Weniger Konsolidierung, mehr Wachstum – von Prof. Dr. Christian Dreger, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Die Schuldenkrise im Euroraum verschärft sich weiter. Gerade sind für Spanien Gelder aus dem Europäischen Rettungsfonds bewilligt worden, um das marode Bankensystem des Landes zu stützen. In Griechenland läuft es zumindest auf eine zeitliche Streckung der vereinbarten Reformen hinaus. Und derweil befindet sich der Euroraum in einer Rezession, wenn man die momentan noch gute Konjunktur in Deutschland ausnimmt.

Der von der Politik verfolgte Ansatz zur Überwindung der Schuldenkrise besteht in einer doppelten Strategie, die zum einen auf die Konsolidierung der Staatsfinanzen setzt. Damit werden die finanziellen Risiken der demographischen Entwicklung antizipiert. Die Alterung der Bevölkerung wird zu erheblichen Belastungen in den Systemen der sozialen Sicherung führen, die umso eher geschultert werden können, je weiter die Konsolidierung vorangeschritten ist. Und die Erwartungen von Unternehmen und Haushalten werden verstetigt, wenn die Staatsausgaben einigermaßen in Einklang mit den Einnahmen stehen. Zum anderen setzt die Politik auf eine Umsetzung von Reformen vor allem in den gefährdeten Ländern, um deren preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Da der Wechselkurs als Anpassungsinstrument ausfällt, setzt dies unter anderem schwache Lohnsteigerungen oder sogar nominale Lohnkürzungen voraus.

Die Strategie hat allerdings eine offene Flanke. So sind die Wachstumsimpulse von konsolidierten Staatsfinanzen erst in längerer Frist zu erwarten, jedenfalls lehrt dies die bisherige Erfahrung. Kurzfristig dominieren die negativen Effekte, die mit realwirtschaftlichen Verwerfungen einhergehen können. So ist die Produktion in Griechenland auch wegen der Sparbemühungen im vergangenen Jahr um sieben Prozent eingebrochen, im laufenden Jahr ist mit einem neuerlichen Absturz in ähnlicher Größenordnung zu rechnen. Darüber hinaus werden viele Jahre benötigt, um konsolidierte Staatsfinanzen zu erreichen. Dass dies nicht gegen den Willen breiter Teile der Bevölkerung machbar ist, lässt sich an den Ergebnissen der vorletzten und auch der letzten Griechenlandwahl ablesen. Daher sind die Erfolgsaussichten einer reinen Sparpolitik gering. Im günstigsten Fall wird eine Beilegung der Krise immer weiter hinausgeschoben. Der Preis, der dafür zu zahlen ist, sind mehrjährige Wachstumsverluste vor allem im Euroraum. Die damit einhergehende hohe Unsicherheit dürfte auch die Erfolgsaussichten der Europäischen Innovationsstrategie nachhaltig schmälern.

Eine überzeugendere Strategie sollte deshalb auch auf kurzfristige Wachstumsstimulierung setzen. So könnte die Europäische Investitionsbank wesentlich intensiver als bisher in die Projektförderung eingebunden werden und kleine und mittlere Unternehmen in angeschlagenen Staaten unterstützen. Dazu gehört auch der Aufbau von effizienten Verwaltungen. Ein stärkeres Engagement der Bank setzt indes eine deutliche Kapitalaufstockung voraus. Und die Strukturfondsmittel könnten mit Ablauf nächsten Jahres neu verteilt werden, um speziell Wachstum in den Südländern zu fördern. All dies dürfte jedoch nicht ausreichend sein, um der Krise wirksam zu begegnen. Daher sollte ein solcher Kurs in eine gemeinsame Strategie eingebunden sein, die darauf abzielt, die Ungleichgewichte in der Währungsunion schneller zu reduzieren. Dabei sollte Deutschland stärker in die Rolle einer Wachstumslokomotive für den Euroraum hineinwachsen, um über eine steigende Nachfrage nach Importen zu einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung in den Partnerstaaten beizutragen. Die konjunkturelle Grundtendenz weist zwar in diese Richtung, weil die Konsumnachfrage bereits durch kräftige Lohnerhöhungen unterstützt wird. Allerdings kann die Wirtschaftspolitik dazu beitragen, diese Entwicklung zu festigen, zumal eine Abschwächung der Konjunktur wegen der Rezession im übrigen Euroraum nicht mehr ausgeschlossen ist. Das setzt allerdings eine langsamere Konsolidierung der Staatsfinanzen voraus. Die Alternative besteht darin, die zusätzlichen Einnahmen, mit denen bei einer Einführung der Finanztransaktionssteuer zu rechnen ist, an Haushalte und Unternehmen zu verteilen oder zur Finanzierung von wachstumsfördernden Staatsausgaben einzusetzen.

Zum Autor:

Prof. Dr. Christian Dreger ist Leiter der Abteilung Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Der Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder.

 

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