Der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft und Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Hans-Joachim Otto, hat am Dienstag (19. Juni) die eintägige Fachtagung des Bundeswirtschaftsministeriums „Tiefseebergbau – Technologische und rohstoffpolitische Potenziale für die deutsche Wirtschaft“ eröffnet. Auf der Tagung diskutieren rund 160 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft über Möglichkeiten und Potenziale des Abbaus mariner mineralischer Rohstoffe und über die aktuellen weltweiten Entwicklungen des Tiefseebergbaus.
Staatssekretär Otto: „Marine mineralische Rohstoffe können mittelfristig einen soliden Beitrag zur Versorgungssicherheit bei Metallrohstoffen leisten. Das weltweite Interesse an der Förderung hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Wir wollen in Deutschland frühzeitig die Chancen des Tiefseebergbaus ergreifen. Deutsche Unternehmen verfügen über eine exzellente Expertise bei den maritimen Technologien und haben eine hervorragende Ausgangsposition für die Entwicklung der erforderlichen innovativen Systeme für den Tiefseebergbau. Dies schließt auch den deutschen Schiffbau, der Spezialschiffe liefern kann, ein.
Deutsche Unternehmen haben im Tiefseebergbau vor allem dann gute Chancen, wenn es ihnen gelingt, das vorhandene, aber auf viele Unternehmen verteilte Know-how zu bündeln und die Systemführerschaft zu erreichen. Die Bundesregierung unterstützt dieses Ziel mit dem Nationalen Masterplan Maritime Technologien (NMMT).“
Einen wesentlichen Impuls erfährt die Fachtagung durch die Anwesenheit und Eröffnungsrede des Generalsekretärs der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB), Nii Allotey Odunton, der für die Tagung vom IMB-Sitz in Kingston/Jamaika angereist ist. Odunton sieht Deutschland in der ersten Reihe derjenigen Staaten, die Technologie für einen umweltgerechten Abbau dieser Rohstoffe bereitstellen können.
Deutschland ist als Industrieland in hohem Maße abhängig von Importen wichtiger Metallrohstoffe. Diese Rohstoffe werden bislang ausschließlich aus Landlagerstätten gewonnen. Eine noch nicht erschlossene Quelle sind marine mineralische Rohstoffe. Die Fachtagung wird Chancen und Voraussetzungen einer kommerziellen Förderung von mineralischen Rohstoffen vom Tiefseeboden ausleuchten. Nach der Plenarveranstaltung werden sich zwei Workshops mit den wirtschaftlichen und technologischen Anforderungen des Tiefseebergbaus von der Erkundung bis hin zur Aufbereitung sowie mit den Umweltanforderungen, die an den Tiefseebergbau zu stellen sind, befassen.
Die Bundesregierung hat den Nationalen Masterplan Maritime Technologien im Sommer 2011 beschlossen. Der Masterplan soll in einem gemeinsamen Prozess mit allen Beteiligten den Ausbau des technologischen Potenzials der deutschen Meerestechnik unterstützen. Die marinen mineralischen Rohstoffe sind als strategisch zentraler Bereich im NMMT fest verankert.
Deutsche Lizenzgebiete im Pazifik
Bislang hat die UN-Meeresbodenbehörde nur Explorations-, also Erkundungslizenzen vergeben. Diese gelten für 15 Jahre, innerhalb der sich der Lizenznehmer entscheiden muss, eine Produktionslizenz zu beantragen. Dies hat bislang noch keiner der acht Lizenznehmer gemacht: China, Japan, Korea, Frankreich, Russland, Indien, ein osteuropäisches Konsortium sowie Deutschland – das heißt, Manganknollen werden bislang noch nicht abgebaut. Allerdings nähere man sich der Wirtschaftlichkeit eines möglichen Abbaus zunehmend an. Für die Bundesregierung erkundet die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) seit 2006 die Rohstoffvorkommen im Zentralpazifik. Deutschland hat dafür bereits im Zentralpazifik zwei Lizenzgebiete zwischen Hawaii und Mexiko mit einer Gesamtgröße von 75.000 Quadratkilometern zugesprochen bekommen.
Ergiebiger Fund der Deutschen Rohstoffagentur
Forscher der Deutschen Rohstoffagentur (Dera) haben zudem im November 2011 reiche Rohstoff-Lagerstätten im Indischen Ozean östlich von Madagaskar entdeckt. Die erkundeten Hydrothermalfelder in Tiefen von 2.800 bis 3.400 Metern weisen mit bis zu 24% Kupferanteil die bisher höchsten Konzentrationen für Meeresböden überhaupt auf. Zudem gebe es auch Hinweise auf Edel- und Hochtechnologiemetalle wie Gold, Silber, Wismut, Selen und Indium.
33 Billionen Dollar an seltenen Rohstoffen in der Tiefsee
Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) geht insgesamt von Rohstoffen in der Tiefsee im Wert von bis zu 33 Billionen Dollar aus. Dies betreffe vor allem die stark nachgefragten Rohstoffe wie Kupfer, Nickel und die begehrten Hightech-Metalle der Gruppe der „Seltenen Erden“ wie Lanthan und Neodym. Sie lagern hoch angereichert in den sogenannten „Manganknollen“. 500 Millionen Tonnen dieser kartoffelgroßen Knollen sind auf dem Meeresboden der Tiefsee zu finden. Allerdings fehlen bislang wirtschaftliche Methoden, um die Rohstoffe zu heben. Weltweit arbeiten Wissenschaftler fieberhaft an einer Lösung, dennoch werden wohl noch einige Jahre vergehen, bis die Förderung der Schätze der Tiefsee beginnen kann.
Wettrennen um die Lagerstätten der Tiefsee
In dem Wettrennen um die Schätze der Tiefsee hat kürzlich China einen entscheidenden Schritt gemacht. Insgesamt gibt es nur fünf Nationen, die gegenwärtig Menschen sicher auf Tiefen über 3.500 Meter befördern können: Japan, China, die USA, Frankreich und Russland. Im Juli 2011 hatte China den ersten Tauchgang mit dem neu entwickelten, nach einem mystischen Seedrachen benannten Tauchboot „Jiaolong“ unternommen und war auf eine Tiefe von 5.188 Metern vorgestoßen. Das Tauchboot mit einer 3-köpfigen Besatzung ist auf eine Tiefe von 7.000 Metern ausgelegt und soll der Erkundung von Rohstoffen auf dem Meeresboden der Tiefsee dienen. Mitte Juni wurde nun ein neuer Landesrekord mit 6.500 Metern Tiefe aufgestellt – damit wurde der bisherige Nationenrekord Japans egalisiert. Tiefer kamen bislang nur zwei Privatteams: Den absoluten Tiefenrekord hält noch der Schweizer Forscher Jacques Piccard, der 1960 mit der fensterlosen Tauchkapsel „Trieste“ 11.000 Meter tief auf den Boden des Mariannengrabens im Westpazifik tauchte. Erst Ende März 2012 war dann der kanadische Star-Regisseur James Cameron (Titanic, Avatar) mit einer Tauchkapsel 10.898 Meter tief in den Mariannengraben hinabgetaucht – die Filmaufnahmen, die er dabei machte, dürften demnächst um die Welt gehen.
(mb)