… aus der wöchentlichen Business-Kolumne von Ulrich B Wagner mit dem Titel „Me, myself and I – eine Reise in sich hinein und über sich hinaus„.
Heute: Rauchen bis die Bude qualmt!
über die verlogene Jagd auf Raucher …
Ein leidenschaftlicher Raucher, der immer von der Gefahr des Rauchens
für die Gesundheit liest, hört in den meisten Fällen auf – zu lesen.
(Winston Churchill)
Raucherpausen kosten die Betriebe bares Geld und stören den Arbeitsablauf, zitiert die „Bild“-Zeitung Mario Ohoven, den Präsidenten des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW).
Auch der Bonner Unternehmerverband mittelständische Wirtschaft (UMW) stößt in das gleiche Horn. Extra-Pausen für Raucher müssen abgeschafft werden, sagte die Vorstandsvorsitzende Ursula Frerichs gegenüber der Rheinischen Post. Es kann nicht sein, dass Nichtraucher bestraft werden. Da Raucher oft zusammen stünden und dann mehrere Zigaretten rauchten, könne im Zweifel der gesamte Betrieb lahmgelegt werden.
Ich weiß nicht wirklich, was mich gerade mehr erzürnt, die Hetzjagd auf uns Raucher oder die ent(ver)ückte Argumentation der oben zitierten Herrschaften der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland. Haben wir denn keine anderen Probleme? Legen diese Rauchterroristen in der deutschen Wirtschaft tatsächlich ganze Betriebe lahm und sind dadurch vielleicht in Wirklichkeit die wahren Verursacher der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise?
Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob diese rheinischen Frohnaturen der mittel-ständischen Wirtschaft ihre Argumentation bis zu Ende durchdacht haben. Müssen wir Deutschen denn immer gleich den großen Bruder (Politik und Gesetzgeber) mobilisieren und, wie in diesem Fall, das generelle Rauchverbot am Arbeitsplatz bzw. während der Arbeitszeit gesetzlich einfordern? Ist nicht gerade die freie Innovation, das flexible Denken und Agieren, das gemeinschaftliche Aushandeln und die unternehmerische Freiheit das, was unsere mittelständische Wirtschaft ausmacht und sie unter anderem aus genau diesem Grund zum Garanten und treibenden Motor der deutschen Wirtschaft werden lässt?
Man kann künstlich Konflikte vom Zaun brechen und den betrieblichen Frieden nachhaltig stören, wenn man nur will. Reichen denn die bisherigen innerbetrieblichen Vereinbarungen wirklich nicht aus und wenn ja, sind sie dann nicht eher ein Zeichen unternehmerischen Versagens? Selbst bei OPEL in Bochum führt das Rauchen nicht dazu, dass die Bänder stillstehen. Stattdessen hat man schon vor langer Zeit mit der sogenannten Steinkühlerpause Mittel und Wege gefunden, sowohl den Interessen der Raucher als auch der Nichtraucher einvernehmlich und gleichzeitig im Sinne des betrieblichen Friedens und der Gleichbehandlung von beiden zu entsprechen.
Rauchen ist ohne Frage gesundheitsschädlich, wie – nebenbei bemerkt – viele andere Dinge auch. Und laut einer Studie der Uni Hamburg kosten die Raucherpausen und die damit verbundenen Arbeitsunterbrechungen die deutschen Betriebe rund 28 Mio. Euro pro Jahr. Aber hat irgendjemand da draußen dagegen auch einmal die Kosten berechnet, die in unserem heutigen Kommunikationszeitalter durch mehrfach verschickte Absicherungs- oder andere unsinnige und fadenscheinige E-Mails in deutschen Betrieben entstehen? Kosten, die durch ungeregelte Kommunikationsabläufe, dem Wunsch der Dauererreichbarkeit schuldend, zu nerv tötenden und produktivitätsstörenden Arbeitsunterbrechungen führen und so nicht nur der Effizienz in den Unternehmen abträglich sind, sondern aufgrund ihres Stresspotentials auch immer mehr zu krankheitsbedingten Ausfällen führen, von unsinnigen Meetingkulturen ganz zu schweigen.
Ich für meine Person rauche gerne von Zeit zu Zeit eine Zigarette und bewege mich dafür auch gerne auf den Balkon oder vor die Tür. Diese kleinen Unterbrechungen und Pausen führen oft auch zu neuen Ideen und Anregungen. Vielleicht ist dies nur dem kurzen Verlassen des angestammten Arbeitsplatzes, dem Orts- und Richtungswechsel geschuldet. Sei’s drum. Meiner Produktivität und Kreativität hat es auf jeden Fall nicht geschadet.
Als Helmut Schmidt seinerzeit bei Günter Jauch rauchte, war die Empörung der Gutmenschen der Nichtraucher Initiative Forum Rauchfrei groß, und sie erstattete Anzeige gegen die ARD. Dies veranlasste meinen Namensvetter Franz-Josef Wagner von der BILD zu einer seiner trefflichen Kolumnen, in der schrieb: Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist die Geschichte der Raucher, Kippensammler, Ludwig-Erhard-Zigarren, Herbert-Wehner-Pfeifen. Ich mag es, wenn Helmut Schmidt raucht. Es war eine bessere Zeit, als wir rauchten, Erhard seine Zigarre schmauchte, Herbert Wehner an seiner Pfeife zog, Willy Brandt sechs Zigaretten beim Frühstück rauchte.
Natürlich muss man, wenn man nur halbwegs bei Verstand ist, zugeben, dass sich vieles seit dieser Zeit verbessert hat, und keiner die Uhren der Zeit wirklich zurückdrehen möchte. Dennoch bleibt die Frage, ob bei allem Optimierungswahn und Gutmenschentum nicht doch das wichtigste verlorenging: Selbstironie und Leichtigkeit.
Ich gehe jetzt auf jeden Fall erst einmal eine rauchen, und falls ich doch einmal vom Rauchen die Nase voll habe, kann ich es mir ja dann immer noch überlegen, denn wie Mark Twain so trefflich bemerkte: Mit dem Rauchen aufzuhören ist kinderleicht. Ich habe es schon hundertmal geschafft.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen mehr Mut zu Selbstironie und Leichtigkeit.
Ihr Ulrich B Wagner
Zum Autor:
Ulrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main.
Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie.
Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.
Zu erreichen: via Website www.ikcm.de, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).