Russisch-ukrainischer Gaskrieg vor Neuauflage

Russland und die Ukraine sind in Gasfragen von einander abhängig: Rund 80% des russischen Gases für Europa fließen durch die Pipelines in der Ukraine (siehe Grafik). Daher konnte die Ukraine in den bisherigen Streitigkeiten umden  Preis für das für den Eigenbedarf importierten russischen Gases stets einen günstigeren Preis aushandeln als der Weltmarktpreis an den Spotmärkten (im ersten Quartal 2011 hatte die Ukraine noch 264,3 Dollar je tausend Kubikmeter Gas bezahlt, im zweiten Quartal stieg der Preis auf 295,6 Dollar). Russland seinerseits baut mit der Nordstream, der Southstream und der Bluestream Umgehungspipelines, um seine Abhängigkeit von der Ukraine zu verringern (Europa wiederum will seinerseits seine strategische Abhängigkeit von Russland mit überteuerten Pipelineprojekten wie Nabucco reduzieren). Vor diesem Hintergrund kam es in den letzten Jahren zwischen den beiden osteuropäischen Ländern regelmäßig zu einem „Gaspreiskrieg“, in dessen Zuge Russland mehrfach die Lieferungen über die Ukraine ausgesetzt hatte, meist im Winter – zum Leidwesen der Endabnehmer in Europa (eindrucksvoll nachvollziehbar an einer Interpellation im Schweizer Parlament, Titel: „Gaskrieg zwischen der Ukraine und Russland. Folgerungen der Schweiz“).

Die finanziell angeschlagene Regierung in Kiew versucht seit Monaten ein weiteres Ansteigen des Gaspreises zu verhindern. Allerdings mit schlechteren Karten als das mächtige China: Mit China hat Russland ebenfalls Differenzen über den Gaspreis. Peking fordert ebenfalls niedrigere Preise. So hat China im März 2011 rund 250 Millionen Dollar weniger für das erhaltene Gas bezahlt als vereinbart. Über den Vertragsverstoß hätte am 24. Mai im sibirischen Irkutsk verhandelt werden sollen – die chinesische Seite ist allerdings gar nicht erst erschienen. Auch für das jüngst geplante Gasabkommen zwischen China und Russland über eine jährliche Lieferung von 68 Milliarden Kubikmeter Gas über 30 Jahre hinweg ist noch keine Einigung über den Gaspreis erzielt worden. Peking weigert sich, mehr als 160 bis 170 Dollar pro 1.000 Kubikmeter Gas zu bezahlen. Da sie das Gas in Zentralasien nach eigenem Bekunden für 165 bis 190 Dollar kaufen, wollen sie für den russischen Brennstoff nicht mehr bezahlen. Der Durchschnittspreis für russisches Gas in Westeuropa lag im ersten Halbjahr 2011 bei 353 Dollar pro 1.000 Kubikmeter.

Nun geht der Gaspreiskrieg zwischen der Ukraine und Russland in eine neue Runde: Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch fordert, dass Russland und die Ukraine einen Kompromiss finden und den Gaspreis ohne die Einmischung eines Gerichtes revidieren müssten. Hintergrund ist diesmal die Inhaftierung der ehemaligen Regierungschefin Julia Timoschenko („orangene Revolution“), die derzeit in der Ukraine angeklagt ist, unter anderem in ihrer Amtszeit 2009 den Gasvertrag mit Russland zu Ungunsten ihres Landes ausgehandelt zu haben. Die Ukraine will diesen Vertrag daher gerichtlich kündigen lassen. Russland verlangt darin von der Ukraine den Weltmarktpreis, wie von der Ukraine im dritten Quartal somit auch zu bezahlen wäre, die Ukraine will aber maximal 200 Dollar pro 1.000 Kubikmeter zahlen. Laut dem Chef des staatlichen russischen Gasmonopolisten Gazprom sei dieser Preis aber nur denkbar, wenn die Ukraine einer Fusion des Gasgiganten Gazprom mit dem staatlichen ukrainischen Gasunternehmen Naftogas zustimmt. Eine schnelle Einigung ist somit vorerst nicht absehbar. Zumindest beginnt der Streit diesmal im Sommer und nicht am Anfang des Winters.
 

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