Interview mit Dr. Thomas Petri, Datenschutzbeauftragter Bayerns, zum Thema ACTA

Inhaltsverzeichnis

Im Rahmen der ACTA-Thematik konnten wir Dr. Thomas Petri, Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, für ein Kurzinterview gewinnen.

 

1. Herr Dr. Petri, würden Sie uns bitte kurz aus Ihrer Sicht erläutern, um was es sich bei dem ACTA-Abkommen genau handelt?

ACTA soll das TRIPS-Abkommen (= Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) ergänzen. Das TRIPS – Abkommen stellt sicher, dass nationale Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel werden. Jetzt soll ACTA dazu beitragen, dass „Rechte des geistigen Eigentums“ besser durchgesetzt werden können. Mit anderen Worten zielt ACTA auf eine bessere Durchsetzung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten ab. Gleichzeitig soll mit seiner Hilfe die Produkt- und Markenpiraterie intensiver bekämpft werden.

2. Was ist Ihrer Meinung nach die Intention der EU bzgl. ACTA? Was wären, im Falle eines Inkrafttretens, die Konsequenzen für den normalen Internetuser?

Die Auswirkungen kann ich nur aus datenschutzrechtlicher Sicht beurteilen und dies angesichts der Komplexität des Regelwerks auch noch nicht abschließend. Aus datenschutzrechtlicher Sicht kritisiere ich an ACTA, dass viele Fragen gerade nicht abschließend beantwortet worden sind. Die Vertragsparteien sollen sicherstellen, dass „Durchsetzungsverfahren“ bereitgestellt werden, die „ein wirksames Vorgehen gegen jede Verletzung“ von Rechten des geistigen Eigentums ermöglichen. Wie das geschehen soll, veranschaulicht ein datenschutzrechtlich bedeutsames Beispiel: Im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Schutzrechten im „digitalen Umfeld“ (damit gemeint ist vor Allem das Internet) sollen Online-Diensteanbieter unter bestimmten Voraussetzungen dazu gezwungen werden, gegenüber Rechteinhabern die Namen ihrer Nutzer preiszugeben. Dass dabei die Privatsphäre zu beachten sei, wird dabei zwar pflichtschuldig erwähnt. Wie die Vertraulichkeit im Netz jedoch künftig konkret gewährleistet werden soll, bleibt völlig unklar. Auch kann ich nicht ausschließen, dass ACTA einem erneuten Anlauf Vorschub leistet, die verfassungsrechtlich bedenklichen Netzsperren zu etablieren.

Insgesamt drängt sich mir der Eindruck auf, dass ACTA zwar nicht einseitig, aber doch ganz überwiegend die Interessen der Rechteinhaber im Blick hat. Deren Rechte werden relativ konkret festgelegt, während Durchsetzungsschranken doch sehr vage bleiben. ACTA basiert nicht, vielleicht noch nicht, auf einer ausgewogenen Abwägung der legitimen Interessen von Rechteinhabern und dem Recht der Internetnutzenden auf eine vertrauliche Nutzung des Internets.

3.) Polen, Tschechien, Slowakei und ganz aktuell Lettland haben den aktuellen nationalen Ratifizierungsprozess bzgl. des ACTA-Abkommens momentan ausgesetzt. Ist das Ihrer Meinung nach ein Resultat aus einem Umdenken der Regierungen, eine direkte Konsequenz aus durchaus heftigen Protesten oder ist diese Unterbrechung dem intransparenten Entstehungsprozess des Abkommens geschuldet? Oder gibt es eine ganz andere Begründung?

Es wäre schön glauben zu können, dass Staaten internationale Abkommen ausschließlich wegen rechtsstaatlichen Bedenken (z.B. wegen mangelnder Transparenz) nicht ratifizieren würden. In aller Regel wird dies jedoch nicht der Realität entsprechen, weil zumindest auch Nützlichkeitserwägungen maßgeblich sein werden. Allerdings möchte ich es durchaus nicht ausschließen, dass die heftigen Proteste dazu beigetragen haben, den Ratifizierungsprozess zu bremsen.

4.) In den USA sind, der landläufigen Meinung nach, ACTA-ähnliche Gesetzesvorhaben, nämlich SOPA und PIPA, in der Diskussion. Sehen Sie zwischen diesen drei Entwürfen Schnittmengen im Bezug auf das geistige Urheberrecht?

SOPA und PIPA kann ich in ihren Auswirkungen in den USA nicht abschließend beurteilen, weil sie im Zusammenhang mit dem US-amerikanischen Rechtssystem stehen, das ich nicht gut genug kenne.

5.) Das auswärtige Amt hat die Weisung zur Unterzeichnung von ACTA heute zurückgezogen. Was bedeutet das für den weiteren Ratifizierungsverlauf?

Zunächst begrüße ich ausdrücklich die Entscheidung der zuständigen Ressorts der Bundesregierung, vor einer Ratifizierung des Abkommens unter anderem die offenen datenschutzrechtlichen Fragestellungen näher zu prüfen. Nach meinen Informationen hat die EU-Kommission angekündigt, mehr Informationen zum ACTA-Abkommen zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren soll sich das EU-Parlament zeitnah mit ACTA befassen. Jedenfalls tritt ACTA im EU-Raum erst in Kraft, wenn alle EU-Mitgliedstaaten ACTA unterzeichnet haben, das europäische Parlament zustimmt und eine positive Ratsentscheidung für ACTA gefällt wird.

Wir bedanken uns bei Ihnen, Herr Dr. Petri, für das aufschlussreiche Interview.

 

Das Interview führte Sebastian Mosig (Redaktion AGITANO).

 

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