Wie sich Bolivien an den Klimawandel anpasst

Der Klimawandel droht die Wasserkrisen in vielen Regionen der Welt zu verschärfen. Anpassungsmaßnahmen sind daher gefragter denn je. Ein innovatives Projekt der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Bolivien zeigt, wie mit einfachen Mitteln Großes gelingen kann: In sogenannten Atajados oder Regenauffangbecken wird der Regen gesammelt. Die Einwohner wappnen sich so gegen eine Zeit verkürzter Regenperioden und Extremwetterereignisse.

 

Regentropfen mit großer Wirkung

 

In der Nordregion des Gebiets Potosí fallen jährlich etwa 500 mm Niederschlag, davon ca. 70 Prozent in den Monaten Dezember bis März. Die Jahresdurchschnittstemperatur schwankt um die 14°C und variiert je nach Höhenlage. Zunehmende Wasserknappheit, Erosion und Degradation der Böden sowie klimatische Extremereignisse stellen schon heute große Risiken für die Bauern dar. Im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit führt die GTZ in Bolivien seit 2005 das Programm "Nachhaltige landwirtschaftliche Entwicklung" (PROGARO) durch. Eine erste Analyse der im Projektgebiet vorhandenen Klimadaten ergab 2009: Bei gleich bleibenden Niederschlagsmengen verkürzt sich die Regenperiode, die Höchst- und Tiefsttemperaturen im Jahresdurchschnitt driften auseinander und das Wettergeschehen fällt unregelmäßiger aus.

 

Mit dem Ziel der Armutsminderung in ländlichen Gebieten unterstützt PROAGRO unter anderem die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen in der Landwirtschaft. Zur Förderung der Bewässerungslandwirtschaft implementieren die Firmen CES Consulting Engineers Salzgitter und GOPA im Auftrag des Programms seit 2008 jährlich über 260 Regenauffangbecken (so genannte "Atajados"). Zielgruppe sind indigene Familien in momentan zehn Gemeinden, deren Lebensgrundlage größtenteils auf Regenfeldbau und extensiver Viehwirtschaft basiert. Diese kultivieren in dem semi-ariden Klima auf den kargen Böden des oftmals schwer zugänglichen andinen Hochlands vor allem Kartoffeln, Weizen, Gerste und Mais. Das Finanzvolumen für die Direktinvestitionen, die zur Nahrungssicherung beitragen, belief sich in den vergangenen drei Jahren auf insgesamt 1,12 Millionen Euro.

 

Das Speichervolumen eines Atajados im Projektgebiet beträgt bei einem durchschnittlichen Ausmaß von 25x20x2 Meter ca. 1.000 Kubikmeter. Dank des gespeicherten Wassers können Niederschlagsschwankungen während der Regenzeit ausgeglichen werden. Dies ermöglicht den Bauern die Reduktion von Ernteverlusten und eine Intensivierung des kleinbäuerlichen Ackerbaus.

 

Atajados – ein Gewinn für Einwohner und Landwirtschaft

 

Gemeinsam mit den Kleinbauern plant das Projekt Größe und Verwendungszweck der künstlich an den Hang gebauten Becken zur Speicherung von Regenwasser. Der Atajado ist auf die Bedürfnisse je einer Familie ausgelegt und wird auf Basis eines integrierten Projektansatzes an die jeweiligen lokalen Voraussetzungen angepasst. Das in dem Becken gespeicherte Wasser reicht im Regenfeldbau aus, um die Erträge auf etwa einem Hektar Anbaufläche durch Zusatzbewässerung zu steigern oder alternativ auf einem viertel Hektar eine vollständig auf Bewässerung beruhende Landwirtschaft zu betreiben.

 

Hauptbestandteil eines Atajados bildet eine Ausschachtung, die mit dem Einsatz von Planierraupen auf geeignetem Boden gegraben wird. Oberhalb des Atajados werden quer zum Hang verlaufende Erdkanäle angelegt. Diese leiten das Oberflächenwasser in ein Auffangbecken für Sedimente. Aus diesem fließt das Wasser durch einen befestigten Kanal in das Wasserbecken. Über ein Ventil am Auslassrohr kann die Wasserentnahme reguliert werden. Zur Abdichtung wurde der Beckenboden anfangs mit speziell angefertigten Plastikplanen ausgelegt. Da sich diese Vorgehensweise als zu teuer erwies, wird die Abdichtung mittlerweile mit örtlich vorhandenen Tonmaterialien vorgenommen. Der Atajado sollte zum Schutz vor Tieren eingezäunt und die aus Erde und Geröll bestehenden Außenseiten mit geeigneten Pflanzen stabilisiert werden. Wichtig ist zudem, insbesondere für den Erosionsschutz, die Bepflanzung des in der Regel drei bis fünf Hektar großen Wassereinzugsgebiets.

 

Die Auswahl geeigneter Atajado-Standorte erfolgt in enger Abstimmung mit der Zielgruppe. Um einen Antrag für die Teilnahme an einem Projekt stellen zu können, müssen interessierte Gemeinden im Vorfeld definierte personelle, technische und administrative Voraussetzungen erfüllen. Auf Basis des bewilligten Antrags übernimmt die GTZ 60 Prozent der Bau- und Materialkosten, die im Durchschnitt 3.500 US-Dollar pro Atajado betragen. Die GTZ plant die Projekte, die Bauarbeiten werden von einem örtlichen Bauunternehmer ausgeführt. Die Gemeinden übernehmen auf Basis einer vertraglichen Vereinbarung 40 Prozent der Kosten. Von den Bauern wird, neben der Bereitschaft, den Atajado nachhaltig zu betreiben, ein Eigenbeitrag an den Bauarbeiten in Höhe von 60 bis 70 Arbeitstagen pro Familie erwartet. Die Herstellung eines Atajados dauert bis zu seiner endgültigen Inbetriebnahme maximal zwei Jahre (inklusive der notwendigen Konsolidierungs- und Verdichtungsmaßnahmen nach der ersten Regenperiode). In diesem Zeitraum werden die Familien von den quechua-sprachigen Bau- und Agraringenieuren des Projekts in der Handhabung des Atajados geschult und zudem hinsichtlich verbesserter landwirtschaftlicher Anbaumethoden beraten.

 

Zwei Ernten in der Trockenzeit!

 

Mit dem gespeicherten Wasser können sich die Bauern an eine Verkürzung der Regenperiode und unregelmäßigere Niederschläge anpassen. Sie können Zusatzbewässerung betreiben, die Aussaat mit der Wasserreserve vorverlegen, oder wasserintensivere und ertragsreichere Kulturen anbauen. Sofern es in den tieferen Lagen die klimatischen Voraussetzungen zulassen, ist sogar eine zweite Ernte in der Trockenzeit möglich. Zudem kann das Wasser für den Haushalt genutzt werden oder um das Vieh zu tränken. Durch diese Verbesserungen zeigt sich das Atajado-Projekt als Vorbild für zukunftsweisende Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel.

 

Quelle: © Franz Alt 2010

 

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