue Trends, neue Produkte, ein immer wieder aktualisierter Webauftritt – und mit welchem Tempo neuer Content eingestellt wird. Oft bleiben hier Sprache und Rechtschreibung völlig auf der Strecke. Sorgfältige Korrekturläufe kann sich das Personal gar nicht leisten. Verantwortliche erkennen das Problem vielleicht, stellen sich aber die Frage: „Wo kriege ich jetzt schnell jemanden her, der mir das mal eben macht?“

Da ich selber begeisterte Internetnutzerin bin und die Onlinedienst-Welt von beiden Seiten her kenne, habe ich mich gefragt, warum das Lektorat im E-Business noch nicht vernünftig Fuß gefasst hat. Gerade für kürzere Texte wäre das doch ideal. Da war die Idee zum E-Lektorat mit bequemem Auftragssystem geboren.

Was unterscheidet Ihren Service von anderen Online-Lektoraten?

Bislang basieren auch die professionellsten Lektoratsseiten meistens auf dem Prinzip der persönlichen Angebotserfragung und -erstellung nach spezifischer Einschätzung von Text und Aufwand. Das ist durchaus ein naheliegendes Modell, nur stellt sich das für viele Kunden mit kleineren Texten oft zu umständlich dar, von Internet-Services ist man mittlerweile schon lange anderes gewohnt. Bei Punkt & Komma ist das ganz unkompliziert: Der Kunde lädt den Text hoch – wir machen. Wir nennen ihm sofort den Preis und die erforderliche Zeit.

Mit unserer Kompetenz wagen wir, eine Standardlösung für eine im Grunde nicht standardisierbare intellektuelle Arbeit anzubieten: Jeder Text ist anders, jeder birgt seine eigenen Tücken in der Bearbeitung. Dies zum festgeschriebenen Preis und innerhalb der angegebenen Zeit zu leisten, ist unsere Herausforderung.

Für unsere Basisleistung Korrektorat und Lektorat muss der Kunde gar nicht groß selbst in Erscheinung treten, beim Bestellen und Bezahlen nutzt er einen echten Do-it-yourself-Service. Wenn er andererseits Kontakt und Rücksprache sucht, vor allem, wenn er einen Text komplett überarbeitet haben möchte, wird er auch hier rundum bedient. Wir haben den Auftritt und das Bestellsystem bewusst übersichtlich gehalten, mit möglichst wenig Schnickschnack und Wahlmöglichkeiten drum herum. Durch unsere Erfahrung ordnen wir den Text in der Regel richtig ein und erkennen, was der Kunde damit will. Das hat bislang gut funktioniert. Wenn doch mal Unklarheiten bestehen, wird eben nachgefragt – es stecken ja schließlich Menschen hinter der „Maschine“.

Wer nutzt Punkt & Komma? Beschreiben Sie Ihre klassischen Kunden und deren Anspruchshaltung an den Service.

Wir haben einerseits den Privatkunden, darunter viele Bewerber, die ihre Anschreiben gegenlesen lassen, andererseits den mittelständischen Kunden, der Inserate, Flyer-, Website- und Broschürentexte zur Bearbeitung schickt. Beide erwarten ein sorgfältiges und zeitnahes Korrektorat oder Lektorat, bei kürzeren Aufträgen möchte man den Text am selben, spätestens jedoch am nächsten Tag zurückbekommen. Als dritte Gruppe zeichnen sich nicht-muttersprachliche Schreiber ab: Studenten mit deutscher Facharbeit für hiesige Unis etwa oder Geschäftsleute, die zwar über gute Deutschkenntnisse verfügen, ihre wichtigen Briefe aber zur Sicherheit auf Verständlichkeit und Ausdruck hin überprüfen lassen wollen.

 

Beim Gedanken an eine Lektorin kommen vielen Lesern sicher noch Bilder von streng gescheitelten Frauen mit Lesebrille in den Kopf. Ist das heute noch gerechtfertigt? Was macht eine moderne Lektorin aus und was sollte sie mit in den Job bringen?

Es gibt ja zum Glück Kontaktlinsen!

Vielleicht üben wir nicht alle nebenbei noch einen wahnsinnig aufregenden Trendsport aus, auch haben Lektoren und Lektorinnen gern spöttische Vorbehalte gegenüber unreflektiertem „E-Commerce-Sprech“ – aber wir verstecken uns ganz sicher nicht humorlos und elitär hinter staubigen Bücherstapeln oder verteufeln die ganze elektronische Welt. Im Gegenteil: Letztere ist unser Handwerkszeug! Wie oft dient das Internet der schnellen Recherche zum Hintergrund einer Branche!

Wir sind sicherlich keine Paragraphenreiter mehr, hier hat ein gewisses Umdenken stattgefunden. Natürlich korrigieren wir streng nach Duden, aber auch dieses Standardwerk reagiert sehr schnell auf sprachliche Entwicklungen – darum kommt man in der heutigen Medien- und vor allem in der globalen Geschäftswelt gar nicht mehr herum. Denken Sie an das täglich wachsende Misch-Vokabular aus englischen und deutschen Fachtermini in der IT und Wirtschaft. Auch wenn dies den Sprachhüter zuweilen vor große Herausforderungen stellt … Wichtig ist meiner Meinung nach, angemessen zu reagieren, d. h. diesen Wildwuchs weitestgehend den Regelungen der deutschen Sprache anzupassen, damit die Verständlichkeit und Lesbarkeit gewahrt wird.

Lektoren und Lektorinnen sollten heute in jedem Fall kundenorientiert denken und daher eine gewisse Flexibilität und Sensibilität für den Charakter des Textes und des Kunden mitbringen. Die Grundvoraussetzung – neben Akribie, hervorragender Allgemeinbildung und Dudensicherheit – ist Offenheit und Neugier für jede Art von Schriftstück sowie die Bereitschaft, sich jedes Mal neu in einen Text hineinzudenken. Ganz wichtig erscheint mir tatsächlich auch die vielgeforderte soziale Kompetenz – sowohl die Kunden als auch die Lektoren untereinander suchen oder schätzen zumindest einen herzlichen Kontakt mit dem Menschen „dahinter“. Ich finde, das macht die Arbeit einfacher.

Pflegen Sie den Netzwerkgedanken? Anders gefragt, haben weitere Lektorinnen über Sie ebenfalls die Möglichkeit zum flexiblen Wiedereinstieg in den Job?

Das war ja die Ausgangsidee in eigener Sache. Mehr als andere Tätigkeiten bietet die Arbeit im Netz und im Netzwerk an, von zuhause aus zu arbeiten. Unser transparentes Auftragssystem ist die Voraussetzung: Die Lektoren haben online Zugriff und sehen genau, welcher Text bereits in Bearbeitung ist und welcher nicht – und können zugreifen.

Habe ich auch als Mann eine Chance?

Nette Frage – na klar! Eine gesunde Mischung macht’s. Oftmals bringen männliche Lektoren sogar mehr Bereitschaft mit, noch abends oder nachts zu arbeiten. Die scheinen da belastbarer zu sein. Das ist natürlich super, wenn’s mal brennt! Aber ob Männlein oder Weiblein – es muss passen.

Vielen Dank Frau Hesse für das interessante Gespräch. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.

 

Das Interview führte Oliver Foitzik (Herausgeber AGITANO / Geschäftsführer FOMACO GmbH).

 

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