Chips retten Leben: TU Hamburg und Uniklinik Eppendorf entwickeln Nanoelektronik für die Medizin

Winzig klein sind die Chips, die Großartiges zu leisten vermögen: Sie können zum Beispiel Patienten, die an einem Aneurysma erkrankt sind, das Leben retten. Entwickelt wird die medizintechnische Innovation zurzeit in einer der bisher größten gemeinsamen Forschungsvorhaben zwischen der TU Hamburg-Harburg (TUHH) und dem Universitätsklinikum Eppendorf (UKE): Im Mittelpunkt des mit 2,5 Millionen Euro vom Bundesforschungsministeriums finanzierten interdisziplinären Projekts, an dem auch das Fraunhofer-Institut Dresden sowie mittelständische Unternehmen beteiligt sind, stehen außer an einem Aneurysma leidende auch durch einen Schlaganfall erkrankte Menschen.

Jeder zehnte Mann – und bis zu zwei Prozent der Frauen – erleidet eine Vergrößerung der Hauptschlagader im Bauch. Dieses Aorten-Aneurysma ist lebensgefährlich. Denn an dieser vergrößerten Stelle kann die Aorta einen Riss bekommen, und diese Ruptur überlebt nur jeder zehnte Patient. In der medizinischen Praxis wird zur Therapie ein Stent – das ist ein röhrenförmiges Implantat – dort in die Hauptschlagader im Bauch eingeführt, wo es zu der typischen sackartigen Ausbeulung gekommen ist. Dieses Implantat verschließt die Aorta so, dass das Aneurysma vom Blutfluss abgeschnitten ist. Das Problem: In bis zu 40 Prozent der Fälle bilden sich im Lauf meist von Jahren undichte Stellen. Das Aneurysma kann platzen, und es tritt Blut in den Bauchraum.

Chips retten Leben

In ihrem gemeinsamen Projekt wollen die Ingenieure der TUHH und Ärzte am UKE diese tickende Zeitbombe im Körper entschärfen, in dem sie den Stent mit Hilfe der Nanoelektronik optimieren. Ausgestattet mit im Endzustand bis zu 64 Sensoren, die jeweils nicht größer sind als 0,25 Quadratmillimeter und einem nur etwa zehnfach größeren Schaltkreis, übernimmt dieses Nanoelektronik-Implantat zusätzlich eine überlebenswichtige Überwachungsfunktion. Es misst die Druckverhältnisse im Aneurysma und überträgt die Daten zu einem mobilen Lesegerät, das nicht größer ist als eine Streichholzschachtel. Arzt und Patienten können so die Daten jederzeit und überall ablesen.

Intelligente Miniaturen im Körper

„Die Nanoelektronik ist so klein und leistungsfähig geworden, dass sich daraus viele neue Möglichkeiten für die Medizintechnik eröffnet haben, die vor zehn Jahren noch undenkbar gewesen wären“, sagt Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Krautschneider, Koordinator des Forschungsschwerpunktes Regeneration, Implantate und Medizintechnik an der TUHH. Den medizinischen Part dieser Forschung übernimmt die Klinik und Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am UKE. Ihr ärztlicher Leiter, Prof. Dr. med. Gerhard Adam: „Das Spannende an dieser Kooperation ist für uns die Nutzbarmachung der Nanoelektronik für die Medizin. Der entwickelte Sensor könnte dazu führen, dass wir bald den Blutdruck im Aneurysma messen können. Dadurch können undichte Stellen früh erkannt werden ohne den Patienten oder die Patientin mittels Ultraschall oder Computertomographie in regelmäßigen Intervallen zu untersuchen. Eine große Erleichterung für die Patienten und langfristig eine Kostenersparnis.“

Elektrowellen bringen Bewegung in steife Muskeln

Prof. Dr. Christian Gerloff, ärztlicher Leiter der Klinik und Poliklinik für Neurologie, möchte die Nanoelektronik für Schlaganfall-Patienten nutzbar machen. „Dadurch, dass wir unser neurologisches Wissen über Gehirn, Nerven und Muskeln mit den Kenntnissen der TUHH über Nanotechnologie kombinieren, eröffnen wir technologisch ganz neue Dimensionen auf dem Weg zu neuen Behandlungsmethoden.“ Etwa 250 000 Bürger erleiden jedes Jahr in Deutschland einen Schlaganfall. Fast zwei Drittel dieser Patienten sind anschließend durch dauerhafte Behinderungen im beruflichen und privaten Leben erheblich beeinträchtigt. Sehr häufig betroffen ist die Handfunktion in deren Folge, sich die Faust nicht mehr öffnen lässt.“

Die Neurowissenschaftler des UKE und die Ingenieure der TUHH wollen nun ein System entwickeln, das den Alltag dieser Patienten erleichtert. Erforscht wird ein kleines tragbares Gerät, das elektrische Impulse an Nerven und Muskeln sendet und beispielsweise dafür sorgt, dass sich die Faust öffnet. Ausgelöst werden diese Impulse durch eine Muskelbewegung der nicht-gelähmten Körperseite.

Über dieses Projekt sowie weitere in der Medizintechnik berichtete der NDR am 11.12.2012 im Hamburg Journal. Der Bericht kann in der Mediathek angeschaut werden.

(Technische Universität Hamburg-Harburg)

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