Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer

Soll ein schwerbehinderter Arbeitnehmer ordentlich gekündigt werden, so ist neben Fristeinhaltung und dem Vorliegen eines Kündigungsgrundes eine Besonderheit zu beachten.

§85 SGB IX ordnet an:

„Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes."

Das heißt: bevor die Kündigung wirksam ausgesprochen werden kann, bedarf es eines gesonderten Zustimmungsverfahrens vor dem Integrationsamt. Die Erteilung einer Zustimmung seitens des Integrationsamts ist damit der frühestmögliche Zeitpunkt für den Ausspruch der Kündigung.

Zustimmungsverfahren

Im Rahmen des Verfahrens hat das Integrationsamt gemäß § 87 Abs.2 SGB IX Stellungnahmen des Betriebs- bzw. Personalrats sowie die der Schwerbehindertenvertretung einzuholen. Dies geschieht üblicherweise durch Einräumung einer Frist, innerhalb der die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wird. Gehen die Stellungnahmen nicht ein, so läuft das Verfahren normal weiter, es besteht keine Pflicht des Integrationsamtes auf Stellungnahmen der o.g. Beteiligten zu drängen. Hinweis: Eine vom Arbeitgeber eingeholte und dem Antrag beigelegte Stellungnahme der Beteiligten kann das Verfahren beschleunigen.
Anders ist dies hingegen bei der Anhörung des schwerbehinderten Arbeitnehmers.

Diese hat gem. § 87 Abs.2 SGB IX zwingend zu erfolgen. Eine ohne Anhörung erteilte Zustimmung wäre fehlerhaft und könnte auch im späteren Verfahren nicht geheilt werden. Die Stellungnahme des Betroffenen kann schriftlich oder mündlich erfolgen und sich auch auf den Hinweis beschränken, dass er keine Angaben machen will.

Eine mündliche Verhandlung ist nicht zwingend, kann aber gemäß §88 Abs. 1 SGB IX angeordnet werden, soweit das Integrationsamt jene für erforderlich hält.

Entscheidung des Integrationsamts

Das Integrationsamt „soll" seine Entscheidung laut §88 Abs.1 SGB IX innerhalb eines Monats fällen. Da es sich um eine Soll-Vorschrift handelt, sind Überschreitungen dieser Frist möglich. Dennoch hat ein sachlicher Grund für eine unangemessene Überschreitung vorzuliegen. Anderenfalls wären Schadensersatzansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art.34 GG gegen das Amt denkbar.

Bei der Entscheidung selbst ist das Integrationsamt als staatliche Behörde an ein pflichtgemäßes Ermessen gebunden, bei dessen Ausübung alle für den Einzelfall relevanten Umstände zu berücksichtigen sind.

Für die Entscheidung aufgrund dieser Umstände gilt: § 85 SGB IX stärkt die Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers im Betrieb, aber eben nur insoweit, wie er aufgrund seiner Schwerbehinderung besonders schutzwürdig ist. Genau hier setzt auch der Prüfungsmaßstab des Integrationsamtes an.

Wird die beabsichtigte Kündigung aus betriebsbedingten Gründen erfolgen, so prüft das Integrationsamt z.B., warum gerade der Arbeitsplatz des Schwerbehinderten Menschen wegfallen soll, oder ob eine Umsetzung auf einen gleichwertigen freien Arbeitsplatz möglich ist.

Ebenso verhält es sich bei Kündigung aufgrund eines Fehlverhaltens. Der Sonderkündigungsschutz der §§ 85 ff SGB IX ist nicht dazu gedacht, das Fehlverhalten im Arbeitsverhältnis zu schützen. In solchen Fällen wird das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung erteilen, die weitere Prüfung obliegt dann ausschließlich den Arbeitsgerichten.

Unter Heranziehung dieser Erwägungen soll es einerseits gelingen behinderungsbedingte Nachteile Schwerbehinderter auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen und andererseits berechtigte Interessen des Arbeitnehmers zu wahren.

Erfolgt eine Kündigung ohne die Zustimmung des Integrationsamts, kann vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung ihrer Unwirksamkeit geklagt werden. Gegen die Entscheidung des Integrationsamtes können sowohl der Arbeitgeber als auch der schwerbehinderte Arbeitnehmer innerhalb der gesetzlichen Fristen Widerspruch einlegen.

Eine mit Zustimmung erfolgte Kündigung kann im weiteren Verlauf mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage angegriffen werden. In diesem Verfahren vor den Arbeitsgerichten ist die Kündigung dann auf rechtliche Fehler hin zu überprüfen.

 

Zur Autorin:

Rechtsanwältin Michaela Berger absolvierte ihr Studium der Rechtswissenschaften in Augsburg und ist seit 2009 Partner bei Röhl · Dehm & Partner Rechtsanwälte. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht, hier vor allem in der arbeitsrechtlichen Vertragsgestaltung, und im IT-Recht.

Sie ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft IT-Recht im Deutschen Anwaltverein.

 

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