Optimisten braucht das Land! – Oder: die Seherin und das böse Tier

… aus der wöchentlichen Business-Kolumne von Ulrich B Wagner mit dem Titel „Me, myself and I – eine Reise in sich hinein und über sich hinaus„.

Heute: Optimisten braucht das Land!
Oder: die Seherin und das böse Tier


Optimisten, Pessimisten – letztlich liegen beide falsch.
Aber der Optimist lebt glücklicher

Kofi Annan (*1938), Ex-UN-Generalsekretär, Quelle: FOCUS

Der Optimist erklärt, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben, und der Pessimist fürchtet, dass dies wahr ist.
James Branch Cabell (1879-1958), amerik. Autor

Die Gewohnheit ist ein Seil. Wir weben jeden Tag einen Faden,
und schließlich können wir es nicht mehr zerreißen.

Thomas Mann (1875-1955), dt. Schriftsteller und Nobelpreisträger für Literatur (1929)

Es wird böse enden! In der Orestie des Aischylos steht Kassandra unbeachtet von allen Anderen inmitten der Bühne, um dann, in einem plötzlichen Akt der Umnachtung, zusammenhangslos und abgehoben über Verflossenes und Zukünftiges zu konfabulieren, als hätte Apollon von ihrer Psyche Besitz ergriffen. Damit ruft sie beim Publikum in der Regel jene Scheu, jenes Grauen und Erbarmen hervor, wie dies Schizophrene tun, die oft eine tödliche Mischung tiefgreifender Erkenntnis gepaart mit totaler Hilflosigkeit ausstrahlen.

Sei’s drum. Die alte Seherin ist seit Ewigkeiten tot.

Wenn nicht…?!

Ja, wenn nicht das böse Tier in uns allen weiter schlummern würde und sich zudem noch zum Wappentier unserer ausgewiesenen Skeptiker-Nation aufgeschwungen hätte, die trotz vergleichsweise stabiler Ökonomie auf dem Glücksindex nur das untere Mittelfeld einnimmt.
Das ganze Leben ist ein Jammertal, trist, aussichtslos und vom Untergang geweiht. So könnte man meinen. Eine ganze Nation, jeder Einzelne sein eigener und perfekter Hohepriester des Pessimismus. Wir beten ihn an, diesen Dämon, der nicht hervorbringt, sondern nur verflucht. Er verbessert nicht die Situation, öffnet keine neuen Möglichkeiten, macht uns nicht glücklicher und gesünder, und doch können wir scheinbar einfach nicht davon lassen, uns täglich vollpumpen zulassen von Hiobsbotschaften, Schreckgespenstern, Tagesschaubildern und dem dämlichen Gefasel, dass alles immer schlimmer, herzloser, gemeiner und aussichtsloser wird, und wir somit folgerichtig immer mehr auf den Abgrund zusteuern.

Pessimisten sehen keine Chancen, sondern nur Risiken. Auf diesem Boden entsteht nicht das Neue, das vermeintlich Unmögliche, und glauben Sie mir, ich spreche an dieser Stelle nicht von einem rosaroten „Susi-Sorglos-Optimismus“, sondern schlicht und ergreifend von einer realistischen Zuversicht.

Die Geschichte lehrt uns, dass es uns (sic!) noch nie so gut ging wie heute. Pessimisten brauchen in der Regel Fakten. Also schauen Sie einmal genau hin: Wie sieht es aus mit Krankheiten, Lebenserwartung, Kindererziehung, Grundversorgung, Kommunikation, Presse- und Meinungsfreiheit, freier Liebe, Gesundheitsversorgung, Mode, Kunst, Technik, Bildungsmöglichkeiten

War früher wirklich alles besser? Einfacher, sozialer, ehrlicher, harmonischer, liebevoller, voller Herz und Nächstenliebe? Oder leiden wir vielleicht alle einfach nur an einer vorwärtsgerichteten Demenz, an einer Vergangenheitsbeschönigung oder einfach nur an mangelnder Kreativität, Mut und realistischer Zuversicht? Das Gras war immer schon grüner auf der anderen Seite des Gartens, das Leben rosiger und einfacher. Das heißt im Umkehrschluss mit Gewissheit nicht, dass alles, was gerade hier und jetzt passiert auf unserer Welt, gut ist.

Dass alles, was gerade hier und jetzt auf unserer Welt passiert, gut ist? Mit Sicherheit nicht!

Auch ich bin angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der damit verbunden Reaktionen, Antworten und Lösungsversuche häufig geneigt, Max Lieberman zu zitieren, der angesichts des aufkommenden Nationalsozialismus einmal sagte: Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte (Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte). Gottlob, wir leben nicht in den 1930er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Trotzdem ist das eine oder andere in unserer heutigen Welt auf seine Art und Weise beängstigend und bedarf daher mit Sicherheit der Korrektur und des Andersseins.

Doch nichtsdestotrotz werde ich nicht behaupten, dass es böse enden wird. Ich werde mir meine realistische Zuversicht, meinen Optimismus nicht verderben lassen von den Philip Röslers (sorry, mir viel gerade kein anderes … ein ) dieser Welt. Ich möchte und werde weiterhin den Spruch: „Am Ende wird alles gut, und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende“, der irgendwie nach Oscar Wilde klingt, und doch nur ein Filmzitat aus „Best Exotic Marigold Hotel“ ist, weiterhin tief in meinem Herzen tragen, denn das Leben ist am Ende doch einfach zu kurz, um als Pessimist durchs Leben zu laufen.

Ich zitiere daher auch sehr häufig am „Ende des Tages“ Georg Christoph Lichtenberg, der einmal den treffenden Satz zum Besten gab: „Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.

Also sei’s drum. Das Leben ist Veränderung, und manchmal bin ich schlicht und einfach geneigt, anzunehmen, dass dies unser ganzes Problem ist. Und ich glaube nicht, dass wir, wie ich neulich in einer Zeitschrift gelesen habe, genetisch darauf programmiert immer das Schlimmste zu erahnen und damit im Umkehrschluss zu unfreiwilligen, zwanghaften Pessimisten verurteilt sind. Nein!

Pessimismus ist schlicht eine sozial erlernte Gewohnheit. Mehr und weniger nicht.

Mehr oder weniger nicht?

Hier sind wir nun beim zweiten Problem, dem Klammern an Traditionen, Gewohnheiten und mehr oder weniger lieb gewonnenen Verhaltensmustern oder zwanghafter Automatismen: Die Zigarette danach, der Kuchen am Mittag, das eine oder andere (…) Bierchen oder Weinchen zum Feierabend. Ich denke, es fällt jedem genug zu diesem Thema ein, um dies hier ohne schlechtes Gewissen abkürzen zu können.

Gewohnheiten, Automatismen bestimmen unser Leben und dies ist in der Regel auch gut so. Alles, was Sie Multitasking nennen mögen, besteht ausschließlich aus solchen Automatismen, über ewige Zeit eingeschleifte Verhaltensmuster. Einmal trainiert, ruhen sie seelig in unseren Basalganglien, den dienstältesten Gehirnarealen (da endete in der Regel auch zumeist das Schlechte und/oder Überholte, man denke z.B. an Mammuts, Eiszeiten etc.), bis sie durch einen Auslöser ganz automatisch abgerufen werden. So bleibt uns genügend Kapazität für eine bewusste und wachere Aufmerksamkeit.

Wir wollen nicht jeden Tag aufs Neue Autofahren lernen, Kupplung, Schaltung, Blinker und Handy gleichzeitig zu bedienen lernen. Verdammt Nein! Es erspart uns eine Menge Zeit am Ende des Tages.

Und doch!?

Ja, und doch stellt sich die eine oder andere Gewohnheit am Ende des Tages eher als Last, Hemmschuh, Spaß- oder Lebenstöter und äußerst hartnäckiger Sparringspartner dar, wie wir alle mit Bestimmtheit wissen.

Gewohnheiten lassen sich niemals gänzlich ausmerzen, doch man kann sie überlisten, indem man sie durch neue ersetzt. Dies dauert mit Sicherheit seine Zeit und kostet anfänglich Mühe. Doch meist lohnt es sich. Denken Sie nur an … Ich für meine Fälle habe genug Beispiele. Ich denke Sie auch.

Mit dem Pessimismus ist es meines Erachtens nichts anderes. Jeder kann, wenn er nur will, am Ende optimistischer sein und mit mehr realistischer Zuversicht durchs Leben geben.

Ihr eigenes Leben wird es Ihnen danken und unsere Kinder, unsere Zukunft mit Sicherheit auch.

Optimismus ist Pflicht. Man muss sich auf die Dinge konzentrieren, die gemacht werden sollen und für die man verantwortlich ist, wie der österreichisch-britische Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Sir Karl Raimund Popper so treffend formulierte.

Deshalb lassen Sie uns realistisch sein und das Unmögliche wagen, um es mit Che Guevara zu beenden.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen Optimismus, realistische Zuversicht, Mut und Durchaltevermögen.

Herzlichst

Ihr Ulrich B Wagner

Zum Autor:

Ulrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main.

Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie.

Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Website www.ikcm.de, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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