SGL Carbon betont seine Unabhängigkeit von Klatten und BMW

Der einzige europäische Karbonfaserspezialist SGL Carbon stellt den Leichtbauwerkstoff der Zukunft für die Automobilindustrie her. Entsprechend begehrt ist das Unternehmen bei den deutschen Autoschmieden. BMW und dessen Großaktionärin Susanne Klatten (Quandt-Erbin) halten zusammen 44% an dem Leichtbau-Spezialisten. Im Februar 2011 war überraschend auch VW mit rund 10% eingestiegen. Nun ist SGL Carbon Gerüchten entgegengetreten, die eine vollständige Übernahme durch BMW befürchten: Der Karbonspezialist sieht im Gegenteil seine Unabhängigkeit sogar noch gestärkt: Susanne Klatten, die 29% der Anteile hält, interessiere sich für die gesamte Vielfalt der von SGL hergestellten Werkstoffe, während VW und BMW vor allem auf die Karbonfaser-Technologie wert legen. „Damit sehen wir unsere Unabhängigkeit eher gestärkt“, so SGL-Chef Muth.

Der Karbonspezialist blickt auch optimistisch ins Jahr 2012. Die Haupterzeugnisse seien von der Konjunktur unabhängig. Dies treffe vor allem auf den Bereich Leichtbau, sowie die Erneuerbaren Energien zu. Karbon, das stabiler als Stahl und zugleich leichter als Aluminium ist, wird auch für die Rotoren der Windenergieanlagen benötigt, die ein essentieller Bestandteil der regenerativen Energiewende darstellen. Entsprechend gut hat sich auch die im Nebenwerteindex MDax notierte SGL-Aktie im Jahresverlauf entwickelt: Sie stieg von 27 Euro im Januar auf derzeit 45 Euro an.

Die Karbonfasern erlauben pro Fahrzeug eine Gewichtsersparnis von rund 250 Kilogramm, was sich auch im Verbrauch und damit in der Reichweite der Autos niederschlägt – zentrale Stellgrößen für die Elektromobilität. Der Werkstoff, der bislang neben der Windindustrie vor allem in der Luft- und Raumfahrt, aber auch bereits bei teuren Premiummodellen der Autoindustrie eingesetzt wird, muss gegenwärtig noch arbeitsintensiv größtenteils per Manufaktur hergestellt werden. Dies soll in dem derzeit im entstehen begriffenen Mammutprojekt des AUGSBURG Innovationsparks geändert werden. Forschungsinstitute der Fraunhofer-Gruppe und des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt sollen in Verbindung mit den Hochschulen und der Wirtschaft (allen voran SGL Carbon und der Automatisierungsspezialist KUKA) automatisierte Prozesse für die Karbonfaserherstellung, entsprechende Recyclingmethoden und weitere mechatronische Anwendungen entwickeln. Die Investitionskosten in den zukunftsweisenden „Sciencepark“, der sich zu einem „Carbon Valley im Lechtal“ weiter entwickeln soll, betragen rund 500 Millionen Euro. (Link zu dem AGITANO-Fokusthema „AUGSBURG Innovationspark“, mit zahlreichen Interviews und Hintergrundartikeln.)

Den Werkstoff lassen BMW und SGL neuerdings auch am anderen Ende der Welt herstellen: Im September hatten die SGL Group und BMW eine gemeinsame Fabrik für die begehrten Kohlefaserverbundwerkstoffe im nordwestlichen US-Bundesstaat Washington in Betrieb genommen. Die Standortwahl sei dabei vor allem wegen der im US-Nordwesten reichlich und kostengünstig vorhandenen Wasserkraft gefällt worden, vermutlich spielen aber auch günstige Wechselkurseffekte und Subventionen eine Rolle. In den zwei Produktionslinien vor Ort sollen jährlich 3.000 Tonnen des Werkstoffs hergestellt werden, die dann am zweiten Standort des Joint Ventures im oberpfälzischen Wackersdorf weiterverarbeitet werden, bevor dann bei BMW in Landshut daraus Bauteile für die Autos gefertigt werden (vor allem für die Elektroautos BMW i3 und i8 ab 2013), die dann schließlich in Leipzig endmontiert werden.

 

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