NSU-Mordserie – Schnelle Aufklärung der Aktenvernichtung gefordert

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Der Untersuchungsausschuss, der Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu der inzwischen dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie durchleuchten soll, dringt auf eine schnelle Aufklärung der Affäre um die Vernichtung von Akten über die NSU-Zelle durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Das NSU-Trio soll verantwortlich sein für die Erschießung von neun türkisch- oder griechischstämmigen Unternehmern sowie einer Polizistin.

Verantwortlicher wird vorgeladen

Am Dienstag, 3. Juli 2012, beschloss das Gremium unter Vorsitz von Sebastian Edathy (SPD) überraschend, kurzfristig zur nächsten Sitzung des Untersuchungsausschusses am Donnerstag, 5. Juli 2012, jenen BfV-Referatsleiter beim BfV vorzuladen, der die Verschredderung der Unterlagen wenige Tage nach dem Auffliegen der NSU-Zelle im Herbst 2011 angeordnet hatte. Allerdings kann dieser Zeuge wegen des gegen ihn laufenden Disziplinarverfahrens die Aussage verweigern.

Der Referatsleiter soll am 5. Juli im Untersuchungsausschuss noch vor Heinz Fromm, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, befragt werden, der sich im Zuge der kritischen Debatte über die Rolle der Bundesbehörde bei den Ermittlungen zur Mordserie und über das Schreddern der Unterlagen von seinem Amt als Präsident des Inlandsgeheimdiensts zurückzieht.

Ausschuss wurde nicht umfassend informiert

Schon am Mittwoch, 4. Juli 2012, will der Ausschuss in der Berliner Außenstelle des BfV die noch existenten Akten zur "Operation Rennsteig" prüfen. Zwischen 1996 und 2003 hatten das Bundes- und das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz sowie der Militärische Abschirmdienst (MAD) im Umfeld des "Thüringer Heimatschutzes", bei dem das NSU-Trio bis zum Abtauchen 1998 mitgemischt hat, mehrere Spitzel im Einsatz.

Edathy zeigte sich "sehr verärgert", dass der Ausschuss bislang nicht umfassend über die "Operation Rennsteig" unterrichtet worden sei, "jetzt muss Klartext geredet werden". Grünen-Obmann Wolfgang Wieland monierte, dass die Gewinnung und Führung der V-Leute offenbar nur unvollständig dokumentiert worden seien, und fragte, ob auch versucht worden sei, im NSU-Umfeld Spitzel anzuwerben. SPD-Sprecherin Eva Högl bezeichnete die Aktenvernichtung als "unglaublichen Skandal", es müsse geklärt werden, ob es "Dusseligkeit" oder "Vorsatz" war.

"Was geschah noch?"

Aus Sicht von Clemens Binninger (CDU/CSU) ist dieser Vorgang geeignet, "das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden zu erschüttern". Der Unionsobmann warnte indes davor, nur Fromm zum "Sündenbock" zu machen. Für die FDP sagte Hartfrid Wolff, mit den Akten sei auch das "Vertrauen in den Aufklärungswillen des Verfassungsschutzes geschreddert worden". Petra Pau (Die Linke) meinte, die Vernichtung der Dokumente allein könne Fromms Rücktritt wohl nicht rechtfertigen: "Was geschah noch?"

Die Linken-Obfrau warf dem MAD vor, seine Akten zum NSU bisher nicht an den Ausschuss zu übermitteln, das sei ein "Skandal". Högl erklärte, Fromms Rückzug verdiene Respekt, der BfV-Präsident sei ein "engagierter Kämpfer gegen den Rechtsextremismus" gewesen. Wieland gab sich überzeugt, dass Fromms Abgang "nicht der letzte Rücktritt" sein werde, auch die "Staatssekretärs- und Ministerebene" könne noch betroffen sein.

Zeuge äußert rückblickend Unverständnis

Die Zeugenvernehmung am Dienstag steht im Zeichen von drei Attentaten in Nordrhein-Westfalen, für die der NSU verantwortlich gemacht wird. Auch auf mehrere Nachfragen aus den Reihen der Abgeordneten hin betonte Edgar Mittler, bei dem Kölner Sprengstoffanschlag vom Januar 2001 auf ein Lebensmittelgeschäft mit einer verletzten 19-jährigen Iranerin hätten keinerlei Hinweise auf ein rechtsextremes Motiv existiert. Auch der Staatsschutz haben keinen politischen Hintergrund gefunden, so der einst für die Aufklärung dieses Falls zuständige Polizist.

Ein Vergleich mit anderen Sprengstoffattentaten habe ebenfalls keine brauchbaren Spuren ergeben. Da alle Untersuchungen, so etwa im Blick auf Streit des Familienvaters mit einem Bauunternehmer oder auf den iranischen Geheimdienst erfolglos geblieben seien, habe man die Ermittlungen im Juni 2001 eingestellt. Mittler sagte, ihm sei damals nicht bekannt gewesen, dass nach der untergetauchten NSU-Zelle, bei der eine Bombenwerkstatt entdeckt worden war, bundesweit gesucht wurde. Der Zeuge äußerte rückblickend Unverständnis, warum er darüber nicht informiert worden sei.

Eine Analyse hätte zum NSU führen können

Mehrfach kritisierten Abgeordnete, dass nicht nachdrücklicher ein rechtsextremer Hintergrund als mögliches Motiv in Betracht gezogen worden sei. Binninger erklärte, eine gründlichere Sprengstoffanalyse bei diesem Fall wie vor allem beim Kölner Nagelbombenattentat vom Juni 2004 mit 22 Verletzten samt genauem Abgleich mit ähnlichen Vorfällen in entsprechenden Dateien hätte zum NSU führen können.

Nach Mittler wollte der Ausschuss bis zum Abend noch drei weitere Zeugen zum Nagelbombenanschlag und zur Ermordung eines türkischstämmigen Kioskbetreibers in Dortmund im April 2006 vernehmen.

Nächste Sitzung des Untersuchungsausschusses

Die nächste Sitzungen am Donnerstag, 5. Juli 2012, beginnt um 9 Uhr im Europasaal 4.900 im Paul-Löbe-Haus in Berlin. Unter den geladenen Zeugen ist Heinz Fromm, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Fromm hat am Montag, 2. Juli 2012, um seine Entlassung gebeten und wird zum Ende des Monats in den Ruhestand versetzt. Gehört wird an diesem Tag auch Wolfgang Cremer, der früher an der Spitze der Abteilung Rechtsextremismus in dieser Bundesbehörde stand. Befragt wird zudem Oberst H., der Chef der Abteilung Extremismus- und Terrorismusabwehr beim Militärischen Abschirmdienst (MAD).

(Quelle: Deutscher Bundestag)

 

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