Teilchenbeschleuniger CERN meldet möglichen Fund des „Gottesteilchens“, des Higgs-Bosons

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Es gilt als das "Gottesteilchen" – fast schon als Heiliger Gral der Teilchenphysik. Forscher haben nun mit Experimenten am Teilchenbeschleuniger "Large Hadron Collider" (LHC) des CERN bei Genf erstmals handfeste Belege für dessen Existenz gefunden. Das unter Experten Higgs-Boson genannte Teilchen bildet einen fundamentalen Baustein unseres heutigen physikalischen Weltbilds.

Seit langem wird am Forschungszentrum CERN auch nach "Gottesteilchen" gesucht. "Der Nachweis des Higgs-Bosons wäre die Antwort auf eine der größten Fragen der Physik", hatte Guido Altarelli, theoretischer Physiker am CERN, noch vor wenigen Monaten kommentiert. Jetzt ist diese Frage wahrscheinlich so gut wie beantwortet. Denn genau dort, wo man es erwartete, bei einer Masse von 125 Gigaelektronenvolt, haben die Physiker am LHC nun ein neues Elementarteilchen entdeckt. Es spricht vieles dafür, dass es sich tatsächlich um das seit Jahrzehnten gesuchte Higgs-Boson handelt.

Das so schwer zu fassende Teilchen gilt als der Urheber für eine der Grundeigenschaften aller Dinge: der Masse. Ohne sie wäre das Universum ein völlig anderer Ort: Es gäbe keine Atome und keine normale Materie. Denn die Masse erst sorgt dafür, dass die Grundbausteine der Materie zusammenhalten und miteinander wechselwirken. Lange Zeit aber konnte das Standardmodell der Teilchenphysik – und damit die Basis unseres physikalischen Weltbilds – nicht erklären, woher die Elementarteilchen diese wichtige Eigenschaft haben.

Das Europäischen Forschungszentrum CERN hat nun heute (4. Juli 2012) neue Forschungsdaten des weltgrößten Teilchenbeschleunigers LHC veröffentlicht, die zwischen April und Mitte Juni mit den Experimenten ATLAS und CMS gesammelt wurden. Dabei war den Forschern die spektakuläre Entdeckung gelungen: ein Teilchen in einem Massebereich von 125 – 126 GeV/c². GeV steht für "Gigaelektronenvolt", also Milliarden Elektronenvolt, und ist eine Masseneinheit der Elementarteilchenphysik. Es entspricht knapp der Masse des Wasserstoffatoms. Die Fehlerwahrscheinlichkeit bei dieser Entdeckung liegt bei unter eins zu einer Million. Allerdings können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch keine endgültigen Aussagen über die Art des Teilchens machen, obwohl einiges dafür spricht, dass es sich um das lang gesuchte Higgs-Teilchen handelt. Weitere umfangreiche Untersuchungen werden zeigen, ob es sich tatsächlich um den letzten noch fehlenden Baustein des Standardmodells handelt oder ob sie etwas gänzlich Unerwartetes gefunden haben. Beides wären große Entdeckungen in der Teilchenphysik.

"Wir benötigen noch mehr Daten"

Das Teilchen wurde nach dem britischen Forscher Peter Higgs benannt "Es ist schwer, nicht aufgeregt zu werden bei diesen Ergebnissen", sagte CERN-Forschungsdirektor Sergio Bertolucci. Hundertprozentig sicher ist die Entdeckung nämlich noch nicht. "Wir benötigen mehr Daten", hieß es.

Joachim Mnich, Direktor des Hamburger Forschungszentrums "Deutsches Elektronen-Synchrotron" (DESY), meinte: "Was sich hier anbahnt, ist für mich bisher die Entdeckung des Jahrhunderts". Am deutlichsten überzeuge ihn, dass man in zwei unabhängigen Datensätzen aus dem letzten und aus diesem Jahr das gleiche Signal sehe, und zwar konsistent in beiden Experimenten.

Bundesforschungsministerin Schavan gratuliert

Bundesforschungsministerin Annette Schavan gratulierte den Wissenschaftlern in Genf bereits zur Entdeckung: "Die Suche nach dem Higgs-Teilchen hat nun fast 50 Jahre gedauert, aber nun könnte die Entdeckung gelungen sein. Die Ausdauer und Neugier der Wissenschaftler wurde belohnt."

"Mit dieser bedeutenden Beobachtung wird vielleicht die Tür in eine neue Welt der Teilchenphysik aufgestoßen", sagte Professor Bernhard Spaan von der Technischen Universität Dortmund. Er ist Vorsitzender des deutschen Komitees für Elementarteilchenphysik.

Deutsche Forscher haben einen maßgeblichen Anteil an der Entdeckung des neuen Teilchen: Deutschland ist seit der Gründung Mitglied von CERN – seit 2009 ist der deutsche Teilchenphysiker Rolf-Dieter Heuer zudem Generaldirektor des Forschungszentrums. In Deutschland wurden zudem zahlreiche wichtige Komponenten der Geräte entwickelt und gebaut. In den vergangenen 15 Jahren hat das BMBF deutsche Hochschulen für ihre Arbeit am LHC mit insgesamt 175 Millionen Euro gefördert. Derzeit übernimmt das BMBF mit jährlich rund 180 Millionen Euro etwa 20 Prozent der Mitgliedsbeiträge des CERN-Haushaltes – und ist damit der größte Förderer. Der Bau und Betrieb der beiden Experimente wurde und wird im Rahmen der sogenannten Verbundforschung durch das BMBF gefördert – in der aktuell laufenden Förderperiode 2012-2015 mit 41,2 Millionen Euro. Insgesamt arbeiten Forschergruppen an 15 deutschen Universitäten, dem Max-Planck-Institut für Physik in München und den beiden Helmholtz-Forschungszentren DESY und KIT gemeinsam an den beiden Experimenten ATLAS und CMS.

Auf der ARD-Website der Tagesschau ist ein kurzer Videobeitrag über die Entdeckung eingestellt.

(Quellen: ARD / BMBF)

 

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