Im Feststofflager des Kernkraftwerks Brunsbüttel (KKB) sind korrodierende Stahlblechfässer entdeckt worden. In den in unterirdischen Kavernen gelagerten rund 500 Fässern befinden sich schwach- und mittelradioaktive Abfälle aus dem Reaktorbetrieb (Filterharze, Verdampferkonzentrate). Diese Abfälle werden zur Zeit auf die Endlagerung im Schacht Konrad vorbereitet und dafür in Gusscontainer umgefüllt. Am 10. Januar 2012 wurden vom TÜV Nord im Rahmen regelmäßiger Kontrollen bei einem bereits entleerten Fass sehr starke Korrosion und eine Zerstörung des Fassmantels festgestellt. Der Fassinhalt war zuvor ordnungsgemäß in der hierfür vorgesehenen Umsauganlage aufgefangen worden. Auf Drängen der Aufsichtsbehörde hat die Betreiberin inzwischen zahlreiche Stellungnahmen zum Vorgang abgegeben.
"Wichtig ist zunächst, dass keine unzulässige Radioaktivität freigesetzt wurde und keine Gefahr für Mitarbeiter und Anwohner besteht", erklärte der für die Atomaufsicht zuständige Minister Emil Schmalfuß heute (7. März). "Nach sorgfältiger Auswertung aller bisher vorliegenden Informationen haben wir aber festgestellt, dass weitere Fässer zum Teil erhebliche Korrosionserscheinungen aufweisen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Handhabungen (Anheben, Verfahren, Umsetzen, Absetzen) solcher Fässer radioaktive Stoffe freigesetzt werden. Deshalb haben wir umgehend die Betreiberin schriftlich aufgefordert:
die Kavernen wieder mit Betonriegeln abzudecken und alle Arbeiten an den Kavernen vorläufig abzuschließen,
Aerosol-Messstellen zu installieren, um die an den Kavernen und am dortigen Abwassersumpf evtl. auftretende Radioaktivität zu überwachen,
die Konstruktion und den Zustand der Kavernen unter Beteiligung der Obersten Bauaufsichtsbehörde zu bewerten,
ein Konzept zur Handhabung korrosionsgeschädigter Fässer einschließlich der Umrüstung von Greifer und Umsauganlage vorzulegen,
das Umsaugen von getrockneten Filterharzen erst nach Umrüstung der Umsauganlage und Einsatz des neuen Fassgreifers sowie Zustimmung der Atomaufsicht fortzusetzen."
"Wir erwarten von Vattenfall zudem, sich zur unterbliebenen Meldung dieses Vorfalls zu äußern", so Schmalfuß weiter. "Obwohl die Zerstörung des Fasses von der Betreibergesellschaft (laut derer Unterlagen) bereits am 15. Dezember 2011 festgestellt wurde, sind wir darüber nicht informiert worden – da es sich nach Ansicht der Betreiberin nicht um ein meldepflichtiges Ereignis handele. Das mag nach den Paragraphen des Atomgesetzes vielleicht sogar richtig sein, ich halte es aber angesichts der Bedeutung des Vorfalls für zwingend erforderlich, dass die Atomaufsichtsbehörde darüber umgehend informiert wird. Zumal Vattenfall nach den Erfahrungen der Vergangenheit eine verbesserte Kommunikation auch verbindlich zugesagt hatte", betonte Schmalfuß.
Die Atomaufsicht hat darüber hinaus eine Überprüfung der Lagereinrichtungen für radioaktive Abfälle in den anderen Kernkraftwerken in Schleswig-Holstein und dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht (vormals GKSS) eingeleitet. Abschließende Ergebnisse dieser Überprüfung liegen noch nicht vor.
"Wir haben außerdem das Bundesumweltministerium über den Sachverhalt informiert", sagte Schmalfuß. "Ich denke, es sollten bundesweit in allen KKW diese Lagerstätten überprüft werden. Viele der Fässer wurden in einer Zeit eingelagert, als noch niemand damit rechnete, dass der Atommüll für Jahrzehnte an den Anlagenstandorten verbleiben müsste, weil auch dafür ein Endlager immer noch nicht verfügbar ist. Der Bund muss deshalb jetzt bei der aktuell anstehenden Novellierung des Kerntechnischen Regelwerkes präzisierte und strengere Sicherheitskriterien entwickeln, auch für die vorübergehende Lagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle an den Kraftwerksstandorten. Solche Kriterien sind erforderlich, damit eine Landesatomaufsicht belastbare Anordnungen treffen kann."