Im Jahr 2011 gab der deutsche Durchschnittshaushalt 14,2 % seiner Gesamtausgaben für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren aus. Im Vergleich zu Entwicklungsländern ist das zwar ein geringer Anteil, aber auch in Deutschland gilt: Je geringer das Einkommen eines Haushaltes ist, desto größer ist in der Regel der Anteil, der für Grundbedürfnisse wie die Ernährung aufgewendet werden muss. Die Verbraucher reagieren daher auch hier empfindlich auf Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln.
Verbraucherpreise für Nahrungsmittel überdurchschnittlich gestiegen
Die Verbraucherpreise für Nahrungsmittel sind in Deutschland seit 2005 wesentlich stärker angestiegen als die Verbraucherpreise insgesamt. Vor allem bei Speisefetten und -ölen, und hier ganz besonders bei Butter und Margarine, lagen die Preise im Jahresdurchschnitt 2011 deutlich höher als 2005. Speisefette und -öle haben zwar nur einen sehr geringen Anteil an den gesamten Ausgaben deutscher Haushalte, jedoch verteuerten sich auch fast alle anderen Nahrungsmittel seit 2005 überdurchschnittlich. Bei Brot und Getreideerzeugnissen gab es in den Jahren 2007/2008 und seit Ende 2010 sogar regelrechte Preissprünge. Aber wie kommen die Preise, die wir für Nahrungsmittel zahlen müssen, eigentlich zustande und welchen Einfluss haben dabei internationale Entwicklungen?
Außenhandelsverflechtungen beeinflussen die Nahrungsmittelpreise
In Deutschland werden Nahrungsmittel sowohl in großem Umfang ausgeführt als auch eingeführt. Im Jahr 2011 exportierte Deutschland Güter der Ernährungswirtschaft im Wert von 58,6 Milliarden Euro und importierte solche Güter im Wert von 69,7 Milliarden Euro. Diese Güter machten 5,6 % der deutschen Exporte und knapp 8 % der deutschen Importe aus. Deutschlands wichtigste Handelspartner mit Nahrungsmitteln sind die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU): 77 % der ausgeführten Ernährungsgüter werden in EU-Länder exportiert und 67 % der eingeführten Ernährungsgüter stammen aus der EU. Die wichtigsten Länder, mit denen Deutschland Nahrungsmittel handelt, sind sowohl bei den Ausfuhren als auch bei den Einfuhren die Niederlande, Italien und Frankreich. Zu den wichtigsten Exportgütern der deutschen Ernährungswirtschaft gehören Fleisch und Fleischwaren sowie Milch bzw. Milcherzeugnisse. Bei den Einfuhren dominieren ebenfalls Fleisch und Fleischwaren sowie Kaffee und Fisch.
Durch den internationalen Handel beeinflussen Preisentwicklungen an den Weltmärkten die Nahrungsmittelpreise in Deutschland. Dabei verursacht nicht nur der Import Preisverflechtungen, sondern auch der Export. Da die deutschen Anbieter ihre Produkte sowohl im Inland als auch im Ausland verkaufen können, konkurriert die inländische Nachfrage mit der ausländischen Nachfrage, wodurch auch die Preise inländischer Produkte von den Weltmarktpreisen beeinflusst werden.
Weltmarktpreise unterliegen deutlichen Schwankungen
Die Nahrungsmittelpreise am Weltmarkt werden durch viele verschiedene Einflussfaktoren bestimmt: Die Zunahme der Weltbevölkerung verbunden mit dem steigenden wirtschaftlichen Wohlstand und entsprechenden Änderungen des Konsumverhaltens in Schwellenländern wie China oder Brasilien führte in den letzten Jahren dazu, dass die Nachfrage nach Nahrungsmitteln stärker angestiegen ist als das Angebot. Als weiterer Einflussfaktor gilt die Ausdehnung der Bioenergieproduktion, wodurch in großem Umfang landwirtschaftliche Flächen zum Anbau von Energiepflanzen verwendet werden. Auch angebotsbegrenzende Faktoren, wie zum Beispiel Fischfangquoten oder Ernteausfälle, führen zu Preissteigerungen bei den entsprechenden Nahrungsmitteln. Schwankende Erntemengen in wichtigen Anbauländern bewirken vor allem bei leeren Lagern oftmals auf kurze Sicht deutliche Preisausschläge. Zudem macht sich der Ölpreis über die Produktionskosten in der Landwirtschaft bemerkbar und auch die Wechselkurse wirken sich auf die Nahrungsmittelpreise aus. Nicht abschließend geklärt ist der quantitative Einfluss der Spekulation mit Nahrungsmittelrohstoffen auf deren Preisentwicklung.
Weiterverarbeitende Industrie und Handel mildern die Preisschwankungen
Die Einfuhrpreise für Nahrungsmittel insgesamt reagieren stark abgeschwächt und zeitlich verzögert auf die Entwicklungen der Preise für Nahrungsmittelrohstoffe am Weltmarkt, weil neben Rohstoffen auch weiterverarbeitete Produkte eingeführt werden.
Bevor die in Deutschland erzeugten oder importierten Nahrungsmittelrohstoffe zum Verbraucher gelangen, werden sie oftmals von Unternehmen des Ernährungsgewerbes verarbeitet. Durch die Weiterverarbeitung gewinnen stabilere Faktoren wie Lohn-, Betriebs- oder Verpackungskosten an Gewicht, sodass die Preise weiterverarbeiteter Nahrungsmittel weniger stark schwanken als die Preise für Nahrungsmittelrohstoffe. Zudem können die Unternehmen des Ernährungsgewerbes durch Effizienzsteigerungen in der Produktion sowie veränderte Produktzusammensetzungen Preisschübe bei Rohstoffen abfedern.
In der Regel gelangen die Nahrungsmittel im Anschluss über den Großhandel entweder in den deutschen Einzelhandel oder sie werden exportiert. Zwischen den Unternehmen des Ernährungsgewerbes und dem Nahrungsmittelhandel bestehen oftmals längere Vertragslaufzeiten. Änderungen der Rohstoffpreise werden daher in der Regel erst bei Neuabschluss der Verträge an den Nahrungsmittelhandel weitergegeben. Zudem nimmt durch die Kosten, die durch den Transport und den Weiterverkauf entstehen, der Anteil der Rohstoffkosten an den Gesamtkosten der Nahrungsmittel weiter ab. Die Preisimpulse der Weltmärkte kommen so über Einfuhr, Erzeugung und Handel bei den Verbrauchern an, wenn auch stark abgeschwächt und zeitlich verzögert.
Außerdem nutzt die EU im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte auch weiterhin Instrumente zur Marktstabilisierung beziehungsweise behält sich deren Einsatz vor. Bis auf wenige Ausnahmen sind seit 2007/2008 für die meisten Produkte die Weltmarktpreise jedoch so hoch, dass z. B. Exportsubventionen der EU immer weniger eingesetzt werden müssen. Auch die Interventionen für Butter und Getreide, wie sie in der Vergangenheit bei niedrigen Erzeugerpreisen eingesetzt worden sind, haben an Bedeutung verloren. Seit der Agrarreform von 2003 sind sie durch Direktzahlungen ersetzt worden, die sich auf die Flächen beziehen. Da diese Zahlungen nicht von den produzierten Mengen bestimmter Produkte abhängen, orientieren sich die Landwirte zunehmend an Marktpreisen, die letztendlich vom Weltmarkt mitbestimmt werden.
Agrarsektor und Ernährungsgewerbe sind nach wie vor bedeutsam
Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz würde die inländische Erzeugung von Nahrungsmitteln ausreichen, um etwa 90 % des gesamten Bedarfs an Nahrungsmitteln in Deutschland zu decken. Die eng miteinander verflochtenen Wirtschaftszweige „Land- und Forstwirtschaft, Fischerei“ und „Ernährungsgewerbe“ kamen im Jahr 2009 auf einen gemeinsamen Anteil von 2,6 % an der gesamten Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche Deutschlands. In absoluter Betrachtung waren dies immerhin 54 Milliarden Euro. Die Anteile der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei sowie der Nahrungsmittelindustrie an der Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche sind gegenüber 1995 zwar leicht gesunken, sind jetzt aber seit mehreren Jahren stabil.
Gemessen an der Zahl der Erwerbstätigen verliert der primäre Sektor an Bedeutung. Aber immer noch wird mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands für die Landwirtschaft genutzt. Die hohe inländische tierische und pflanzliche Produktion verhindert eine noch größere Abhängigkeit von den Weltmärkten.
Tabellen: Bruttowertschöpfung und Erwerbstätige in der Landwirtschaft und im Ernährungsgewerbe
(Autoren: Sabine Touil, Andreas Kuhn – Statistisches Bundesamt)
Weiterführende Informationen
Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte in der Studie „Die Hungermacher – wie Deutsche Bank, Goldman Sachs & Co. auf Kosten der Ärmsten mit Nahrungsmitteln spekulieren“ vom Oktober 2011 explizit die weltweit ausartende Spekulation mit Lebensmitteln und Rohstoffen. So waren im Zuge der Finanzkrise 2007/08 Milliarden an Geldern in Panik aus den Finanzmärkten abgeflossen. Als alternative Anlagemöglichkeit etablierte sich dann die Spekulation mit Rohstoffen und Lebensmitteln. Laut der DIHK hat allein die Rohstoffspekulation für die deutschen Unternehmen zu Mehrausgaben in Höhe von 30 Mrd. Euro im Jahr 2010 geführt – Geld, das den Verbrauchern und den Unternehmen über die Teuerungsrate entzogen wird und als erkleckliche und risikoarme Gewinne in den Taschen der Finanzjongleure landen. Während in den Industriestaaten "lediglich" die hart erarbeiteten Unternehmensgewinne und Lohnzuwächse umgeleitet und umverteilt werden, haben die ärmsten Länder keinen entsprechenden Puffer. Wer sich bislang knapp über Wasser halten konnte, kann mit einer Verdopplung der Nahrungsmittelpreise kaum mehr überleben. So kam es bereits im Rohstoffspekulationsjahr 2008 in über 30 der ärmsten Länder zu Hungerrevolten mit Dutzenden Toten, die für einen niedrigeren Brotpreis starben. Die Preise von 2008 wurden allerdings 2011 nochmals übertroffen: Der Rohstoffpreisindex des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) notierte für das Jahr 2011 ein Allzeithoch. Das HWWI begründete dies: „Durch die niedrigen Zinsen der Notenbanken, besonders der Fed, stand Anlegern und Hedgefonds viel Liquidität zur Verfügung, die zur Portfoliodiversifikation und Inflationsabsicherung in Rohstoffe investiert wurden.“ Im Ergebnis also wieder verunsicherte Finanzjongleure (statt Lehmann Brothers nun aber die Folge der Finanzkrise, die Staatsschuldenkrise), Märkte ohne Moral (in Deutschland werden nur 0,9% der Investitionen nachhaltig angelegt, In Belgien und Niederlande sind es über 30%) gepaart mit nach wie vor unregulierten, anarchischen Finanzmärkten.