Mit Stefan Gottschling, einem der Spezialisten für verkaufsstarke Texte und Inhaber des SGV-Verlags, sprechen wir in einer einmaligen Interviewreihe über "Briefe optimieren – In 30 Tagen zum perfekten Werbebrief". Nach einer Einführung in die Thematik (1. Teil) und Struktur & Konzept (2. Teil) ging es in 3. Teil um Schreibblockaden & mehr und im Teil 4 um das Redigiersystem. Im heutigen 5. Teil sprechen wir mit ihm über einige Schritte des Redigiersystems und die „Ansprache“.
Welche Schritte bringen einen Brieftext vom Rohtext in den Reintext, Herr Gottschling?
Hier sind die drei ersten Schritte:
1. Kontrollieren Sie mal, wie lang Ihre Sätze sind. Und kennzeichnen Sie jeden Satz, der mehr als 14 Wörter hat.
2. Kennzeichnen Sie alle Wörter, die länger als 6 Silben sind.
3. Kennzeichnen Sie alle Wörter, die Ihr Leser nicht mühelos versteht.
Wenn Sie als Leser mitmachen wollen: Nehmen Sie einen Rotstift und zeichnen Sie eine Schlangenlinie unter jeden Satz mit mehr als 14 Wörtern. Dann zeichnen Sie je ein Fähnchen am vorderen und hinteren Ende eines zu langen Wortes und einen Kasten um mögliche Fremdwörter.
Ihr Text bekommt nun Farbe. Und nun überlegen Sie: Kann ich Sätze kürzen, umbauen, anders fassen? Wie das geht steht im Workbook ¬– in 8 klaren Optimierungsschritten. Sie fragen sich z.B. welches Wort ein zu langes Wort ersetzen kann? Ob Sie trennen oder umschreiben können? Und Sie tauschen vielleicht ein „voten“ gegen „abstimmen“. So einfach ist das.
Wie ist das eigentlich mit „ich“ im Brief?
Das ist eine Frage die immer wieder auftaucht. Es gilt – und dadurch unterscheidet sich der Brief von fast allen anderen Werbemedien, dass wir „Ich“ sagen dürfen. Briefe sind ja persönliche Botschaften. Ein Mensch kommuniziert mit einem anderen Menschen. Hier ist also ein schreibendes „Ich“ präsent. Und wenn Sie das nicht nutzen, verschenken Sie sogar eine große Chance! Ein Problem vieler Werbebriefe. Wichtig ist: Dieses „schreibende Ich“ muss natürlich nicht neutral bleiben. Der Briefschreiber darf seine Meinung äußern, darf Empfehlungen aussprechen, nutzt Formulierungen wie „habe ich für Sie zusammengestellt“, „empfehle ich Ihnen“. Hier darf der Verkäufer persönlich werden. Denn er unterschreibt ja auch.
Und wie unterscheidet man „ich“ und „wir“?
Machen Sie nicht den Fehler, Ihre kompletten Briefe in „Wir-Form“ zu schreiben. „Wir“ steht für das schreibende Unternehmen, „Ich“ steht für den unterschreibenden Menschen. Ein Beispiel: „Wir feiern 10jähriges Firmenjubiläum. Ich freue mich, Sie da zu treffen!“
Gibt es noch mehr Möglichkeiten den Leser mitzunehmen?
Über die wichtigste Möglichkeit haben wir noch nicht gesprochen: die Direktansprache. „Sie“, „Ihr“, „Ihnen“ sind magische Wörter im Verkaufstext. Bleiben Sie nicht zu sachbezogen. Leser müssen immer wieder direkt angesprochen werden. Übrigens machen wir in den Seminaren einen ganz einfachen Test. Wir kennzeichnen durch einen roten Kreis alle „ich“, „wir“, „uns“ und „unser“. Und durch einen grünen Kreis alle „Sie“, „Ihr“ und „Ihnen“. Dabei kommt manchmal Verblüffendes zu Tage. Ihr Verkaufstext sollte hier unbedingt mehr grüne als rote Kreise aufweisen. Denn es geht ja darum, Leser mitzunehmen. Pressemeldungen haben übrigens weder grüne noch rote Kreise. Hier sprechen die reinen Fakten! Und die werden nicht personenbezogen interpretiert. Im Verkaufstext schon. Da sprechen wir den Leser in unterschiedlichen Dosierungen direkt an: „Für Sie zusammengestellt“, „Ihr neues Fahrrad“.
Herr Gottschling, vielen Dank. Wir haben diese Woche sehr viel über das Schreiben von Geschäftsbriefen erfahren. Nächste Woche am Montag, 05. Dezember 2011, geht es weiter. Wir sind schon sehr gespannt auf weitere hilfreiche Tipps und Tricks für den perfekten Werbebrief.
Das Interview mit Stefan Gottschling (SGV Verlag) führte Oliver Foitzik (Herausgeber AGITANO / Geschäftsführer FOMACO GmbH).