NRW fordert von Bundesregierung Maßnahmen gegen Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung – Horrorzahlen

Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz in NRW teilt mit:

NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel hat mit Bestürzung auf die neuen Zahlen zum Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung reagiert. „Die Zahlen, die die Bundesregierung mit erheblicher Verzögerung nunmehr veröffentlicht hat, sind Horror-Zahlen und in diesem Ausmaß nicht erwartet worden“, sagte Remmel. „Ich bin zutiefst erschrocken. Erneut haben wir es schwarz auf weiß, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast die Regel ist.“ Die NRW-Landesregierung sieht sich daher in ihrer Politik zur Minimierung des Antibiotika-Einsatzes bestätigt und fordert von der Bundesregierung, endlich einen nationalen Aktionsplan mit konkreten Minimierungszielen vorzulegen.
Die Bundesregierung hat heute veröffentlicht, dass im vorigen Jahr 1734 Tonnen Wirkstoff eingesetzt wurden. „Die Zahlen der Bundesregierung sind alarmierend. Wir haben bereits im vergangenen Jahr durch die Antibiotika-Studie gezeigt, dass wir ein Problem mit dem massenhaften Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung haben“, sagte Minister Remmel. Die jetzt erhobenen Daten zeigen, dass die Bundesregierung mit ihrer bisherigen Schätzung völlig falsch lag und das Problem stark unterschätzt hat. Im September vergangenen Jahres veröffentlichte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage (17/6807) Schätzungen, dass im Jahr 2005 nur 784,5 Tonnen eingesetzt worden seien. Remmel: „Entweder hatte die Bundesregierung keine Ahnung vom tatsächlichen Ausmaß der verabreichten Antibiotikamengen oder die Steigerung in den letzten Jahren ist atemberaubend. Die jetzigen Daten widersprechen allen, die das Thema Antibiotika in der Tierhaltung relativieren wollen.“

Remmel: „Wir haben das Thema auf die Tagesordnung der Verbraucherschutzministerkonferenz in dieser Woche gebracht. NRW fordert erneut ein klares Reduktionsziel, Bundesministerin Aigner dagegen schiebt den Kampf gegen den Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung weiterhin auf die lange Bank. In ihrem Entwurf einer Novelle des Arz­neimittelgesetzes fehlt ein schlüssiger Reduktionsplan und ein klares Minimierungsziel. Wir fordern, in den nächsten zwei Jahren den Einsatz von Antibiotika um 50 Prozent zu reduzieren. Denn nur mit einer schnellen Reduzierung kann die Wirksamkeit der Antibiotika nicht nur bei den Tieren selbst, sondern auch beim Menschen künftig sichergestellt werden.“ Zudem fordert NRW eine bessere Transparenz bei der Abgabe von Antibiotika. „Es kann nicht sein, dass erst jetzt klar wird, wie viel Antibiotika im vergangenen Jahr eingesetzt wurden. Wir fordern, dass jede Behandlung sofort online erfasst und transparent wird. Nur so kann ein übermäßiger Einsatz zeitnah kontrolliert werden“, sagte Remmel.

Durch zwei Studien hat das NRW-Verbraucherschutzministerium belegt, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast inzwischen gängige Praxis ist, die antibiotikafreie Tiermast hingegen nur noch die Ausnahme: Im November 2011 wurde durch die NRW-Antibiotikastudie erstmals in der Bundesrepublik in einer umfassenden Erhebung ermittelt, dass neun von zehn Masthühnern während ihrer Mastdauer in Kontakt mit Antibiotika kamen. Im Juli 2012 ergab die NRW-Verschleppungsstudie, dass Mastgeflügel in NRW offenbar auch außerhalb von Therapiezeiten und teilweise ohne tierärztliche Verordnung in Kontakt mit Antibiotika gekommen ist: In 26 von 42 (rund 62 Prozent) überprüften Ställen wurden auffällige Rückstände antibiotisch wirksamer Substanzen im Tränkwasser ermittelt. „Wir müssen die Antibiotika-Ströme in der Tierhaltung endlich vollständig transparent machen. Und wir brauchen einen konkreten Fahrplan, wie wir Antibiotika grundsätzlich aus den Ställen verbannen können. Die Bundesregierung steht hier in der Pflicht, den Entwurf des Arzneimittelgesetzes nachzubessern“, forderte Remmel. „Ministerin Aigner muss ich entscheiden: Wenn Sie den Entwurf nicht nachbessert, ist das Gesetz nicht mehr als ein Placebo-Effekt und alles geht so weiter wie bisher.“

Weitere Informationen zu den beiden Studien finden Sie unter:

www.antibiotikastudie.nrw.de
www.verschleppungsstudie.nrw.de
„Remmel fordert nationalen Antibiotika-Aktionsplan“ (15.11.2011)

Weiterführende Informationen der AGITANO-Redaktion:

Deutschland ist einer der größten Fleischproduzenten der Welt. 2010 stieg die hergestellte Fleischmenge auf das Rekordniveau von 8,0 Millionen Tonnen (+3,9%). Der inländische Fleischkonsum ist dabei nahezu konstant auf gleichbleibenden Niveau, so dass rund 40% des Fleisches in den Export gehen. Die Effizienz der hiesigen Massentierhaltung und -tötung lässt dabei sogar den Export in Länder mit deutlich niedrigeren Lohnkosten wie Russland zu – allerdings hatte Russland im November 2011 den Import von deutschem Schweinefleisch untersagt, weil die Grenzwerte des Antibiotikaeinsatzes überschritten worden sind. 67,8% des in Deutschland produzierten Fleisches stammen von Schweinen, 17,2% von Geflügel und 14,87% von Rindern.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hatte die am 5. Juli 2012 im Kabinett beschlossene Novelle des Baugesetzbuches als völlig ungeeignet kritisiert, um den Wildwuchs von Massentierhaltungsanlagen in Deutschland zu stoppen: "Der Neubau von industriellen Mastanlagen wird so nicht eingedämmt, obwohl dies dringend geboten ist. Bereits heute produziert Deutschland mehr Fleisch als hierzulande konsumiert werden kann. Jede neue Mastanlage wird also ausschließlich für den Export gebaut. Während die Profite der Fleischindustrie wachsen, werden sich die Probleme für bäuerliche Betriebe, Umwelt und Anwohner weiter verschärfen."

 

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