In einem Jahr Digital (6) – Von der Idee zum Prototypen

Geredet wird gern und viel. Aber um wirklich zu Ergebnissen zu kommen, müssen wir unseren Ideen eine Gestalt geben: Etwas bauen, das wir und unsere Kunden anfassen, ausprobieren und benutzen können. Doch zunächst: Wie kommen wir auf vielversprechende Ideen? Dass wir dazu Raum und Zeit brauchen, ist klar. Wenn der Alltag hektisch und voller Deadlines ist, der eigene Erfolg nur an Kennzahlen gemessen wird – dann ist da zu wenig Raum für Kreativität. Also müssen wir uns diesen Raum und die dazu nötige Zeit nehmen. In seiner Themenserie „In einem Jahr Digital“ geht Ömer Atiker diesmal auf die Notwendigkeit von Prototypen ein. Damit ist kein bis ins Detail ausgefeiltes Beispielszenario gemeint – ganz im Gegenteil: Wenn Sie wirklich effizient in die Anfangsphase einer Idee starten wollen, sollten Sie sich die folgenden Tipps genauer ansehen.

Prototypen: Am Anfang war ein Gedanke

Manche von uns stolpern über eine Lösung und müssen jetzt erst mal ein passendes Problem finden. So geschah es mit den Post-It Haftzetteln, die einen langen Weg zurücklegen mussten, um zu einem erfolgreichen Produkt zu werden. Auch Viagra begann als Mittel gegen Herzerkrankungen, nicht als Potenzpille. YouTube und Facebook begannen als Dating-Sites und Airbnb war ursprünglich nur eine Notlösung für billige Übernachtungen während einer Konferenz.

Einer der sichersten Wege ist es, sich ein Problem vorzunehmen, das einen selbst ernsthaft verärgert, und sich um eine neue Lösung dafür zu kümmern. Hermann Scherer sagt: „Jedes Problem ist ein noch nicht gegründetes Unternehmen.“ Berechtigter Ärger über etwas gibt einem den nötigen Schwung, sich darin mal so richtig zu verbeißen. Viele Menschen machen die Welt besser, weil sie sich mit dem Status quo nicht anfinden wollen. Andere wollen generell das Leben ihrer Kunden verbessern, wohl wissend, dass das der Königsweg zu höheren Gewinnen ist. Sie beobachten ihre (potenziellen) Kunden im Alltag und überlegen sich, wie sie deren Leben besser, einfacher, leichter machen können.

Auf Safari beim Kunden

Beim Beobachten sollten Sie immer vorgehen wie die Tierfilmer von der BBC – mit großen Objektiven, möglichst weit weg und unbemerkt beobachten, wie sich Ihre Zielpersonen in freier Wildbahn verhalten. Denn bei Befragungen kommen Sie eine Menge Antworten, aber nur äußerst selten verwertbare Hinweise. Nach der Beobachtung (nicht währenddessen!) arbeiten Sie die Probleme heraus: Was genau ist schwierig und warum? Sie testen, ob Ihre Hypothese auch stimmt. Und überlegen sich dann, was man anders und besser machen kann. Und erst dann, wenn Sie eine tragfähige Hypothese zu Problem und Lösung haben, dann bauen Sie einen Prototypen.

Mit dem MVP zu Erfolg

An dieser Stelle können wir viel von der agilen Entwicklung und aus dem Lean-Trend lernen. Zum einen, dass wir in kurzen Zyklen arbeiten. Jetzt wird nicht ein monatelanges Projekt aufgesetzt, um den perfekten Prototypen zu bauen. Sondern es werden für einzelne Elemente kleine Lösungen gesucht, die getestet, verbessert und später miteinander kombiniert werden.

Im Agilen nennt man das das MVP – das Minimum Viable Product: Das ist die Minimallösung, mit der Sie Ihren Ansatz testen können. Das darf ruhig schief und hässlich sein, solange die gewünschte Funktion angeboten wird.

Das Schöne: Am Anfang dürfen Sie diese Funktion sogar faken! Machen Sie ein paar Screen Designs für Ihre neue App auf mehrere Zettel, ein Zettel pro Schirm, tackern Sie das Ganze zusammen und tun Sie so, als würden Sie von Schirm zu Schirm (von Zettel zu Zettel) klicken. Ganz ohne stundenlange Programmierung kriegen Sie innerhalb von Minuten ein Gefühl dafür, was funktioniert und was nicht. Schönheit kommt später, Ihre ersten Tests sollten so „quick & dirty“ wie möglich sein. Das spart Zeit und bringt Tempo in die Sache.

Methoden

Die bekannteste Methode in dem Bereich ist sicher das Design Thinking, das den Prozess in sechs Stufen aufteilt, die immer wieder durchlaufen werden. Sehr gut liest sich The Innovator’s Hypothesis von Michael Schrage, das sich mit Experimenten im Firmenalltag beschäftigt. Bei diesem Konzept werden fünf Experimente innerhalb von fünf Wochen und für weniger als 5.000 Dollar pro Stück umgesetzt, um zielgerichtet zu lernen.

Das ist übrigens auch ein wichtiger Aspekt: Je billiger Ihre Tests in Aufwand, Material und Kosten sind, desto mehr Tests können Sie machen. Und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, einen richtig außergewöhnlichen Treffer zu landen. Lean bedeutet hier: Mehr Vielfalt und gründlichere Ergebnisse.

Noch schneller ist der bei Google entwickelte Sprint (siehe das gleichnamige Buch von Jake Knapp, Braden Kowitz und John Zeratsky), der den ganzen Prozess auf eine genau geplante Woche eindampft. In nur fünf Tagen greifbare Resultate! Der Prototyp wird hierbei übrigens erst am Donnerstag gebaut: Davor wird gründlich darüber nachgedacht, ob man Problem und Lösung wirklich richtig verstanden hat.

Fazit

Sie lernen weit mehr vom Tun, als vom „darüber Reden“. Trennen Sie Beobachtung und Bewertung, die Idee von der Umsetzung. Bauen Sie billige Prototypen, dann können Sie mehr Ideen testen. Lassen Sie Ihre Kunden ungestört die Prototypen ausprobieren und verbessern Sie sie rigoros, bis das Produkt wirklich kinderleicht zu bedienen ist. Und geben Sie Gas – es kann richtig schnell gehen. Dann haben Sie im nächsten Quartal Zeit für noch bessere Ideen …

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„Der Mann für Digitale Strategie“: Ömer Atiker berät Unternehmen auf ihrem Weg zur Digitalen Transformation und begeistert als Keynote Speaker und Autor mit innovativen und charmanten Vorträgen. (Bild: Fotostudio Conny Ehm)

Im nächsten, vorletzten Teil der Serie geht es um die Frage der Herangehensweise allgemein: Ihr Unternehmen ist in einem Jahr digital, wenn Sie gut organisiert dank Struktur sind.

Über Ömer Atiker

Ömer Atiker ist „Der Mann für Digitale Strategie“. Der Keynote Speaker, Berater und Autor begleitet Unternehmen auf dem Weg zur Digitalisierung. 1996 gründete er mit ArtWork eine der ersten Webagenturen der Niederlande, 2006 erfolgte die Gründung von Click Effect, einer Agentur für digitales Marketing. Heute begleitet er als Berater Unternehmen bei der digitalen Transformation. In seinen innovativen Keynotes bringt er charmant und eingängig die digitale Zukunft auf die Bühne.

Mehr über Ömer Atiker erfahren Sie auf http://atiker.com/.

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