Roundtable zur Bedeutung von Social Media

Im Anschluss an das Netzwerktreffen von Transformation Consulting International (TCI) Ende Juli 2011 in Hamburg hat die TCI die Social Media Experten Siegfried Schallenmüller (SSC), Christian Keller (CKE) und Oliver Foitzik (OFO) zu einem Roundtable der besonderen Art geladen. Dabei wurden die Highlights des Plenum-Vortrages nochmals diskutiert und weitere spannende Einblicke in die Thematik gegeben.

TCI: Social Media bzw. Soziale Medien bezeichnet man laut Wikipedia digitale Medien und Technologien, die es Nutzern ermöglichen, sich untereinander auszutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu gestalten. Herr Schallenmüller, was ist für Sie Social Media?

SSC: Im Mittelpunkt von Sozialen Medien steht die Idee, dass Anwender (eigene) digitale Beiträge / Inhalte unkompliziert und einfach austauschen und Gruppen / Netzwerke bilden können, die sich über gemeinsame Themen / Interessen definieren. Dazu stellen Social Software Systeme ein breites Spektrum von Funktionen, wie Wikis, Blogs, Foren, Chat-Funktonen etc., zur Verfügung. Sicherlich sind Facebook oder Twitter die bekanntesten Vertreter von Social Media aus dem privaten und Marketingumfeld. In den letzten Jahren hat sich eine hohe Vielfalt auch von kommerziellen Softwareplattformen etabliert, die auf den Einsatz von Social Media in Unternehmen zielen, um Anwendungsfelder wie verteilte Teamarbeit und Wissensmanagement aber auch Partnerkommunikation zu unterstützen. Dabei ergänzt und konkurriert Social Media zugleich mit traditionellen Intranet- und Extranet-Plattformen im Unternehmen.

TCI: Herr Keller, Sie sind Experte für Wissensmanagement. Was bedeutet für Sie Social Media, gerade im Kontext Personal und Wissen?

CKE: Social Media hat aus drei Perspektiven heraus eine ganz entscheidende Bedeutung für das Wissensmanagement.

1. Social Media in Kontext der Organisationen und Unternehmen: Social Media bedeutet ein deutliches mehr an Transparenz und Kommunikation, worin ich einen Hauptbestandteil von Wissensmanagement sehe: „Wissen in Bewegung bringen!“

2. Social Media im Kontext von Wissensarbeitern und Individuen: Social Media ermöglich hier ganz neue Wege der individuellen Wissensorganisation. Beispiele sind Vernetzung (Xing, Facebook), Informationsversorgung (RSS-Feed , Foren, Blogs) und Tools (Delicious, Mister Wong).

3. Social Media im gesellschaftlichen Kontext: auch hier ist Transparenz eines der Schlüsselworte. Plattformen erlauben einen Zugriff auf nahezu unbegrenzte Wissensbestände.

Die große Herausforderung besteht einfach darin, „Medienkompetenz“ zu entwickeln: Professionell mit Medien umzugehen. Und hier stehen wir erst am Anfang, denn suchen, dokumentieren und kommunizieren können wir alle – die wenigsten machen dies jedoch professionell – ob im Unternehmen oder privat.

TCI: Herr Foitzik, Social Media ist aktuell in aller Munde. Wo sehen Sie zentrale Einsatzmöglichkeiten von Social Media in Unternehmen?

OFO: Meine Mitdiskutanten haben es ja bereits in ihren Aussagen angeschnitten. Wir müssen hierbei zwei zentrale Stoßrichtungen berücksichtigen: 1. zur externen Kommunikation mit Interessenten, Kunden, „Unternehmensfreunden“ und so weiter. 2. Die Nutzung von Social Media im Unternehmen selbst und natürlich unternehmensübergreifend, in Unternehmensnetzwerken, mit Partner, Lieferanten etc… Im 1. Punkt sehen wir klar den Einsatz in Richtung Marketing und Vertrieb. Darunter fallen Punkte wie Bekanntheitsgrad steigern, Reputation erhöhen, Kompetenz zeigen, Kunden akquirieren und binden, Produkte (weiter)entwickeln und vieles mehr.

TCI: Meinen Sie dabei die Nutzung von Facebook und Twitter?

OFO: Ja, wenn ich mich extern orientiere, spricht man nahezu ausschließlich von den großen Plattformen wie Facebook, Twitter, LinkedIn, neuerdings Google+ und in Deutschland von XING. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Plattformen natürlich ein wichtiger jedoch nur ein Teil der Social Media Welt sind. Wir haben Hunderte von unterschiedlichen Plattformen, die Unternehmen nutzen können und sollten, abgestimmt auf deren Bedürfnisse und Anforderungen. Und Unternehmen sollten sich wesentlich stärker auf den unternehmensinternen- und übergreifenden Kontext fokussieren, wo Social Media ungeahnte Möglichkeiten bietet und Synergien schafft. Dies spiegelt genau den 2. Punkt bei den Einsatzmöglichkeiten wieder.

 

TCI: Herr Keller, wo sehen Sie den Einsatz gerade im unternehmensinternen Kontext?

CKE: Die bestehenden Intranetlösungen wandeln sich zu Social Media-Plattformen. Dies führt zu den oben genannten Effekten: mehr an Transparenz und Kommunikation und ein deutliches mehr an explizitem (d.h. verschriftlichtem Wissen). Betrachtet man allein, was Wikis (zähle ich auch zu Social Media) in Unternehmen erreicht haben, ist dies schon unglaublich positiv. Unternehmen, die es verstanden haben, solche Instrumente sinnvoll einzusetzen, sind organisatorisch einfach deutlich besser aufgestellt.

TCI: In Ihrem Vortrag, Herr Schallenmüller, sprachen Sie von organisatorischen Veränderungen, u.a. durch Social Media. Welche Treiber sehen Sie hier?

SSC: Social Media stellen die Kommunikation des individuellen Anwenders in den Mittelpunkt. Das Potenzial von Social Media erschließt sich dabei durch Spontanität und Schnelligkeit. So werden Plattformen wie Twitter oder Yammer gerade deswegen intensiv genutzt, weil Sie schnelle, kurze Mitteilungen unterstützen. Für Unternehmen entsteht aus der internen Sicht die Herausforderung, dass Kommunikation über fachliche Inhalte und Kollegen von der traditionellen Hierarchie und kontrollierten Redaktionsprozessen eines Intranets entkoppelt wird. Netzwerke entstehen organisationsübergreifend und Meinungen und Stimmungen werden durch Anwender-Communities und individuelle Sichten der Mitglieder geprägt. Kurz: Sie geben jedem Mitarbeiter eine Chance direkt zu kommunizieren. Aus der externen Perspektive müssen Unternehmen gerade den spontanen Umgang mit Informationen und individuellen Meinungen einfangen und hierzu organisatorische Spielregeln über Umgang und Verhalten von Mitarbeitern in öffentlichen Sozialen Medien etablieren.

TCI: Welche Hauptfehler werden hierbei begangen?

SSC: Die Vielfalt der Anwendungsfelder von Social Media und die Unmittelbarkeit in der Wirkung (z.B. Stimmungsbildung über Produkte oder ganze Unternehmen via Facebook) überfordern immer noch viele Unternehmen in der Komplexität.

Sicherlich ist ein Hauptfehler, die Nutzung von Social Media nicht mit einer klaren strategischen Zielrichtung und Roadmap zu verbinden. Studien belegen, dass in 2010 noch über 50% der Unternehmen Social Media ohne klare Strategie nutzten, sondern einem „Me Too“ -Ansatz folgen. Ein weiterer Handlungsbereich ist die organisatorische Verankerung (Governance) von Social Media im Unternehmen. Hier wird häufig noch eine zu enge Sicht gewählt, die Social Media allein dem Marketingbereich oder der internen Kommunikation überlässt. Social Media sollten eine gemeinsame Initiative aus Unternehmensleitung, Marketing, IT und Stakeholdern aus dem Business sein.

Bei der Einführung und Nutzung können Social Media Policies und das Training der Mitarbeiter zu kurz kommen. Policies schaffen ein gemeinsames Verständnis und einen „code of conduct“, über das Ziel und den Umgang mit Social Media innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Training gleicht die großen Unterschiede in der Sozialisierung der Anwender mit Social Media über die Generationenvielfalt im Unternehmen aus.

TCI: Collaboration-Plattform werden bereits heute in unterschiedlicher Form in Unternehmen eingesetzt. Jedoch sieht man hier oft noch erhebliche Defizite, gerade im Einsatz und der effektiven Nutzung. Wo sehen Sie hier Verbesserungspotenzial?

CKE: Die Erwartungen an Collaborations-Plattformen sind in der Regel riesig – man erwartet damit vielfach eine Lösung von Problemen, die man in der „wirklichen Welt“ nicht in den Griff bekommen hat. Diese können die Abläufe, die Teamarbeit oder die Führung betreffen. Wenn man versteht, dass solche Plattformen sehr viel mit menschlichen Interaktionen und deren Hemmnisse zu tun haben, erkennt man auch die Potenziale. Insgesamt vermisse ich oftmals ein konsequentes unternehmerisches Handeln – nutze ich eine Plattform für die Projektarbeit, dann setze ich sie auch optimal ein und lasse keine Aktionen außerhalb zu, wie z.B. das Verschicken von Dokumenten per eMail etc.

 

TCI: Wo sehen Sie die großen Social Media Trends für die Zukunft?

OFO: Aus meiner Sicht haben wir einige zentrale Punkte, die sicherlich auch meine Mitdiskutanten sehen. Lassen Sie mich drei Trends aufgreifen:

1. Das Kundenmanagement wird komplett neu definiert werden müssen. Sie haben neue Schnittstellen, müssen anders und direkter kommunizierten als früher. Mit einem „socialized product development“ binden Sie den Kunden direkt in ihre Produktentwicklung mit ein. Hier wird der Kunde zum Gestalter, zum aktiven Produktmanager.

2. Das Thema Employer Branding in Kombination mit den Möglichkeiten des Web 2.0 ist in Zeiten des Kampfes um die Besten ganz entscheidend. Sie holen ihre zukünftigen Mitarbeiter, die Digital Natives, nicht mehr über die klassischen Medien mit Stellenanzeige ab. Hier müssen Unternehmen umdenken und sich neu aufstellen. Die Global Players sind hier sicherlich beispielhaft, die anderen müssen nachziehen.

Und 3. müssen Unternehmen Social Media in ihre Strukturen und Prozesse integrieren, damit es zur richtigen Entfaltung kommen kann. Die Art zu Arbeiten und zu Leben wird neu definiert.

TCI: Sehen Sie dies auch so, Herr Schallenmüller?

SSC: Ja, das sind die großen Bereiche. Im Umfeld Kundenmanagement werden wir in Zukunft immer mehr Crowdsourcing-Anwendungen finden, die Arbeitslast (z.B. Supportfragen) auf die Kundencommunity verlagern und dafür neue Anreizmodelle bieten. Neu wird dabei die enge Integration in die bestehenden Prozesse sein. Social Customer Care, also Social Media als Customer Touch Point für Sales und Service, integriert in eine Customer Care Landschaft ist hier das Stichwort.

Das Anwendungsfeld Collaboration wird in der unternehmensinternen Nutzung durch Social Media Plattformen und die Integration von Echtzeitkommunikation bereichert werden. Hier zeigen heute bereits Ansätze wie Cisco Quad oder auch Microsoft Sharepoint 2010, wie Social Media Funktionen mit Ablage- und Kommunikationsfunktionen, hoch integriert, globale Zusammenarbeit unterstützen.

TCI: Herr Keller, als HR- und KM-affiner Berater, wo würden Sie die Zukunftstrends im Social Media Bereich sein?

CKE: Social Media ist integraler Bestandteil einer jeden internen IT-Infrastruktur. Die Organisationen haben gelernt, die Möglichkeiten dieser Instrumente für sich sinnvoll einzusetzen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels werden Themen wie Social Media in der Mitarbeitergewinnung eine sehr große Rolle spielen.

TCI: Meine abschließende Frage an Sie alle: Was fasziniert Sie an dem Phänomen „Social Media“?

SSC: Zwei Aspekte sind hier für mich spannend: Die Balance zwischen Chaos und Kontrolle im Umgang mit Social Media und der Transformationsprozess, der durch die Veränderung von Arbeitsweisen in einer Multi-Generationen-Community in den Unternehmen aber auch im privaten Bereich stattfindet.

CKE: Transparenz! Ich sehe viel, was mir sonst verborgen bliebe.

OFO: Social Media bietet ungeahnte Möglichkeiten. Jeder kann zum aktiven Gestalter und „Produzenten“ werden, sich mit jedem austauschen, diskutieren und dies vollkommen unabhängig von seinem gesellschaftlichen Status und seiner Rolle. Darüber hinaus sehen wir gesellschaftlich große Veränderungen, die durch Social Media ermöglicht und beschleunigt wurden, gerade in Nordafrika. Social Media ist ein Teil unseres Lebens, ob beruflich und privat. Man muss die Chancen nutzen und die Risiken im Auge behalten bzw. minimieren, um das Beste für sich und seine Umwelt zu machen. Wir leben in einer spannenden Zeit, die man aktiv mit gestalten kann und muss.

TCI: Vielen Dank für das interessante Gespräch.

 

Kennen Sie schon die Leinwände von Inspiring Art?