Baden-Württemberg legt Sicherheitsgutachten zu Atomkraftwerken in Fessenheim und Beznau vor

Baden-Württemberg

Das baden-württembergische Umweltministerium hat am Donnerstag ein Gutachten des Öko-Instituts (ÖI) und des Physikerbüros Bremen (PhB) zum Sicherheitsstandard der beiden Atomkraftwerke in Fessenheim (Frankreich) und Beznau (Schweiz) vorgelegt. Beide Anlagen gehören zu den ältesten Europas und liegen in unmittelbarer Grenznähe zu Baden-Württemberg.

Die Experten kommen zu dem Ergebnis, dass beide Anlagen in den fünf untersuchten Bereichen – Erdbeben, Überflutung, Brennelement-Lagerbecken, elektrische Energieversorgung und Kühlwasserversorgung – wesentliche sicherheitstechnische Schwachstellen haben.

Für die Untersuchung stützten sich die beiden Büros vor allem auf die Unterlagen, die Betreiber und Aufsichtsbehörden der beiden Anlagen im Rahmen des EU-Stresstests erstellt und veröffentlicht haben, daneben nutzten sie weitere öffentlich zugängliche Informationen wie beispielsweise Ergebnisse der periodischen Sicherheitsüberprüfungen der Reaktoren. Die vorliegenden Informationen wurden nach deutschem Maßstab bewertet (entsprechend dem Stresstest der Reaktorsicherheitskommission nach der Atomkatastrophe von Fukushima), da die EU keinerlei Sicherheitsmaßstäbe vorgab.

Umweltminister Franz Untersteller zeigte sich von den Ergebnissen der Gutachter zwar nicht überrascht, aber dennoch alarmiert: „Unsere Befürchtung, dass Fessenheim und Beznau nicht die erforderlichen Sicherheitsstandards erfüllen, hat sich bestätigt. Beide Kraftwerke liegen in den meisten relevanten Bereichen hinter dem Sicherheitsstatus deutscher Anlagen zurück – zum Teil selbst derjenigen, die wir nach Fukushima aus Sicherheitsgründen abgeschaltet haben.“

  • Die Anlage in Fessenheim sei zum Beispiel nur gegen ein 10.000-jährliches Erdbeben ausgelegt, deutsche Anlagen gegen ein 100.000-jährliches.
  • Die ausgewiesenen Schutzhöhen des Atomkraftwerks Fessenheim bei Überflutungsereignissen seien gegenüber deutschen Anlagen eher gering, zentrale sicherheitstechnische Systeme seien wegen ihres Standorts auf einem Niveau weit unterhalb des Rheinseitenkanals sogar überflutungsgefährdet.
  • Bei der Notstromversorgung seien deutsche Anlagen gegenüber Fessenheim wegen des höheren Redundanzgrades (also wegen des mehrfachen Vorhandenseins gleicher oder vergleichbarer sicherheitstechnischer Einrichtungen) ebenfalls deutlich besser auf Probleme vorbereitet.

Ähnliche Auslegungsschwächen ergebe die Untersuchung für das Schweizer Atomkraftwerk in Beznau, erklärte Untersteller. Zwar seien in beiden Anlagen bereits Nachbesserungen geplant, an der Gesamtbeurteilung, dass es sich insbesondere bei Fessenheim um eine sicherheitstechnisch unzureichende Anlage handle, ändere sich dadurch aber nichts. „Die grundlegenden Schwächen aus einem Design der 1960er und 1970er Jahre lassen sich auch mit Nachrüstungen nicht beheben.“

Untersteller bemängelte in diesem Zusammenhang ausdrücklich den EU-Stresstest, dessen Ergebnisse erst vor wenigen Tagen vorgestellt worden seien: „Das war zwar ein begrüßenswerter erster Schritt auf einem Weg zu europaweit einheitlichen Sicherheitsstandards. Aber die Aussagekraft des EU-Stresstests ist doch sehr begrenzt. Eine Bewertung des Sicherheitsniveaus einzelner Anlagen ist damit nicht möglich.“

Der baden-württembergische Umweltminister forderte sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission auf, sich jetzt verstärkt für europäische Standards bei der Anlagensicherheit einzusetzen und endlich einen hohen Bewertungsmaßstab zu entwickeln, der eine sicherheitstechnische Gesamtbewertung jeder einzelnen Anlage erlaube. Punktuelle Untersuchungen wie im EU-Stresstest seien dafür nicht ausreichend.

„Fessenheim“, so Franz Untersteller abschließend, „gehört nach den vorliegenden Ergebnissen unseres Gutachtens mehr denn je zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgeschaltet. 2016, wie von der französischen Regierung geplant, ist mir zu spät. Das würde ich gerne vor Ort mit den Verantwortlichen in der Regierung besprechen.“

Das Gutachten ist den Regierungen in Frankreich, der Schweiz und Deutschland zugeschickt worden.

Quelle: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg

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