Wirtschaftsminister legt Programm zur schärferen Regulierung der Finanzmärkte vor

Bundeswirtschaftsminister Rösler hat ein 8-Punkte-Programm für eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte vorgestellt, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Konkret geht es um Finanzprodukte, die „das Finanzsystem genauso gefährden wie reguläre Banken“. Darunter fallen der extrem kurzfristige und spekulative Hochfrequenzhandel, Hedge-Fonds, Private-Equity-Fonds und Geldmarktfonds sowie die Macht der Rating-Agenturen.

Den Hochfrequenzhandel regulieren:
Der computergestützte Hochfrequenzhandel nutzt mit speziellen Algorithmen in Sekundenbruchteilen minimalste Differenzen auf den Märkten aus und steht damit im Gegensatz zu einer nachhaltigen Wertschöpfung über die Kreditvergabe (Investitionen) an die Realwirtschaft. Bis zu 70% der Börsengeschäfte in den USA und 40% der Aktiengeschäfte in Europa und Deutschland entfallen mittlerweile auf den computergestützten Hochfrequenzhandel. Um kaskadenartige Kettenreaktionen der Computer-Trader zu verhindern, wie sie beispielsweise aufgrund einer fehlerhaften Eingabe am 6. Mai 2010 den größten Kurssturz der Geschichte innerhalb von wenigen Minuten an der New Yorker Börse ausgelöst hatten („Flash Crash“), sollen nach dem Willen Röslers künftig an allen Börsen der EU automatische Handelsunterbrechungen bei starken Kursschwankungen möglich sein, um die Abwärtsspiralen zu unterbrechen (Herdeneffekt). Zudem dürften Händler nicht mehr anonym auf den Finanzmärkten agieren.

Strengere Auflagen für die Fonds des sogenannten Schattenbankensystems:
Hedge-Fonds, Private-Equity-Fonds und Geldmarktfonds, die zum sogenannten Schattenbankensystem gerechnet werden, sollen ähnlich stark reguliert werden, wie es bei den Banken vorgesehen ist. Diese Fonds agieren ähnlich wie Banken, allerdings ohne eine Banklizenz zu besitzen. Mehr Transparenz und eine größere Kontrollen dieser Akteure ist auch einer der Schwerpunkt auf der Agenda der G20 im laufenden Jahr. Konkret fordert nun die Vorlage aus dem Wirtschaftsministerium für diese Fonds strengere Eigenkapitalanforderungen und eine Begrenzung der Verschuldung. Obwohl diese Produkte des Schattenbankensystems das Finanzsystem genauso gefährden könnten wie reguläre Banken, heißt es in dem Papier, würden diese Fonds bislang kaum reguliert und beaufsichtigt. Rösler fordert daher eine strengere Regulierung analog zum Bankensektor, um die Gefahren für das Finanzsystem bei entsprechenden Finanzkrisen zu reduzieren.

Rating-Agenturen entmachten:
Das Papier aus dem Wirtschaftsministerium will zudem die Eigenverantwortung der Banken und anderer Investoren bei der Risikobewertung stärken und damit die bisherige Abhängigkeit der Investoren von den externen Ratings der Rating-Agenturen reduzieren. Diese externen Ratings sollen künftig nur noch in Ausnahmefällen von der Aufsicht vorgeschrieben werden. Für die interne Risikobewertung sollen die institutionellen Investoren objektive und transparente Kriterien verwenden, wie sie auch bereits die OECD anwendet. Einen entsprechenden Ansatz hatten die US-Aufsichtsbehörden bereits Anfang Dezember 2011 ins Spiel gebracht. Zudem sollen künftig die Investoren für die Ratings bezahlen und nicht wie bisher diejenigen, deren Produkte der Risikobewertung unterzogen werden.

Besteuerung der Finanzmärkte:
Die Pläne aus dem FDP-geführten Wirtschaftsministerium sehen auch eine Besteuerung der Finanzmärkte vor. Rösler hat sich hier allerdings für die Einführung einer Stempelsteuer nach britischem Vorbild ausgesprochen. Der Riss verläuft hier innerhalb der Regierungsparteien, obwohl auf EU-Ebene die Fronten klar erscheinen. Neun Euro-Staaten hatten sich Anfang Februar 2012 in einem offen Brief an die derzeitige EU-Ratspräsidentschaft Dänemark gewandt und eine rasche Einführung der Finanztransaktionssteuer gefordert. Ein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission war bereits im September 2011 erfolgt. Die neun Staaten sind Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, Spanien, Finnland, Griechenland und Portugal. Darin wurde auch gefordert, dass wenn Großbritannien zum Schutz seines weltweit zweitgrößten Finanzplatzes London (rund 10% des britischen BIP entfallen auf den Finanzsektor, soviel wie in keinem anderen OECD-Land) eine EU-weite Einführung weiterhin blockiere, die Finanztransaktionssteuer zumindest in der Euro-Zone eingeführt werden soll. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hatte daraufhin die Finanztransaktionssteuer einer umfassenden Prüfung unterzogen und auch mit dem britischen Modell der Börsensteuer verglichen. Im Ergebnis sprach sich das DIW klar für die Finanztransaktionssteuer aus, da die regulatorischen Effekte dieses Modells wirksamer seien als bei der britischen Börsensteuer, bei der es zudem zahlreiche Hintertüren gäbe. Der DIW: „Das Modell der EU-Kommission ist breiter angelegt und belastet genau die Finanzprodukte, die besonders oft mit Spekulationsgeschäften in Verbindung gebracht werden.“ Die DIW-Experten lehnten dagegen die britische Börsenumsatzsteuer ab: Lediglich 20% des Handels an der Londoner Börse würden davon erfasst, es gebe zudem viele Schlupflöcher und die Spekulation würde dadurch kaum eingedämmt.

Das 8-Punkte-Programm aus dem Bundeswirtschaftsministerium soll nun an diesem Mittwoch im Rahmen einer hochkarätigen Expertenrunde beraten werden, zu der leider noch keine näheren Informationen vorliegen.
(mb)

 

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