Interview mit Jürgen Richter zu „Motivation im Recruiting“

Im Rahmen des 54. Roundtables bei MUK-IT wurden mit den Referenten zu ihren Themen Interviews geführt. Im zweiten Interview steht Jürgen Richter, geschäftsführender Gesellschafter der 3P Personalmanagement GmbH, Rede und Antwort. Das Interview wurde parallel als Video aufgezeichnet. Darüber hinaus steht auch sein Vortrag als Video zur Verfügung.

 

Schönen guten Tag Herr Jürgen Richter, Sie sind geschäftsführender Gesellschafter der 3P Personalmanagement GmbH. Wir haben gerade einen spannenden Vortrag zum Thema „Motivation im Recruiting“ von Ihnen gehört. Worin liegen die größten Schwächen von Unternehmen beim Rekrutieren und Einstellen neuer Mitarbeiter?

Ich würde hier zwei Punkte herausstellen. Punkt 1 ist, dass viele Unternehmen keinen sauber definierten Prozess im Recruiting neuer Mitarbeiter haben. Diese Schwäche kommt auch beim Kandidaten an. Punkt 2 ist, dass viele Unternehmen der Meinung sind, dass der Bewerber eine Art „Bittsteller“ ist, der sich um eine Anstellung bei einem Unternehmen bewirbt. Das ist aber heute im Markt definitiv nicht mehr so. Aus dieser Haltung heraus wird der Bewerber einfach falsch behandelt. Das heißt, sein Gesprächspartner sieht sich eigentlich eine Stufe über ihm. Bewerbergespräche müssen heute auf Augenhöhe stattfinden. Es muss eine Akzeptanz da sein, sonst können sie heute Leute nicht mehr motivieren. Wenn ich Leute nicht motivieren kann, bekomme ich keine guten Mitarbeiter mehr.

Welches sind die Punkte, die ein Bewerber bzw. ein Kandidat von Unternehmen erwartet, die ihn motivieren sollen, sich dort zu bewerben?

Es gibt zwei entscheidende Kriterien, die haben sich in den letzten Jahren auch geändert. Das Gehalt ist nicht mehr das Entscheidende. Es spielt natürlich eine Rolle und muss im richtigen Rahmen liegen.

Ganz wichtig ist heute der Stelleninhalt, die Aufgabe, die ich in einem Unternehmen auszuführen habe. Macht es mir Spaß? Passt sie zu meinen Neigungen und Stärken? Hier schauen die Leute sehr genau hin. Dies kombiniert mit dem Produktlösungsangebot des Unternehmens. Ist das etwas, was ich gerne am Markt vertrete? Egal in welcher Abteilung ich auch immer arbeite, gehe ich gerne an den Markt bzw. auch an meinen Freundeskreis und sage: Pass mal auf, dass ist das, was wir machen. Dies ist eine ganz tolle Geschichte! Das bringt Motivation! Das ist ganz wesentlich.

Der zweite Punkt ist die Unternehmenskultur. Die Leute schauen heute sehr genau hin, in welche Unternehmenskultur sie sich begeben. Man will heute keine komplexe, hierarchische Kultur mehr, wo sich Entscheidungen über Wochen hinziehen. Man sucht eine Kultur, die in der Lage ist, durch flache Hierarchien schnelle Entscheidungen zu treffen. Vor allem eine offene Kultur wird geschätzt. Bei uns wird viel darüber geredet, über die sog. „open door policy“. Meine Tür steht ständig offen. Dies hat mit Offenheit nichts zu tun. Offenheit hat damit zu tun, dass ich wirklich in der Lage bin, meine Meinung und Gedanken zu äußern, und nicht aus politischen Gründen einige Dinge nicht sage. Das ist das, was die Leute heute wollen: direkt, offen und natürlich Werte wie Kontinuität, Langfristigkeit, Loyalität. Über diese Themen wird zwar viel gesprochen, aber wenig Unternehmen leben dies überhaupt in der Realität.

Wir haben heute auch gehört, dass der Mensch häufig nur als Ressource angesehen wird. Ich kenne Unternehmen, da ist es Kultur, den Mitarbeiter als Ressource zu betrachten, und der Mitarbeiter weiß auch, dass er in drei Jahren verbrannt ist und das Unternehmen verlassen muss. Das sind sicherlich Unternehmen, die heute und zukünftig große Probleme am Markt haben (werden).


Es gibt Unternehmen, die schon im Bereich Recruiting sehr gut aufgestellt sind und Mitarbeitern etwas bieten können. Es ist trotz allem schwer, gute und geeignete Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Woran liegt das?

Es liegt in erster Linie daran, dass sie keinen guten Personalberater haben. Ein guter Personalberater ist entscheidend dafür, gute Leute zu bekommen. Hier muss man den Kandidaten verstehen, wenn ein Unternehmen direkt um einen Kandidaten wirbt, dann unterstellt man ihm sehr viel Subjektivität, was möglicherweise auch tatsächlich gegeben ist. Einem Personalberater unterstellt man sicherlich mehr Objektivität. Natürlich hat er auch eigene Interessen. Deswegen ist es beim Personalberater ganz wichtig, dass er eine gewisse Vita mitbringt, von dem die Leute sagen, der weiß, wovon er spricht. Er hat die Erfahrung und ihm vertraue ich durchaus. Das ist aber nur eine Facette.

Ganz wichtig ist, dass im Unternehmen ein klar definierter Recruiting-Prozess besteht, dass die Leute, die daran beteiligt sind, auch wissen, wer wann was wie zu tun hat und dass Inhalte definiert sind. Es muss ins Detail gehen. Dies passiert heute in den Unternehmen nicht. Man weiß zwar, wann wer was zu tun hat, aber es wird nicht detailliert über Inhalte gesprochen.

Zum Beispiel wenn ich ein Erstgespräch mit einem Kandidaten führe: Was ist die Zielsetzung dieses Gesprächs. Was will ich erreichen, welche Informationen will ich haben? Oft werden solche Gespräch ohne konkrete Vorstellung und Zielsetzung geführt. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Unternehmer in so ein Gespräch geht und den Kandidaten fragt, was ist ihre Zielsetzung für dieses Gespräch. Das sollte man eigentlich als selbstverständlich ansehen, einen Abgleich über die Ziele zu machen. Was sind ihre Ziele? Was sind meine Ziele? Wie gehen wir weiter vor? Das man klar sagt, das ist unsere Vorgehensweise! Das fehlt, hier ist Handlungsbedarf.

Es gibt gerade eine große Mode: Digital Employer Branding bzw. Employer Branding 2.0. Wie sehen Sie diesen Trend?

Dies wird zwar genutzt, aber ich glaube nicht, dass das heute besonders ausschlaggebend ist. Die Leute machen sich schon ganz gerne selber ihr Bild und schauen sich die Unternehmen sehr genau und detailliert an. Das wird zukünftig eine immer größere Rolle spielen. Ich glaube nicht, dass es heute schon eine große Rolle spielt.

Wo sollten Unternehmen den ersten Schritt ansetzen, damit sich die Motivation im Recruiting verbessert?

Ich glaube, dass die Unternehmen das Problem haben, dass man oft unternehmensblind ist und Scheuklappen auf hat. Ich kann Unternehmen nur empfehlen, sich einen Berater ins Haus zu holen, der diesen Prozess ganz detailliert durch geht. Zuerst aufnimmt, wie wird es heute gemacht. Den Prozess auch direkt begleitet. Anschließend sitzt man sich mit der Geschäftsführung und dem Management zusammen, bespricht, wo Verbesserungspotenziale sind und wie Gestaltungsoptionen aussehen. Meine Idee ist immer ein Service Level Agreement für diesen Prozess zu schließen, bei dem alle Leute wissen, was sie und wie sie es zu tun haben.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Das Interview mit Jürgen Richter führte Oliver Foitzik von FOMACO / AGITANO.

 

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