Zentrale Ergebnisse von PISA 2009 für Deutschland und die OECD

Zentrale Ergebnisse von PISA 2009

 

PISA 2009 („Programme for International Student Assessment“) ist die vierte Erhebung der internationalen Studie der OECD, die in 68 Ländern die Kompetenzen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften erfasst. In Deutschland wurde das Projektmanagement von Prof. Dr. Eckart Klieme, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main, durchgeführt. 2009 war der Schwerpunkt von PISA wieder die Erfassung der Lesekompetenz, die schon im ersten PISA-Zyklus im Jahr 2000 im Mittelpunkt stand. 2003 hatte die Mathematik und 2006 die Naturwissenschaften im Zentrum gestanden. Die Lesekompetenz umfasst das gesamte Spektrum von Texten; sie gilt in der Bildungsforschung als der verlässlichste Prädikator für wirtschaftlichen und sozialen Erfolg.

 

Anbei erhalten Sie die Kurzfassung der Studie (Anlage1), die Pressemitteilung von BDA und BDI (Anlage2) sowie die Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Kultusministerkonferenz (Anlage3).

 

Ergebnisse für Deutschland:

 

Lesekompetenz besser, aber nur durchschnittlich

 

– Deutschland hat seit 2000 im Bereich Lesen deutlich aufgeholt. Nachdem es 2000 deutlich unter dem OECD-Durchschnitt gelegen hatte, hat es nun den Durchschnitt erreicht (2000: 484 Punkte, 2006: 495 Punkte, 2009: 497 Punkte, OECD-Durchschnitt: 493 Punkte).

 

– Deutschland liegt 2009 auf dem 16. Platz der 34 OECD-Länder bzw. auf dem 20. Platz von 65 Teilnehmer-Staaten insgesamt. Damit zählt es insgesamt zum oberen Drittel, bleibt im OECD-Bereich jedoch nur durchschnittlich.

 

– Die Risikogruppe von Schülerinnen und Schüler unterhalb der Kompetenzstufe 2 hat sich im Lesen von 2000 bis 2009 von 22,6 % auf 18,5 % um 4,2 % aller Schüler verringert (2006: 20,0 %). Deutschland liegt damit wiederum im OECD-Durchschnitt.

 

– Im gleichen Zeitraum hat sich die Gruppe der Besten auf Kompetenzstufe 5 und 6 nicht ausgeweitet, sondern von 8,8 % auf 7,6 % aller Schüler verringert, was als statistisch nicht bedeutsam gilt.

 

– Die Leistungsvarianz – das heißt die Kluft zwischen leistungsstärksten und leistungsschwächsten getesteten 15-Jährigen – hat sich im Bereich Lesen zwischen 2000 und 2009 in Deutschland um 27 % verringert, ohne dass sich die Spitzengruppe nennenswert verkleinert hätte. Deutschland hat sich damit vom Land mit der höchsten Leistungsvarianz aller OECD-Länder im Lesen bei PISA 2000 zu einem Land mit durchschnittlicher Leistungsvarianz bei PISA 2009 entwickelt. Allerdings weisen andere OECD-Länder nach wie vor eine erheblich geringere Leistungsvarianz auf.

 

– Nach wie vor sind die 15-jährigen Mädchen den Jungen in der Lesekompetenz um durchschnittlich 40 Punkte weit voraus (2000: 35 Punkte). Dies entspricht mehr als einem Schuljahr und liegt im OECD-Durchschnitt (39 Punkte). In Deutschland bleiben 24 % der Jungen im Lesen unter der Kompetenzstufe 2 – gegenüber 12,7 % der Mädchen. 11 % der Mädchen erreichen Kompetenzstufe 5 oder 6 – aber nur 4,4 % der Jungen.

 

– Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die angeben, aus Vergnügen zu lesen, hat sich in Deutschland zwischen 2000 und 2009 praktisch nicht verändert (2000: 58,2 %, 2009: 58,7 %). Dabei sind die Mädchen in Deutschland wie im OECD-Durchschnitt erheblich motivierter als die Jungen.

 

Abhängigkeit der Leistung vom sozio-ökonomischen Hintergrund – verringert, aber weiter hoch

 

– Nach wie vor ist die Abhängigkeit der Leseleistung vom sozialen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler in Deutschland sehr hoch. Allerdings hat sich dieser Zusammenhang zwischen 2000-2009 abgeschwächt. Schülerinnen und Schüler, die sich in ihrem sozio-ökonomischen Hintergrund um eine Einheit auf der Skala des „PISA Index des ökonomischen, sozialen und kulturellen Status“ (ESCS) unterscheiden, lagen  im Jahr 2000 durchschnittlich um 52 PISA-Punkte im Lesen auseinander, im Jahr 2009 nur noch um 44 Punkte.

 

– In Deutschland spielt der sozio-ökonomische Hintergrund der Schule eine entscheidende Rolle, wie PISA 2000 zeigte. Wenn Schüler mit ähnlichem sozio-ökonomischen Status eine Schule mit durchschnittlichem sozio-ökonomischen Hintergrund besuchen, erzielen sie deutlich schlechtere Leistungen, als wenn sie eine Schule mit stark überdurchschnittlichem sozio-ökonomischen Hintergrund besuchen. Diese Leistungsdifferenz entspricht 50 PISA-Punkten oder eineinhalb Schuljahren. Allerdings hat sich  die Abhängigkeit der Leistung vom sozio-ökonomischen Hintergrund der Schule im Bereich Lesen zwischen 2000 und 2009 insgesamt abgeschwächt.

 

Abhängigkeit der Leseleistung vom Migrationshintergrund – verringert, aber weiter hoch

 

– Der internationale Vergleich zeigt, dass insgesamt kein Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Leistung eines Landes und der Höhe des Anteils der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund besteht. So ist die diese Quote in Kanada und Neuseeland wesentlich höher als in Deutschland, aber mit besserer Lesekompetenz verbunden.

 

– In Deutschland ist aber die Abhängigkeit der Leistung vom Migrationshintergrund immer noch größer als im OECD-Durchschnitt. Entsprechend ist der Anteil der schwächsten Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund unter Kompetenzstufe 2 in Deutschland höher als im OECD-Durchschnitt und auf den höchsten Kompetenzstufen 5 und 6 geringer. Migrantenkinder besuchen überdurchschnittlich häufig Schulen mit schwächerem sozio-ökonomischen Hintergrund.

 

– Die Abhängigkeit der Leistung vom Migrationshintergrund bleibt auch dann noch bestehen, wenn der sozioökonomische Hintergrund herausgerechnet  wird. Allerdings reduziert sich die Leistungsdifferenz im Lesen in diesem Fall so stark wie in kaum einem anderen Land, nämlich um mehr als die Hälfte von knapp 60 auf unter 25 Punkte.

 

– Insgesamt zeigt sich im Trend 2000-2009 für die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Deutschland eine signifikant positive Entwicklung. Lag die Punktedifferenz zwischen den Schülern mit und ohne Migrationshintergrund in PISA 2000 bei 84 Punkten, so trennen sie in PISA 2009 noch 56 Punkte.

 

– Darüber hinaus hat sich der Zusammenhang zwischen der Leseleistung und der im Elternhaus gesprochenen Sprache signifikant verringert. Allerdings bleibt Deutschland bei der Sprachförderung von Migranten hinter anderen OECD-Staaten zurück.

 

Mathematik –über dem OECD-Durchschnitt

 

– In Mathematik hat sich Deutschland seit 2003 spürbar verbessert und liegt jetzt deutlich über dem OECD-Durchschnitt am Rand des oberen Drittels der OECD-Mitglieder. Der Abstand zu Korea und Finnland beträgt aber nach wie vor ein Schuljahr. Der von deutschen Schülerinnen und Schülern erreichte Mittelwert ist von 503 Punkten im Jahr 2003 auf 513 Punkte im Jahr 2009 gestiegen (2006: 504 Punkte, 2000: 490 Punkte)

 

– Deutschland liegt 2009 auf dem 10. Platz von 34 OECD-Ländern bzw. auf dem 16. Platz von 65 Teilnehmern insgesamt.

 

– Die Risikogruppe hat sich in diesem Bereich zwischen 2003 und 2009 von 21,6 % auf 18,6 % verringert (2006: 19,9 %). Die OECD bezeichnet die Veränderung als nicht signifikant. Die Gruppe der Besten (Kompetenzstufe 5 und mehr) hat sich in Mathematik statistisch nicht signifikant von 16,2 auf 17,8 % erhöht.

 

– In Deutschland liegen die Jungen im Durchschnitt 16 Punkte vor den Mädchen und damit leicht über dem OECD-Durchschnitt von 12 Punkten. Der Abstand ist damit wesentlich geringer als der zwischen Mädchen und Jungen im Bereich Lesen.


Naturwissenschaften – kaum Veränderungen, aber über dem OECD-Durchschnitt

 

– Im Bereich Naturwissenschaft hat sich Deutschland seit 2006 nicht signifikant verbessert, wohl gegenüber den Leistungen im Jahr 2000. Es liegt bei PISA 2009 im oberen Drittel der OECD-Mitglieder. Der von den deutschen Schülerinnen und Schülern erreichte Mittelwert ist seit 2006 um 4 Punkte gestiegen. Seit 2000 hat sich Deutschland um 33 Punkte verbessert (2000: 487 Punkte; 2003: 502; 2006: 516; 2009: 520).

 

– Deutschland liegt 2009 auf dem 9. Platz von 34 OECD-Ländern bzw. auf dem 13. Platz von 65 Teilnehmern insgesamt.

 

– Die Risikogruppe hat sich in diesem Bereich zwischen 2006, als Naturwissenschaften Hauptdomäne war, und 2009 statistisch nicht signifikant von 15,4 % auf 14,8 % verringert, der Anteil derjenigen, die zur besten Gruppe (Kompetenzstufe 5 und mehr) gehören, stieg statistisch nicht signifikant von 11,8 % auf 12,8 %.

 

– Die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen sind in diesem Bereich in den meisten Teilnehmer-Ländern statistisch nicht bedeutsam. In Deutschland liegen die Jungen 6 – statistisch nicht bedeutsame   – Punkte über den Mädchen.

 

Internationaler Vergleich

 

Im internationalen Vergleich  sind Korea (539 Punkte) und Finnland (536) nach wie vor die leistungsstärksten OECD-Länder; hinzu kommen Shanghai (556) sowie Hongkong (533),  Singapur (526), Kanada (524), Neuseeland (521), Japan (520) und Australien (515). Auch die Ergebnisse der Niederlande (508), Belgiens (506), Norwegens (503), Estlands (501), der Schweiz (501), Polens (500), Islands (500) und Liechtensteins (499) liegen über dem OECD-Mittelwert von 494, während die Vereinigten Staaten, Schweden, Deutschland, Irland, Frankreich, Dänemark, das Vereinigte Königreich, Ungarn, Portugal und Chinesisch Taipeh Ergebnisse nahe dem OECD-Mittelwert aufweisen. Das leistungsschwächste OECD-Land, Mexiko, erreicht einen Durchschnittswert von 425 Punkten. Der Abstand zwischen dem leistungsstärksten und dem leistungsschwächsten OECD-Land beträgt damit 114 Punkte und entspricht zwei Schuljahren.

 

– Die Ergebnisse von PISA 2009 zeigen, dass Bemühungen um ein hohes Leistungsniveau und die Überwindung der Leistungsschwäche einander nicht auszuschließen brauchen. Die Länder, die bei PISA 2009 insgesamt die Leistungsspitze im Bereich der Lesekompetenz bilden, weisen zugleich die geringsten Unterschiede bei den Schülerpunktzahlen auf.

 

– Bei den Auswirkungen des sozioökonomischen Hintergrunds auf die Lernergebnisse der Schüler ist zu erkennen: Ein Drittel der Varianz der Ergebnisse der einzelnen Länder kann mit der Häufigkeit der Abschulungen und Wiederholungen in Verbindung gebracht werden. Die Abschulungen von Schülerinnen und Schülern mit schlechten Ergebnissen sind eher Symptom als Ursache dafür, dass einzelne Schulen und Schulsysteme keine befriedigenden Ergebnisse erzielen. Allerdings verfügen Schulen mit niedrigerer Abschulungsquote in der Regel über mehr Autonomie und zusätzliche Möglichkeiten zur Bewältigung solcher Herausforderungen.

 

– Die erfolgreichsten Schulsysteme erteilen den Schulen mehr Autonomie bei der Gestaltung der Lehrpläne und der Beurteilungsmethoden. Der Anreiz, gute Ergebnisse für alle Schülerinnen und Schüler zu erzielen, ist nicht nur eine Frage der sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft, sondern hängt auch davon ab, wie die Schulen über ihre Ergebnisse Rechenschaft ablegen müssen und welche Formen von Autonomie ihnen gewährt werden. In Ländern, in denen die Schulen mehr Autonomie haben, erzielen die Schüler tendenziell bessere Ergebnisse.

 

– Die PISA-Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Erhöhung der Lehrerqualität ein effektiverer Weg zur Verbesserung der Schülerleistungen ist als die Einrichtung kleinerer Klassen. Innerhalb der Länder erzielen Schulen mit besserer Ressourcenausstattung in der Regel nur insofern bessere Ergebnisse, als sie tendenziell auch eine größere Zahl sozioökonomisch besser gestellter Schülerinnen und Schüler haben.

 

– In mehr als der Hälfte der OECD-Länder haben über 94 % der 15-jährigen Schüler eine vorschulische Einrichtung besucht. Wer an Vorschulunterricht teilgenommen hat, erzielt in der Regel bessere Ergebnisse als andere Schüler. Dieser Vorsprung ist ausgeprägter in Schulsystemen, in denen die Vorschulbildung länger dauert, wo die Schüler/Lehrer-Quote auf Vorschulebene niedriger ist und wo die öffentlichen Ausgaben pro Schüler in dieser Bildungsstufe höher sind. Im Vergleich erreichen Schulsysteme, in denen ein größerer Anteil Schüler eine Vorschule besucht hat, in der Regel bessere Ergebnisse.

 

– Auch Schulen mit Faktoren wie größerer Disziplin, einem positiveren Verhalten der Lehrkräfte und besseren Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schülern erzielen in der Regel höhere Punktzahlen im Bereich der Lesekompetenz.

 

Bewertung

 

– Die erzielten Fortschritte seit dem "PISA-Schock" 2009 in Deutschland zeigen, dass die eingeleiteten Reformen zu Verbesserungen geführt und gegriffen haben, zumindest in mehreren der getesteten Teilbereiche. Die positiven Ergebnisse sind Ansporn, den eingeschlagenen Weg konsequent weiter zu gehen. Sie machen aber auch deutlich, dass es für Deutschland noch einen großen Abstand zu den Spitzenreitern aufzuholen gilt. Im Bereich Lesen wurde gerade einmal der Durchschnitt erreicht, zu dem auch Entwicklungs- und Schwellenländer beitragen, nachdem Deutschland 2000 sogar unterdurchschnittlich abgeschnitten hatte. Die Gruppe der besten Schüler konnte in fast zehn Jahren nicht vergrößert werden.

 

– Insbesondere für den MINT-Standort Deutschland ist es außerordentlich wichtig, dass die getesteten Schülerinnen und Schüler in Mathematik und Naturwissenschaften Leistungen über dem OECD-Durchschnitt erzielt haben. Kinder aus sozial schwierigeren Verhältnissen und aus Migrantenfamilien werden offenbar besser gefördert und konnten spürbar aufholen. Der Unterschied zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund ist zwischen 2000 und 2009 um ein Drittel geschrumpft.  Sorgen machen muss aber, dass die mangelnde Ausbildungsreife der "Risikogruppe" in zehn Jahren nur um 4 %-Punkte – von 22 % auf 18 % der 15-Jährigen – gesunken ist. Vor allem für Jungen sind neue Anstöße notwendig, um mehr Lesekompetenz zu erreichen.

 

– Der internationale Vergleich bestätigt die bildungspolitischen Positionen der BDA, indem er entscheidende Faktoren für Schulqualität aufzeigt und belegt: Dazu gehören vor allem mehr Selbstständigkeit der Schulen, um gezielt individuell fördern zu können, ein Ausbau der frühkindlichen vorschulischen Bildung und eine Verbesserung der Lehrerprofessionalität. Die OECD gibt zwar Hinweise darauf, dass eine Differenzierung des Schulsystems nach Schulformen die soziale Ungerechtigkeit verstärken kann, verweist aber zugleich auf die Autonomie bzw. Selbstständigkeit der Schulen als zentralen Erfolgsfaktor und die eigentliche "Lösung" des Problems der sozialen Disparitäten.

 

 

 

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