Wortwelten oder „Lesen ist Fernsehen im Kopf“

"Wer textet, führt auch Bildregie im Kopfkino seiner Leser!" Wenn ein Text großes Kopfkino ist, dann können wir ein Buch selten aus der Hand legen. Gleichzeitig sagt uns die Hirnforschung: Wir können Unbekanntes nur verstehen, wenn wir es an Bekanntes andocken. Nun gibt es Schreibtechniken, die regen ganz besonders starke Bilder im Kopf des Lesers an. Und helfen auch unseren Werbebotschaften, dort sicher zu landen. Wenn wir gerade noch die Kurve kriegen, einer Präsentation entgegenfiebern oder die Latte hoch legen, spielen wir mit solchen Sprachbildern. Aber schnell wird aus starken Worten auch bemühte "Wortturnerei". Ihr Textertipp verrät 6 Regeln, die davor schützen.

Regel Nr. 1: Bleiben Sie in einer Welt!

Mischen Sie nicht – eine eiserne Regel. Übrigens sprechen wir bei solch thematisch zusammenhängenden Sprachbildern von Wort-Bild-Welten oder Wortwelten. Zu viele davon im Text richten ein heilloses Durcheinander im Kopf des Lesers an. Ganz besonders, wenn Sie Sprachbilder miteinander verknüpfen, die nicht kompatibel sind. So können Sie nicht "mit Volldampf in den sicheren Hafen der Ehe steuern, um in die Pole-Position zu kommen".

Auf der Bildebene gilt: Die Wortwelten Seefahrt und Motorsport passen nicht zusammen. Ganz besonders, wenn unterschiedliche Welten in einem Satz auftauchen. Übrigens ist manchmal auch Vorsicht angebracht, wenn man innerhalb einer Wortwelt bleibt. Denn ein wenig komisch klingt das schon, wenn Sie am "Fuß des Berges" den "Kopf der Expedition" treffen.

Regel Nr. 2: Bilder müssen stimmig sein!

Viel Potenzial für unfreiwillige Komik bieten Bildfehler im Kopfkino der Leser. Und die entstehen, wenn ein Texter schiefe oder unstimmige Bilder aufbaut. Das Kopfkino zeigt zwar brav das gesetzte Bild – aber die Vernunft meldet sich mit einem deutlichen "das kann doch nicht sein". Oder gerät in Stress, weil da nun eine Entscheidung fällig ist: "Wörtlich interpretieren oder im übertragenen Sinne stehen lassen?"

Wenn ein Schiffskapitän einer Sache auf den Grund geht, befindet er sich dort, wo wir ihn als Kapitän auf keinen Fall sehen wollen: auf dem Grund. Ähnlich schräg: Wenn die rechte Hand des Kommandeurs über den Hof geht, war’s hoffentlich der Adjutant – und der Kommandeur hat noch alle Gliedmaßen bei sich. Besonders schön auch, wenn eine Pickelcreme ausschlaggebend dafür ist, dass Sie keine Pickel mehr haben. Das nennt man, um in einem anderen Bild zu bleiben, "vom Regen in die Traufe geraten".

Eine tierische Seltsamkeit zeigt das nächste Beispiel: Bello ist ein hervorragender Wachhund. Er hat nicht nur den richtigen Riecher für Gefahren, sondern alles, was er tut, hat Hand und Fuß.

Hoppla! Wenn Hunden Hände und Füße wachsen … Achten Sie einfach auf stimmige Bilder. Und denken Sie daran: Je tiefer Sie sich in eine Wortwelt hineinbegeben, desto größer ist die Gefahr, sich dort zu verirren.

Regel Nr. 3: Machen Sie sich das Komik-Potenzial klar!

Ganz klar: Schiefe Bilder haben schon für so manchen Lacher gesorgt. Wenn man sich nun das Konstruktionsprinzip von bildhaften Übertragungen oder Metaphern klarmacht, entdeckt man weiteres Komik-Potenzial. Metaphern entstehen, wenn man zwei Wörter oder Themen miteinander verknüpft und sich nun die Bedeutungen vermischen. In dieser Vermischung entsteht immer etwas Neues. Beim "Wolkenkratzer", beim "Autohimmel", aber auch beim "Hafen der Ehe".

Neu heißt auch: Ich kann mich sprachlich neu orientieren und den passenden Wortschatz zur Metapher verwenden. Am Autohimmel können Sterne aufgehen, funkeln oder auch verglühen. Im Hafen der Ehe kann man vor Anker gehen, aber auch alte Fregatten treffen. 

 

 

Regel Nr. 4: Vorsicht: Halten Sie Bilder nicht zu lange!

Wer erst einmal den Einstieg in eine Wortwelt gefunden hat, stößt schnell auf viele neue Wortspielereien. Das Texten macht Spaß – es verleitet aber auch zu allzu verspielten Texten, bei denen die eigentliche Aussage schnell in den Hintergrund gerät.

Deshalb gilt: Behalten Sie Ihr Ziel im Kopf. Irgendwann muss im Verkaufstext auch Ihr Angebot wieder genannt werden. Und der Weg zurück darf nun nicht zu kompliziert sein. Wortwelten eignen sich, um Produkte gekonnt ins Bild zu setzen und ihnen neuen Glanz zu verleihen. Doch halten Sie Ihre Bilder nicht zu lange!

Besonders im Verkaufstext heißt es daher: Gehen Sie sparsam mit Metaphern und Sprachbildern um! Zu viel davon – und Ihr Text wird zu "poetisch". Wenn Ihr Werbeleser in Bildern schwelgt, kann es schwierig werden, ihn wieder auf den Boden der verkäuferischen Tatsachen zurückzuholen. Eine Faustregel: Auf jeden Satz mit Metapher folgt ein Satz ohne. So geht man auch den wunderschönen Bildern des Kopfkinos nicht "auf den Leim" und bleibt "am Boden".

Regel Nr. 5: Konstruieren Sie nicht mit Gewalt!

Versuchen Sie nicht zwanghaft, eine Wortwelt zu konstruieren. So etwas ist von vornherein zum Scheitern verurteilt – und wirkt durch schiefe Bilder eher peinlich. Schaffen Sie keine Wortbilder um jeden Preis. Die Grundlage verständlicher Texte sind Botschaften, die mit einfachen Worten und im Klartext vermittelt werden. Wenn dies unterstützt mit starken Sprachbildern gelingt: hervorragend! Wenn nicht, bleibt für den Texter immer noch die Verpflichtung, im Kopf des Lesers anzukommen.

Regel Nr. 6: Dosieren Sie richtig!

Verwenden Sie Wortwelten sparsam. Aber wenn schon, dann verwenden Sie Wortwelten so, dass Sie dadurch die größtmögliche Wirkung erreichen können. Denken Sie also daran: Wer mit einer Wortwelt in seinen Text eingestiegen ist, sollte überlegen, ob er ein Bild dieser Wortwelt nicht auch im Ausstieg nutzen kann, um seinen Text abzurunden.

Eine kleine Zusammenfassung und Dosieranleitung:

Wortwelten eignen sich …

• für Anschreiber, Headlines und um an ein Thema heranzuführen, • am Ende eines längeren Textes, um an Ihr Einstiegsbild derselben Wortwelt anzuschließen und einen Beitrag so abzurunden, • um ein Oberthema abzustecken. So heißt zur Wahlzeit der Rechenschaftsbericht des Bürgermeisters "Musterstädter Logbuch" und greift das Thema Seefahrt nur in Einführung, Überschriften und dem ein oder anderen Anschreiber auf,

• als spannende Ergänzung zu den Bildern einer Broschüre oder eines Prospekts.

 

Und weiter …

Weiter geht’s im Lexikon der Wortwelten. Diese einzige thematisch gegliederte Sammlung von Sprachbildern gibt es mittlerweile in der dritten, erweiterten und überarbeiteten Auflage. Und Sie ist ein wirklich unentbehrliches Werkzeug für jeden Profi-Schreiber mit vielen Empfehlungen.

Oder Sie stöbern weiter auf unserer Webseite und registrieren sich für den kostenlosen Textertipp. Was ich Ihnen noch sehr ans Herz legen möchte: den Texterclub auf Facebook. Einfach mal vorbeischauen!

Für heute wünsche ich Ihnen wieder viel Erfolg bei der Umsetzung, viele neue Ideen und viel Freude beim Schreiben!

 

Ihr Stefan Gottschling

 

 

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