Von tollwütigen Bambis und deutscher Verlogenheit

… aus der wöchentlichen Business-Kolumne von Ulrich B Wagner mit dem Titel „Me, myself and I – eine Reise in sich hinein und über sich hinaus„.

  Heute:   Von tollwütigen Bambis und deutscher Verlogenheit
… schon wieder Bushido! …

„Vielleicht gibt mir ja das Finanzamt aus Protest meine Steuern zurück.“
(Bushido auf Twitter, 13.11.2011)

Herzlich Willkommen, lieber Bushido, in den Wohnzimmern und an den Stammtischen unserer so schönen Nation. Sie sind angekommen in der Mitte unserer Republik, mögen sich einige Boulevardblätter landauf und landab auch erregen wie sie wollen und versuchen, den Volkszorn mit Umfragen und markigen Worten heraufzubeschwören.

Sie sind ein Teil von uns geworden. Bushido ist wir, und wir sind Bushido! Oder?!

Die Bambi-Verleihung von letzter Woche ist mehr als ein gelungenes Beispiel erfolgreicher Integration. Ein Verlag, der in den 50er Jahren mit Strickwarenheftchen die heile Welt in den Alltag deutscher Hausfrauen und Mädchen zurückbrachte, hat Bushido mit der Verleihung dieses goldigen Rehkitzes nicht nur geadelt, auch nicht nur integriert, sondern vom rauen Skandalrapper am Rande der Gesellschaft zu einem reuigen Vorstadtspießer in der Mitte unserer von Gartenzwergen besiedelten Vorgartengesellschaft verwandelt. Das nenne ich mal Klasse!
Hätte der Skandalrapper nicht, um seinem Image treu zu bleiben, Stinkefinger zeigend, vielleicht noch den Allerwertesten entblößend, den Bambi ablehnen müssen?

Wo verlaufen sie denn nun, die ehemaligen Demarkations- und Orientierungslinien unseres Gemeinwesens, möchte ich daher an dieser Stelle fragen? Was ist gut, und was ist böse? Für wie blöd halten die uns eigentlich alle? Kommerz trifft Basar, und am Ende haben alle gut verdient. Am Anfang Bushido, der sich mit seinen aggressiven, ja teilweise menschenverachtenden Texten Gehör und Aufmerksamkeit verschaffte und sich dann, in der Bugwelle der kollektiven Erzürnung, zu einer genialen Marke aufschwingen konnte und nunmehr folgerichtig am Zenit der Rapper-Karriere zum Allerwelts- und Massentauglichen Ohrwurmsänger mutiert. Der dann, als wäre dies nicht schon genug, im Schlepptau alten Schmusesängern, mit Altersruhesitz auf Mallorca nach Jahren wieder in den Sattel der Hitcharts verhilft.

Wo sind sie hin, die Helmut Bergers, Keith Richards und Frank Zappas dieser Welt, denen Protest, Auflehnung und Skandale noch ernstgemeinte, persönliche Herzensangelegenheiten waren, und an denen man sich wirklich reiben und abreiben konnte? Das Phänomen Bushido ist das Produkt einer perfekten PR- und Marketingmaschinerie, sorgfältig geplant und ausbalanciert. Nicht zu weich, aber auch nicht zu hart, um auf dem Index zu landen oder zu verschrecken, spricht er scheinbar die Sprache der Straße und trifft darüber hinaus des einen oder anderen Volksseele, egal welcher Alterskategorie. Lauschen Sie mal den älteren Herren an den Stammtischen dieser Republik, in ihrer Bierseligkeit, und Sie werden erschrecken über das kollektive Unterbewusste, das sich hier auftut und den vermeintlichen Skandalrapper zum Bruder im Geiste werden lässt angesichts Homosexualität und Frauenverachtung. Hier traut sich endlich mal einer was und wird damit zum Erfüllungsgehilfen Pitralon geschwängerter Senilität.

Doch dessen nicht genug. In Zeiten weichgespülter Männlichkeitsrituale und Selbsterfahrungsgruppen, bietet er der weiblichen Seele Trost und Labsal und der pubertierenden Weiblichkeit, vom Teenie bis hin zu Hausfrau, die notwendige Projektionsfläche für ihre unerfüllten Vorstadtträume. Schlicht und einfach ein Mann, wie Lieschen Müller ihn sich erträumt und in ihren feuchten Sehnsüchten erschafft.

Auf der anderen Seite die geheuchelte Gutmenschenlitanei, die erzürnten roten Bäckchen und der hagere, erhobene Zeigefinger. Der greise, Sonnenbrillenfreak aus dem Bergischen Land, der erbost und publikumswirksam sein ach so geliebtes Rehkitz für die Reise nach Offenburg verpackt. Bushido ist Heino, und Heino ist Bushido. Beide sind Ausdruck und Ergebnis der deutschen Seele und Manifestationen und Projektionsflächen des jeweiligen Zeitgeistes. Beide sind am Ende nicht mehr und nicht weniger das Produkt erfolgreicher Marketingstrategen.
Wir leben in einer gefährlichen Zeit, und vielleicht wird demnächst unser Bundespräsident gemeinsam mit seiner attraktiven Frau und unserer Bundeskanzlerin Herrn Bushido noch das Bundesverdienstkreuz am Bande verleihen. Ein bisschen Publicity und Ablenkung in dieser Krisen durchschüttelten Zeit tun schließlich Allen ganz gut.

Wir durften so am 12.November 2011 nicht nur eine der größten Dauerwerbe-sendungen verfolgen, sondern darüber hinaus live mitverfolgen wie heute kommerzielle Erfolge mit der großen Strickmaschine der Massenmedien produziert werden.

So dürften sich auf der Aftershowparty Alle mit Eurozeichen in den vom Feiern geröteten Augen und Schulter klopfend köstlich amüsiert haben, und vielleicht hat es Bushido ja dann auch still und leise ein wenig schneien lassen über dem goldigen Rehkitz.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, lieber Bushido, ein erfolgreiches und lukratives Weihnachtsgeschäft.

Herzlichst

Ihr   Ulrich B Wagner

Zum Autor:

Ulrich B. Wagner, Jahrgang 1967, studierte Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main.

Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Kommunikation, Coaching und Managementberatung (ikcm) mit Sitz in Bad Homburg und Frankfurt am Main und gleichzeitig Dozent an der european school of design für Kommunikationstheorie sowie Werbe- und Konsumentenpsychologie.

Ulrich Wagner arbeitet als Managementberater und systemischer Coach mit den Schwerpunkten Business- und Personal Coaching, Kommunikations- und Rhetoriktrainings, Personalentwicklung, Begleitung von Veränderungsprozessen und hält regelmäßig Vorträge und Seminare.

Zu erreichen: via Website www.ikcm.de, via Mail uwagner@ikcm.de, via Xing und Facebook (Ulrich B Wagner).

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