Teil 2 des Fachinterviews mit A. Geißenberger über die digitale Welt

Fachinterview mit dem Online-Marketing- und SEO-Experten Alexander Geißenberger über die digitale Welt, Web 2.0 und Social Media. Im zweiten Teil des Interviews werden die Themen Werbung & Marketing in sozialen Netzwerken, das kostenfreie Web, digitale Revolution und der Umgang mit dem Netz behandelt.

AGITANO: Bleiben wir noch kurz bei dem Thema Werbung und Marketing in sozialen Netzwerken und deren Wirksamkeit. Dies wird ja gerade auch vor dem Hintergrund der ungeheuren Bedeutung von Facebook heiß diskutiert. Wohin geht hier die Reise und worin liegen die Hindernisse?

Aktuell sehe ich da eher weniger Hindernisse. Anderseits sehe ich eine gewisse Gefahr in Netzwerken, wie sie beispielsweise eine Fusion aus Facebook und Google darstellen würden, weil hier extrem viele Daten zentral verwaltet werden würden, die mir heute die Kommunikation ermöglichen. Und auf deren Daten sich auch extrem viele User stützen wollen und auch hauptsächlich diese Kommunikationswege nutzen. Das heißt nun auf der anderen Seite, wenn Facebook oder Google diese Kommunikation unterbinden wollen würde, oder müsste, könnte das Unternehmen diese Kommunikationswege einfach kappen. Das absolut Positive ist aber, dass ich durch diese Netzwerke ein Vielzahl an meinungskonkruenter Nutzer oder Themen, die mich interessieren, erreichen und problemlos mit ihnen in Kontakt treten kann. Ich kann Gruppen aufbauen, Adressen austauschen, Chatten, Netzwerke erstellen und auf über 600 Millionen Nutzer mittels Such- und Filterfunktionen zurückgreifen und das für meine Zwecke nutzen. Und dadurch werden auch die Informationswege immer kürzer und man kann immer schneller mit einander in Kontakt treten.

AGITANO: Nun ist es ja auch so, dass es für manche Unternehmen ausgesprochen interessant ist, dass sich diese Heerscharen auf Facebook tummeln, für andere sind diese eher irrelevant. Kann man da sagen, inwieweit ich als Unternehmen auf Facebook präsent und auch für mich werben muss?

Das ist natürlich absolut produkt- und zielgruppenabhängig. Für eine gewisse Dienstleistung, die nur in einem eng begrenzten geographischen Rahmen ausgeübt werden kann, beispielsweise Friseure oder ähnliches, bietet Facebook sehr gute Maßnahmen, eine relevante Zielgruppe zu erreichen, zum Beispiel mit Anzeigen. Ich kann also genau definieren, dass ich User im Umkreis von 30, 40, 50 km und im Alter zwischen 30 und 60, eventuell sogar mit einem gewissen Interessensgebiet, mit meinen Anzeigen erreichen will. Ich habe sogar als kleines lokales Unternehmen einen Vorteil. Man kann diese Strategie allerdings auch auf größere Unternehmen übertragen. Zudem hat man noch ein gutes Analysesystem dahinter, so dass man genau sehen kann, was einem diese Werbung gebracht hat, in Form von dem Gefällt-mir-Button, Kommentare, Rezensionen und so weiter. Auf der anderen Seite macht es für jedes Unternehmen Sinn, eine Fanpage bereitzustellen, einfach nur aus dem Grund, dass wenn User mit ihm in Kontakt treten wollen, die Möglichkeit auch dazu besteht. Zudem umgeht man die Gefahr, die User selbst eine Unternehmens-Fanpage eröffnen und man dann selbst gar keine Einflussnahmemöglichkeiten mehr hat. Das kann aber auch positiv sein, wie bei Carrera-Rennbahnen. Da wurden bis vor einem Jahr alle Fanpages von echten Fans eröffnet und betreut. Es kann aber auch negativ sein, wie im Fall von Heinz-Ketchup, wo dann viele negative Meldungen und Reputation über solche Fanpages
veröffentlicht wurden.

AGITANO: Ihre Empfehlung ist also, möglichst über alle Kanäle präsent zu sein?

Wenn dazu personell die Möglichkeit besteht, dann empfehle ich das auf jeden Fall. Allerdings macht es keinen Sinn, eine Unternehmensfanseite zu eröffnen und dann Stiefmütterlich zu behandeln, also mit Kommentaren vollmüllen zu lassen, die dann von keinem bearbeitet werden.

AGITANO: Wir haben ja auch hier in Deutschland das Phänomen, dass die User im Internet nicht bezahlen bzw. alles kostenfrei nutzen wollen. Was meinen Sie, muss hier nicht ein Wandel in den Köpfen der User stattfinden, dass wenn ich Qualität haben will, auch etwas dafür bezahlen muss?

Ich denke nicht, das Qualität grundsätzlich was kosten muss. Das Problem ist auch nicht, dass die User nicht bezahlen wollen, sie wollen nur nicht für jeden kleinen Schnippser im Internet bezahlen. Es gibt zum Beispiel im SEO-Bereich (Suchmaschinenoptimierung) tausende von Bloggs, die extrem gute, kostenlose Artikel veröffentlichen. Hier arbeitet also die Community für die Community. Und es ist auch so, dass die User für den Zugang oder die Daten im Internet ja nicht bezahlen würden, das Geld erreicht nur meistens nicht die richtigen Leute. Wir bezahlen ja zum Beispiel mit unseren monatlichen Telekom oder 1und1 Gebühren auch unseren Internetanschluss. Hier müsste ein gewisser Teil des Geldes für Blogger, Journalisten, Redakteure und Portale bereitgestellt werden. Das Beste wäre eine Art Kultur-Flatrate ähnlich der GEZ, die dann das Geld gerecht verteilt. Die Verteilung ist allerdings natürlich nicht ganz einfach. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Dienst wie beispielsweise Flatter. Damit kann ich Budget von, mal angenommen 10 Euro im Monat festlegen und dies dann durch Klicks auf bestimmte Homepages, die mir gefallen, verteilen. Und das immer zu gleichen Teilen. Das heißt, wenn ich zehnmal im Monat Klicke, bekommt jeder ein Zehntel der Summe.

 

AGITANO: Noch eine Frage zu der globalen Sicht der neuen Medien. Wir haben die Kraft der neuen Medien ja gerade in den letzten Monaten besonders auch in den Revolutionen in Nordafrika gesehen. Was für Folgen kann die digitale Revolution nun für unser Gesellschaftssystem haben?

Für unsere Gesellschaft hat Social Media meiner Meinung nach nur einen negativen Einfluss: Das ist so eine Art Social Media Sucht. Dadurch, dass wir ständig die Möglichkeit haben zu wissen, was unsere Freunde und Bekannte tun, was ihnen gefällt oder wo sie gerade unterwegs sind, habe ich so eine Art Live-Reality-Show in Bild und Text. Und vor allem die internetaffinen Jugendlichen neigen dazu, diese Netzwerke extrem zu nutzen. Das heißt jetzt nicht nur, eigene Inhalte zu publizieren und an der Gesellschaft zu partizipieren, sondern einer Art Sucht zu verfallen, sprich schlechte Gefühle zu bekommen, wenn man gerade mal nicht weiß, was gerade passiert und wer was macht. Dadurch wird das reale physikalische Leben in diese Netzwerke verlagert. Das wird durch den Ausbau des mobilen Internets noch verstärkt. Man muss also lernen, mit dieser Datenflut umzugehen und zu filtern. Ansonsten wird der Mehrwert eines solchen sozialen Netzwerkes auf Dauer wohl eher gemindert, bzw. es entwickelt sich ein negativer Einfluss. Das sollte meiner Meinung nach aber auch beispielsweise in Schulfächern und Seitens der Eltern behandelt werden.

AGITANO: Früher waren die Antwortzeiten auf eine Nachricht drei bis vier Tage. Heute wunder ich mich schon, wenn eine Email nicht nach einem halben Tag beantwortet wurde. Haben wir nicht auch eine komplett veränderte Art der Kommunikation?

Wir haben hier definitiv einen ganz extremen Paradigmenwechsel. Auf dem postalischen Weg hatte man früher sehr viel mehr Zeit, sich eine Antwort zu überlegen oder ähnliches. Sprich, die komplette Kommunikation war um einiges langsamer. Wir befinden uns jetzt in einer Art Übergangsgeneration. Wir kommen aus dieser langsameren und weniger informativen Zeit und fliegen jetzt in eine Flut an ungefilterten Informationen, die mich sekündlich zu allen Themengebieten erreichen kann. Dadurch werde ich, verstärkt durch das mobile Internet, quasi andauernd und von überall mit Informationen beschossen. Und wir müssen lernen, diese Informationen für uns nach der Relevanz zu filtern, zu kategorisieren und zu bewerten. Auch, was, wann und wie viel ich lesen muss. Ich denke aber, dass die neue Generation, die hiermit aufwächst, damit auch besser umgehen wird.

AGITANO: Was geben Sie zum Abschluss unseres Gespräches den Usern draußen mit auf den Weg, was sollen sie in Social Media machen, was sollen sie nicht machen?

Jeder User sollte verstehen, wie man Social Media zu nutzen hat, aber das muss natürlich jeder Nutzer letzten Endes selbst für sich entscheiden. In meinen Augen ist eine Auszeit immer gut. Ich bin selbst der klassische Onliner, der pro Tag 26 Stunden am Internet hängt. Man merkt dann erst wenn man sich von der Kiste wegbewegt, was man im realen Leben verpasst hat und hat dann natürlich auch wieder Elemente, die man anschließend posten kann. Im Prinzip geht es also darum, für sich selber die Informationen filtern zu können, sich Auszeiten (vom Internet) zu nehmen und sich ein bisschen mehr mit dem echten Leben zu befassen.

AGITANO: Danke Herr Geißenberger für das interessante Interview.

Sehr gerne Herr Foitzik.

Das Interview mit Alexander Geißenberger führte Oliver Foitzik von der AGITANO-Redaktion.

 

Quelle für weitere interessante Informationen zum Thema unter www.omabo.de von Alexander Geißenberger.

 

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